Fordert ein öffentlicher Auftraggeber, dass Angebote mit elektronischer Signatur einzureichen sind, müssen Angebote, die ohne entsprechende Signatur eingereicht wurden, vor dem Hintergrund des § 57 Abs. 1 Nr. 1 VgV i.V.m. § 53 Abs. 3 VgV zwingend ausgeschlossen werden. Die fehlende elektronische Signatur kann auch nicht nachgefordert werden.§ 57 VgV, § 53 VgV
Leitsatz
- Der Auftraggeber legt fest, ob das Angebot schriftlich und/oder elektronisch einzureichen ist. Ausreichend ist grundsätzlich die Übermittlung in Textform mithilfe elektronischer Mittel, bei der auf die eigenhändige Unterschrift verzichtet wird.
- Der öffentliche Auftraggeber kann erhöhte Anforderungen an die Sicherheit der zu übermittelnden Daten stellen und eine fortgeschrittene elektronische Signatur oder eine qualifizierte elektronische Signatur des Bieters verlangen.
- Weist ein Angebot die geforderte elektronische Signatur nicht auf, ist es von der Wertung auszuschließen.
- Die fehlende elektronische Signatur unter dem Angebot kann nicht als „sonstiger Nachweis“ nachgefordert werden.
Sachverhalt
Ein öffentlicher Auftraggeber schrieb im Herbst 2017 Briefdienstleistungen aus. Die Angebotsabgabe war ausschließlich elektronisch über die E-Vergabe-Plattform des Bundes möglich. Dabei war nach Vorgaben der Vergabestelle das Angebotsschreiben zwingend mit einer fortgeschrittenen elektronischen Signatur oder mit einer qualifizierten elektronischen Signatur zu versehen.
Ein Bieter reichte sein Angebot zwar innerhalb der Angebotsfrist, jedoch nicht mit der geforderten elektronischen Signatur ein. Die Vergabestelle teilte dem Bieter daraufhin mit, dass sein Angebot wegen Fehlens der erforderlichen elektronischen Signatur aus formalen Gründen ausgeschlossen werde, was der Bieter unverzüglich rügte.
Nach Zurückweisung der Rüge stellte der Bieter einen Nachprüfungsantrag bei der Vergabekammer des Bundes. Die Vergabekammer bestätigte zwar, dass der Ausschluss des Angebots mangels elektronischer Signatur rechtmäßig erfolgte, griff aber im Wege der Amtsermittlung die Überprüfung der Zuschlagskriterien auf. In diesem Zuge ordnete sie aufgrund intransparenter Wertungskriterien eine Zurückversetzung des Verfahrens in den Stand vor Aufforderung zur Angebotsabgabe an. Hiergegen legte der öffentliche Auftraggeber Sofortige Beschwerde beim OLG Düsseldorf ein.
Die Entscheidung
Das OLG Düsseldorf bestätigte den Ausschluss des Angebots mangels elektronischer Signatur.
Das OLG stellt in seiner Begründung des Beschlusses darauf ab, dass nach § 57 Abs. 1 Nr. 1 VgV Angebote auszuschließen sind, die nicht form- und fristgerecht eingegangen sind. Hierzu gehören nach Auffassung des Gerichts auch solche Angebote, bei denen die geforderte elektronische Signatur fehlt. Dabei führt das OLG Düsseldorf in seiner Entscheidung unter Verweis auf die Systematik der VgV-Normen nachvollziehbar aus, dass es für die Abgabe eines formgerechten Angebots nicht genüge, wenn dies elektronisch in Textform nach § 126b BGB übermittelt wird und damit den Vorgaben des § 53 Abs. 1 VgV entspricht. Vielmehr nehme § 57 VgV auf § 53 VgV insgesamt (und eben nicht nur auf Absatz 1) und damit auf sämtliche dort geregelten Formerfordernisse Bezug.
Im Ergebnis führt die auf dem Angebotsvordruck fehlende elektronische Signatur, die in § 53 Abs. 3 VgV näher geregelt ist, dazu, dass das Angebot als nicht formgerecht abgegeben zu behandeln ist.
