Der BGH hat das Land Berlin verurteilt, das Angebot der Netzgesellschaft der GASAG AG für einen Gaskonzessionsvertrag anzunehmen. Damit ist das laufende Verfahren zur Vergabe der Berliner Gaskonzession abgeschlossen.
Sachverhalt
Die GASAG war Inhaberin der bis Ende 2013 laufenden Konzession zur Nutzung des Berliner Gasversorgungsnetzes, dessen Eigentümerin sie ist. Die Netzgesellschaft ist Pächterin des Netzes. In dem Ende 2011 eingeleiteten Verfahren zur Neuvergabe der Konzession gaben nur ein im März 2011 von der Senatsverwaltung für Finanzen neu geschaffener Landesbetrieb und der GASAG-Konzern abschließende Angebote ab. Nach Auswertung der Angebote stimmte der Senat von Berlin am 24. Juni 2014 dem Vorschlag der Senatsverwaltung für Finanzen zu, den Zuschlag dem Landesbetrieb zu erteilen. Die Zustimmung des Berliner Abgeordnetenhauses zu dem Vorschlag steht noch aus.
Bisheriger Prozessverlauf
Die Netzgesellschaft klagt auf Erteilung der Konzession durch Annahme ihres Angebots. Dieser Antrag hatte beim Landgericht keinen Erfolg. Auf einen Hilfsantrag der Klägerin hat das Landgericht dem Land Berlin jedoch untersagt, die Konzession an den Landesbetrieb zu vergeben. Das Kammergericht hat die erstinstanzliche Entscheidung im Berufungsverfahren bestätigt. Mit der vom Bundesgerichtshof zugelassenen Revision hat die Netzgesellschaft den Antrag auf Annahme ihres Angebots weiterverfolgt, während sich das Land Berlin mit der Anschlussrevision gegen seine Verurteilung nach dem Hilfsantrag gewandt hat.
Entscheidung des Kartellsenats
Auf die Revision der Netzgesellschaft hat der Bundesgerichtshof dem Hauptantrag der Klage stattgegeben. Das mit der Anschlussrevision angegriffene, von den Vorinstanzen auf den Hilfsantrag ausgesprochene Verbot der Vergabe an den Landesbetrieb ist damit gegenstandslos.
Gemeinden sind als marktbeherrschende Anbieter von Wegenutzungsrechten nach § 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB und § 46 Abs. 1 EnWG verpflichtet, zumindest alle 20 Jahre den Konzessionär für den Betrieb ihrer Energieversorgungsnetze in einem transparenten und diskriminierungsfreien Wettbewerb auszuwählen. Das Land Berlin war deshalb grundsätzlich verpflichtet, das Ende 2011 eingeleitete Verfahren zur Neuvergabe der Konzession ordnungsgemäß durchzuführen und – möglichst vor dem 1. Januar 2014 – mit einer Entscheidung über die Konzessionsvergabe abzuschließen.
Im Streitfall durfte das Verfahren allein mit dem Vertragsabschluss mit der Netzgesellschaft abgeschlossen werden. Diese hatte das einzige annahmefähige Angebot in dem Vergabeverfahren vorgelegt. Das Angebot des Landesbetriebs war nach den vom Land Berlin vorgegebenen Vergabebedingungen auszuschließen, weil der Landesbetrieb seine finanzielle Leistungsfähigkeit innerhalb der gesetzten Frist nicht in einer den Vergabebedingungen genügenden Weise dargelegt hatte.
Das Land Berlin war nicht berechtigt, statt der Vergabe der Konzession an die Netzgesellschaft das Konzessionsverfahren ganz oder ab einem bestimmten Punkt neu zu beginnen.
Das Kammergericht hatte es für geboten gehalten, das Vergabeverfahren zumindest in das Stadium vor Versendung des „Zweiten Verfahrensbriefs“ zurückzuversetzen, was die Senatsverwaltung für Finanzen am 27. Januar 2020 dementsprechend getan hatte. Der Grund hierfür war u.a., dass das Diskriminierungsverbot, um Interessenkonflikte zu vermeiden, die organisatorische und personelle Trennung zwischen den Stellen der Gemeindeverwaltung verlangt, die einerseits für die Vergabe („Vergabestelle“) und andererseits für den als Bieter beteiligten Eigenbetrieb zuständig sind. Dieses Trennungsgebot hatte das Land Berlin verletzt, weil die Senatsverwaltung für Finanzen bis Ende November 2012 und damit in der Zeit, in der der das Verfahren grundsätzlich strukturierende „Erste Verfahrensbrief“ versandt und der u.a. die Bewertungskriterien für die Angebote enthaltende „Zweite Verfahrensbrief“ entworfen wurde, sowohl für die Vergabestelle als auch für den Landesbetrieb zuständig war. Nach der Entscheidung des Kartellsenats rechtfertigte dieser schwere Verfahrensfehler unter den Umständen des Streitfalles einen vollständigen oder teilweisen Neubeginn des Verfahrens jedenfalls zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Kammergericht nicht mehr.
Ein solcher Neubeginn kann zwar zulässig oder gar geboten sein, um eine tragfähige Verfahrensgrundlage für eine rechtmäßige Konzessionsvergabe zu schaffen. Je später er erfolgt, desto stärker beeinträchtigt er aber die vom Gesetz vorgegebene Mindestfrequenz der regelmäßigen Neuvergabe der Konzession. Für die Entscheidung zwischen einem Abschluss des Konzessionsvergabeverfahrens und einem neuen Verfahren kommt es daher darauf an, auf welche Weise die Ziele des Gesetzes trotz eines fehlerhaften Verfahrens noch am besten erreicht werden können. Geboten war hiernach unter den besonderen Umständen des Falles die Konzessionsvergabe, da durch die Verletzung des Trennungsgebots der – nach den insoweit nicht zu beanstandenden Vergabebedingungen ohnehin auszuschließende – landeseigene Betrieb, nicht aber die Netzgesellschaft begünstigt wurde, weitere Wettbewerber, die sich in einem frühen Stadium aus dem Verfahren zurückgezogen hatten, Ansprüche auf Teilnahme an einem verfahrensfehlerfreien Verfahren nicht geltend gemacht hatten und schließlich das Land Berlin den Konzessionsvertrag ohnehin zum Ende einer Mindestlaufzeit von zehn Jahren kündigen und damit demnächst ein neues Vergabeverfahren einleiten kann.
Vorinstanzen
Kammergericht Berlin, Urteil vom 4. April 2019 – 2 U 5/15 Kart – WuW 2019, 379
Landgericht Berlin, Urteil vom 9. Dezember 2012 – 16 O 224/14 Kart – EnWZ 2015, 239
Urteil des Kartellsenats vom 9.3.2021 – KZR 55/19
Quelle: Pressemitteilung des BGH Nr. 52/2021 v. 10.03.2021
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