Nach Ansicht eines leitenden Beamten des Bundesverkehrsministeriums war es rechtlich zulässig, nach Abgabe des finalen Angebots für die Erhebung der Pkw-Maut weiter mit dem Bieterkonsortium zu verhandeln. Damit widersprach Arnd Mayer, Leiter des Vergabestelle des Ministeriums, in seiner Befragung vor dem 2. Untersuchungsausschuss („Pkw-Maut“) der Einschätzung des Bundesrechnungshofs, wonach diese Verhandlungen gegen das Vergaberecht verstoßen haben.
In der vom Ausschussvorsitzenden Udo Schiefner (SPD) geleiteten Sitzung am Donnerstag, 18. Juni 2020, begründete Mayer, warum in diesem Fall solche Verhandlungen zulässig gewesen seien. Grundsätzlich sei es zwar richtig, dass nach Paragraph 17 der Vergabeverordnung bei Verhandlungsverfahren Verhandlungen mit Bietern nach Abgabe des endgültigen Angebots nicht zulässig seien. Ausnahmsweise könne man aber von dieser Regel abweichen. Denn die Aufhebung eines Verfahrens sei die „Ultima Ratio“, weshalb man immer prüfen müsse, ob es nicht „mildere Mittel“ gebe. Dabei bezog sich der Zeuge auf § 97 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB), wonach bei der Vergabe öffentlicher Aufträge „die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und der Verhältnismäßigkeit gewahrt“ werden müssen.
Kein rechtliches Problem sah der Referatsleiter auch darin, dass die Toll Collect GmbH zu einem späteren Zeitpunkt in die Erhebung der Pkw-Maut eingebunden wurde. Es sei allen Interessenten bekannt gewesen, dass Unterauftragnehmer hätten beschäftigt werden dürfen, argumentierte M.
Allerdings hatte das Ministerium während des Vergabeverfahrens auf die Frage eines Bieters andere Informationen erteilt: In dem allen Bietern zugänglichen Frage-Antwort-Katalog stand, dass das Zahlstellennetz ausschließlich für die Infrastrukturabgabe (also die Pkw-Maut) genutzt werden dürfe. Dies bedeutete implizit, dass die Terminals von Toll Collect nicht zur Verfügung standen, da diese der Erhebung der Lkw-Maut dienen. Den Widerspruch erklärte der Zeuge mit der Vermutung, dass diese Frage möglicherweise anders beurteilt worden sei, nachdem der Bund Eigentümer der zuvor privaten Toll Collect GmbH geworden sei.
Gefragt wurde der Zeuge auch, warum man nicht die ausgeschiedenen Bieter wieder in das Verfahren einbezog, nachdem sich am 17. Oktober 2018 gezeigt hatte, dass im Vergabeverfahren „Erhebung“ nur ein einziges Angebot eingegangen war. Die ursprünglichen Interessenten hätten ihren Bieterstatus verloren, weil sie kein Angebot abgegeben hätten, antwortete M.
Auf die Nachfrage, ob es nicht doch eine Option gewesen wäre, das Verfahren zurückzusetzen und die anderen Interessenten wieder einzubeziehen, bekräftigte er: „Das Interesse, sich weiter am Verfahren zu beteiligen, war nach meiner Einschätzung nicht mehr gegeben.“ Allerdings erklärte 2019 der zuvor ausgeschiedene Bieter T-Systems laut einem im Ausschuss verlesenen Brief, er hätte mit aller Wahrscheinlichkeit ein Angebot abgegeben, wenn auch ihm die Möglichkeit eingeräumt worden wäre, die Terminals von Toll Collect zu nutzen.
Keine Kenntnis hatte der Zeuge nach eigenen Angaben von den Gesprächen, die Verkehrsminister Andreas Scheuer und Staatssekretär Gerhard Schulz im Herbst 2018 mit den Verantwortlichen des letzten verbliebenen Bieterkonsortiums führten. Weil er nicht daran teilgenommen habe, könne er auch keine Einschätzung dazu abgeben, sagte der Zeuge.
Quelle: Bundestag
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