Das OLG Düsseldorf erteilte auch der Möglichkeit des Nachforderns der elektronischen Signatur als „sonstigen Nachweis“ eine Absage. Das OLG begründet dies überzeugend unter Verweis auf die Regelungssystematik der VgV: § 57 Abs. 1 VgV sieht mehrere alternative Ausschlussgründe vor. Während § 57 Abs. 1 Nr. 1 VgV den Ausschluss solcher Angebote fordert, die nicht form- und fristgerecht eingereicht wurden, regelt § 57 Abs. 1 Nr. 2 VgV, dass Angebote auszuschließen sind, die nicht die geforderten oder nachgeforderten Unterlagen enthalten. Diese beiden alternativen Ausschlussgründe legten nach Auffassung des OLG Düsseldorf nahe, dass das Fehler der in § 53 VgV geregelten Formerfordernisse gerade kein sonstiger Nachweis ist, der nachgefordert werden kann (und bei fehlender Nachreichung zum Ausschluss nach § 57 Abs. 1 Nr.2 VgV führen würde), sondern stets einen Angebotsausschluss nach § 57 Abs. 1 Nr. 1 VgV mit sich bringt. Diese Auslegung untermauert das OLG Düsseldorf schließlich unter Verweis auf die Erwägungen des Gesetzgebers und die einhellige Auffassung der Kommentarliteratur.
Im Ergebnis gab das Gericht der Sofortigen Beschwerde der Vergabestelle im Übrigen statt. Die Vergabekammer sei nicht befugt gewesen, die Frage der Transparenz der Zuschlagskriterien im Wege der Amtsermittlung aufzugreifen, da das Angebot der Antragstellerin bereits mangels Einhaltung der Formvorgaben auszuschließen war und es auf die Wertung anhand der Zuschlagskriterien, die die Antragstellerin zudem nie als intransparent bemängelt hatte, ankam.
Rechtliche Würdigung
Das OLG Düsseldorf knüpft mit dieser Entscheidung an seine frühere Rechtsprechung zur alten Rechtslage vor der Vergaberechtsreform 2016 an (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 13.04.2016 – Verg 52/16). Auch hier vertrat das OLG die Auffassung, dass die elektronische Signatur eines Angebots nicht nachforderungsfähig sind.
Die weite Formulierung des § 56 Abs. 2 VgV zur Nachforderungsmöglichkeit ändert hieran nichts, da sich die Frage des Nachforderns bei einem nicht formgerecht eingereichten Angebot nicht stellt. Etwas anderes wird wohl gelten, wenn zwar das Angebot selbst (oder das Anschreiben) ordnungsgemäß elektronisch signiert ist, aber eine geforderte elektronische Signatur an anderen Stellen der Angebotsunterlagen (z.B. auf einem gesondertem Preisblatt) fehlt. In diesem Fall wird man mit der Argumentation des OLG Düsseldorf davon ausgehen können, dass das Angebot als solches formgerecht eingereicht wurde und lediglich die betreffende Unterlage als „unvollständig“ im Sinne des § 56 Abs. 2 VgV anzusehen ist.
Die Entscheidung des OLG Düsseldorf bezieht sich zwar auf die VgV, ist aber ohne Weiteres auf Bauvergaben übertragbar, der die Problematik systematisch sogar noch etwas klarer regelt (vgl. § 16 EU Nr. 2 VOB/A i.V.m. § 13 EU Abs. 1 Nr. 1 VOB/A).
Praxistipp
Zahlreiche jüngere Entscheidungen zeigen, dass die Umstellung auf die E-Vergabe noch mit einigen „Anlaufschwierigkeiten“ verbunden ist. Bieter haben sich dabei nicht nur mit den unterschiedlichsten Plattformen und neuen technischen Herausforderungen auseinanderzusetzen, sondern sind auch der Vielzahl an individuellen Vorgaben und Formularen der Vergabestellen „ausgesetzt“. Öffentlichen Auftraggebern ist mit Blick auf einen möglichst breiten Bietermarkt daher zu raten, es den Bietern so einfach wie möglich zu machen und dabei insbesondere auch Instrumente wie die elektronische Signatur mit Augenmaß einzusetzen.
Dr. Alexander Dörr
Dr. Alexander Dörr ist Fachanwalt für Vergaberecht und Partner bei Menold Bezler Rechtsanwälte, Stuttgart. Er berät bundesweit in erster Linie die öffentliche Hand bei der Konzeption und Abwicklung von Beschaffungsprojekten sowie bei komplexen vergaberechtlichen Fragestellungen. Ein Schwerpunkt bildet dabei die rechtliche und strategische Begleitung von großvolumigen Ausschreibungsvorhaben öffentlicher Auftraggeber, überwiegend im Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb. Daneben vertritt Herr Dörr regelmäßig öffentliche Auftraggeber in Nachprüfungsverfahren. Zudem hält er zu unterschiedlichen vergaberechtlichen Themen Schulungen und Seminare. Dr. Dörr ist unter anderem Dozent am Bildungszentrum der Bundeswehr. Er publiziert darüber hinaus zahlreiche Beiträge in Fachzeitschriften und ist regelmäßiger Autor auf vergabeblog.de.
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