Die Direktvergabe von Verträgen über öffentliche Personenverkehrsdienste mit Bussen, die nicht die Form von Dienstleistungskonzessionen annehmen, unterliegt nicht der Verordnung Nr. 1370/2007 über öffentliche Personenverkehrsdienste auf Schiene und Straße . Vielmehr ist die Zulässigkeit einer solchen Direktvergabe anhand der allgemeinen Vergaberichtlinien unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Gerichtshofs zu beurteile.
Der Rhein-Sieg-Kreis, der dem Zweckverband Verkehrsverbund Rhein-Sieg angehört, veröffentlichte am 30. September 2015 im EU-Amtsblatt eine Vorabinformation über die geplante Direktvergabe eines Auftrags über öffentliche Personenverkehrsdienste mit Bussen, der nicht die Form einer Dienstleistungskonzession im Sinne der allgemeinen Vergaberichtlinien 2004/17 und 2004/18 annehmen sollte. Dieser Auftrag, der die jährliche Durchführung von mehreren Millionen Kilometern betraf, sollte gemäß Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1370/2007 über öffentliche Personenverkehrsdienste auf Schiene und Straße (eine Regelung, die die Voraussetzungen für Direktvergaben näher regelt) an die Regionalverkehr Köln GmbH als internen Betreiber für eine Dauer von 120 Monaten ab dem 12. Dezember 2016 vergeben werden. Die Regionalverkehr Köln GmbH ist ein öffentliches Verkehrsunternehmen, das unmittelbar oder mittelbar von Aufgabenträgern im Bereich des Personenverkehrs, zu denen der Rhein-Sieg-Kreis gehört, gehalten wird. Die Verkehrsbetrieb Hüttebräucker GmbH und die BVR Busverkehr Rheinland GmbH haben die beabsichtigte Direktvergabe angefochten. Sie machen geltend, dass der in Rede stehende Auftrag nicht in den Anwendungsbereich von Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1370/2007 falle, da er nicht die Form einer Dienstleistungskonzession annehmen solle.
Der Kreis Heinsberg, der dem Zweckverband Aachener Verkehrsverbund angehört, veröffentlichte am 15. März 2016 im EU-Amtsblatt eine Vorabinformation über die beabsichtigte Direktvergabe eines Auftrags über öffentliche Personenverkehrsdienste mit Bussen und sonstigen Kraftfahrzeugen. Danach war vorgesehen, dass dieser Vertrag, der mehrere Millionen Kilometer betraf und dessen Durchführung am 1. Januar 2018 beginnen sollte, gemäß Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1370/2007 direkt an einen internen Betreiber, und zwar die WestVerkehr GmbH, vergeben werden sollte. Rhenus Veniro beanstandet diese beabsichtigte Direktvergabe.
Das mit den Rechtsstreitigkeiten befasste Oberlandesgericht Düsseldorf fragt sich, ob Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1370/2007 in Fällen wie den vorliegenden, nämlich auf die Direktvergabe von Verträgen über öffentliche Personenverkehrsdienste mit Bussen, die nicht die Form von Dienstleistungskonzessionen im Sinne der allgemeinen Vergaberichtlinien 2004/17 und 2004/18 annehmen, grundsätzlich anwendbar ist, oder ob diese Fälle weiterhin den vorgenannten allgemeinen Vergaberichtlinien unterliegen (diese wurden inzwischen, und zwar mit Wirkung zum 18. April 2016, abgelöst durch die Vergaberichtlinien 2014/24 und 2014/25).
Mit Urteil vom 21. März 2019 hat der Gerichtshof dem OLG Düsseldorf geantwortet, dass Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1370/2007 auf die Direktvergabe von Verträgen über öffentliche Personenverkehrsdienste mit Bussen, die nicht die Form von Dienstleistungskonzessionen im Sinne der Richtlinien 2004/17 und 2004/18 annehmen, nicht anwendbar ist.
Der Unionsgesetzgeber hat – in Ermangelung von Vorschriften in den allgemeinen Vergaberichtlinien 2004/17 und 2004/18, die speziell die Vergabe öffentlicher Aufträge über Personenverkehrsdienste mit Eisenbahnen und U-Bahnen und die Vergabe von Verträgen regeln, die die Form von Dienstleistungskonzessionen annehmen – im Rahmen von Art. 5 Abs. 2 bis 6 der Verordnung Nr. 1370/2007 ein spezifisches Regelwerk mit Vergabevorschriften geschaffen, die auf diese Aufträge und Konzessionen anwendbar sind, auch was die Direktvergabe solcher Verträge anbelangt.
Da die Verträge über öffentliche Personenverkehrsdienste mit Bussen und Straßenbahnen, die keine Konzessionen betreffen, bereits vor dem Erlass der Verordnung Nr. 1370/2007 den allgemeinen Vergaberichtlinien 2004/17 und 2004/18 unterlagen, bestand keine Notwendigkeit einer neuen Regelung für die Vergabe solcher Verträge, die folglich normalerweise, je nach Lage des Falles, weiterhin der Anwendung der Richtlinie 2004/17 oder der Richtlinie 2004/18 unterliegen – und zwar auch im Hinblick auf die Regeln zur Direktvergabe, die sich aus der Rechtsprechung zu diesen Richtlinien ergeben.
Die Rechtsprechung über Direktvergaben öffentlicher Aufträge hat sich auf der Grundlage und unter Berücksichtigung dieser allgemeinen Vergaberichtlinien entwickelt, was bedeutet, dass die Regelung über Direktvergaben ihren Ursprung und ihre Daseinsberechtigung in diesen Richtlinien hat.
Die neueren allgemeinen Vergaberichtlinien 2014/24 und 2014/25, mit denen die Richtlinie 2004/18 bzw. die Richtlinie 2004/17 aufgehoben und ersetzt wurden, haben die Rechtsprechung des Gerichtshofs im Bereich von Direktvergaben kodifiziert und präzisiert. Diese Kodifizierung der allgemeinen Regelung über Direktvergaben verdeutlicht, auch wenn sie zeitlich nicht auf die vorliegenden Streitigkeiten anwendbar ist, dass der Unionsgesetzgeber beabsichtigt hat, dass mit dieser Regelung an die allgemeinen Vergaberichtlinien angeknüpft wird. Diese Eingliederung der Regelung über Direktvergaben in den Anwendungsbereich der Richtlinien im Bereich öffentlicher Aufträge bedeutet, dass in der Praxis jeder Rückgriff auf diese Art der Vergabe die Anwendung dieser Richtlinien voraussetzt.
Daraus folgt, dass Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1370/2007 auf die Direktvergabe von Verträgen über öffentliche Personenverkehrsdienste mit Bussen, die nicht die Form von Dienstleistungskonzessionen annehmen, nicht anwendbar ist.
Vielmehr ist die Zulässigkeit einer solchen Direktvergabe je nach Lage des Falles und zeitlicher Anwendbarkeit anhand der allgemeinen Vergaberichtlinien 2004/17, 2004/18, 2014/24 oder 2014/25 unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Gerichtshofs zu beurteilen.
Quelle: EuGH
Danke für diesen sehr informativen Artikel zum Urteil vom 21. März 2019. Gruß, K. Mueller