Der frühere Finanzvorstand von CTS Eventim hat bestätigt, dass sein Vorstandsvorsitzender Klaus-Peter Schulenberg angeboten hatte, die Unterzeichnung des Betreibervertrags für die Pkw-Maut bis nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zu verschieben. Schulenberg habe ihm am 7. Dezember 2018 kurz vor einer erweiterten Vorstandssitzung von diesem Angebot berichtet, sagte Volker Bischoff am Donnerstag, 10. Dezember 2020, in der vom Ausschussvorsitzenden Udo Schiefner geleiteten Sitzung des 2. Untersuchungsausschusses („Pkw-Maut“).
Bischoff war bis Mitte April 2020 Finanzvorstand des Unternehmens CTS Eventim, das sich zusammen mit Kapsch TrafficCom um die Erhebung der Pkw-Maut beworben hatte. Allerdings habe er ursprünglich schon Ende 2018 aus dem Vorstand ausscheiden wollen, erklärte der Zeuge; deshalb sei er ab Mitte 2018 nicht mehr intensiv in langfristige Projekte eingebunden gewesen.
„Die ablehnende Reaktion von Minister Scheuer verwunderte mich schon“, sagte Bischoff mit Blick auf das Treffen Scheuers mit Schulenberg und dessen Konsortialpartner Georg Kapsch am 29. November 2018. Er selbst sei im Vorfeld von Schulenberg zwar nicht über dessen Vorschlag informiert worden, mit der Unterzeichnung des Vertrags bis nach dem Urteil des EuGH zu warten. Er habe diesen Vorschlag aber vernünftig gefunden, da man dadurch mehr Zeit bekommen hätte, um die Prämissen des Vertrags zu diskutieren.
An den Aufklärungsgesprächen mit dem Ministerium war der Zeuge nach eigenen Angaben nicht beteiligt. Bei diesen Gesprächen ging es darum, die Angebotssumme von rund drei Milliarden Euro auf die vom Haushalt gedeckte Summe von rund zwei Milliarden Euro zu drücken. Erreicht worden sei dies durch eine Reihe von Maßnahmen, insbesondere durch eine veränderte Risikoverteilung zwischen Betreibern und Bund sowie durch die Mitnutzung der Zahlstellenterminals von Toll Collect, erläuterte Bischoff.
Die Sicht des Bundesverkehrsministeriums wurde in der Vernehmung des zweiten Zeugen beleuchtet. Fünf Stunden lang befragt wurde Ludger M., der seit April 2018 Leiter der Unterabteilung Stv 1 (Straßenverkehrsrecht, Nutzerfinanzierung, gewerblicher Straßenverkehr) im Bundesverkehrsministerium ist. Als er die neue Position angetreten habe, habe er den Eindruck gehabt, dass bei der Pkw-Maut „alles auf gutem Weg“ gewesen sei, erklärte der Zeuge.
Als am 17. Oktober 2018 das finale Angebot des Bieterkonsortiums CTS Eventim/Kapsch TrafficCom einging, „waren wir alle extrem überrascht“ über die Höhe des Angebots, führte M. weiter aus. Man habe im Ministerium mit einer deutlich niedrigeren Summe gerechnet. Schnell sei man aber der Meinung gewesen, es lohne sich, mit den Bietern über die Gründe für das hohe Angebot zu sprechen. Ein Abbruch des Verfahrens sei hingegen kein Thema gewesen, da klar gewesen sei, dass im Jahr 2020 die Einnahmen aus der Pkw-Maut fließen müssten.
Einblicke gab der Zeuge auch in das Verhältnis zwischen Verkehrsministerium und Beratern. Er habe den Eindruck gehabt, dass die Berater „eine sehr starke Stellung hatten“. Der Betreibervertrag sei „sehr kompliziert“ gewesen, und bei der Umsetzung des Vorhabens seien „die Berater sehr, sehr stark eingebunden gewesen, da ein gewisses Knowhow in dieser Tiefe im Ministerium nicht vorhanden war“.
Darüber hinaus bestätigte M. die Aussage einer früheren Zeugin, wonach der damalige Staatssekretär Gerhard Schulz erbost war, dass er erst am 14. November 2018 und damit vier Wochen nach Abgabe des finalen Angebots darüber informiert wurde, dass dieses Angebot deutlich über dem haushaltsrechtlichen Rahmen lag. Zu diesem Zeitpunkt sei es nicht mehr möglich gewesen, in der Bereinigungssitzung mehr Geld für die Pkw-Maut zu beantragen. Die Variante, in den Haushaltsausschuss zu gehen, sei verworfen worden, führte der Zeuge weiter aus. Damit sei der einzige Ausweg gewesen, die Angebotssumme in Verhandlungen zu verringern.
Quelle: Bundestag
0 Kommentare