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Zitierangaben: Vergabeblog.de vom 25/03/2021 Nr. 46655

Hohe Anforderungen an die Vergabedokumentation bei Direktvergaben (VK Bund, Beschl. v. 29.09.2020 – VK 2-73/20)

EntscheidungDie Vergabekammer des Bundes stellt hohe Anforderungen an eine Markterkundung und deren Dokumentation bei Direktvergaben. Bei einer Markterkundung muss begründet werden, wie die Auswahl der befragten Unternehmen erfolgt ist und welche Informationen im Einzelnen gegeben wurden. Verbleiben Zweifel, so dass nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Ergebnisse zufällig sind, ist die Dokumentation mangelhaft.

§ 14 Abs. 4 Nr. 2 lit. b i.V.m Abs. 6 VgV

Sachverhalt

Die Vergabestelle beschaffte spezielle Bauteile von Mikroskopen im Wege eines Verhandlungsverfahrens ohne Teilnahmewettbewerb direkt bei einem Unternehmen. In der Vergabedokumentation hielt sie fest, dass sie eine Direktvergabe ausnahmsweise für zulässig erachte, weil die Bauteile in der von ihr benötigten Spezifikation nur von einem Unternehmen geliefert werden können. Zur Fundierung führte die Vergabestelle unter anderem aus, warum sie genau nur die beschafften Bauteile für ihre Zwecke benötigt. Dabei nimmt sie Bezug auf eine Marktrecherche bei Anwendern, die die bestellten Bauteile verwenden.

Ein Wettbewerber rügte die Direktvergabe und stellte nach deren Zurückweisung einen Nachprüfungsantrag.

Die Entscheidung

Die VK Bund gab der Antragstellerin recht und erklärte den geschlossenen Vertrag für unwirksam.

Dabei stellt sie zunächst klar, dass die Bestimmung des Auftragsgegenstands Sache der Vergabestelle sei. Allerdings gebe es eine Grenze dort, wo durch die Spezifikation des Beschaffungsgegenstands letztlich eine konkrete Produktvorgabe erreicht wird, ohne dass dies sachlich hinreichend gerechtfertigt sei.

Die VK Bund setzt sich sodann ausführlich mit der notwendigen Rechtfertigungstiefe der Vergabedokumentation auseinander. Sie betont dabei, dass die Anforderungen an die Dokumentation einer Direktvergabe besonders hoch sind. Sie vermisste insoweit eine vertiefte inhaltliche Auseinandersetzung der Vergabestelle mit Alternativ- und Ersatzlösungen, die nach § 8 Abs. 2 Nr. VgV zu dokumentieren sind.

Ebenso kritisiert die VK Bund die von der Antragsgegnerin durchgeführte Markterkundung. Es fehlt nach Ansicht der VK Bund an einer Rechtfertigung für die Art und Weise der Durchführung der Markterkundung. Eine bloße Recherche durch Gespräche mit Unternehmen, die das vorausgewählte Produkt einsetzen, sei zu oberflächig. Gleiches gilt für die Auseinandersetzung mit Vor- und Nachteilen vergleichbarer Produkte.

Insgesamt weise die Vergabedokumentation daher nicht die erforderliche Rechtfertigungstiefe auf, da deren Ergebnisse für einen außenstehenden Dritten nicht nachvollziehbar seien und auch zufällig zu Stande gekommen sein könnten.

Rechtliche Würdigung

Die Entscheidung der Vergabekammer überzeugt. Gerade wenn man den Erwägungsgrund 50 der Vergaberichtlinie (2014/24/EU), auf den auch die Vergabekammer hinweist, ernst nimmt, konnte die Entscheidung nicht anders ausfallen. Dort heißt es unter anderem:

„Angesichts der negativen Auswirkungen auf den Wettbewerb sollten Verhandlungsverfahren ohne vorherige Veröffentlichung einer Auftragsbekanntmachung nur unter sehr außergewöhnlichen Umständen zur Anwendung kommen. Die Ausnahme sollte auf Fälle beschränkt bleiben, in denen von Anfang an klar ist, dass eine Veröffentlichung nicht zu mehr Wettbewerb führen würde Öffentliche Auftraggeber, die auf diese Ausnahme zurückgreifen, sollten begründen, warum es keine vernünftigen Alternativen oder keinen vernünftigen Ersatz gibt, wie die Nutzung alternativer Vertriebswege, einschließlich außerhalb des Mitgliedstaats des öffentlichen Auftraggebers, oder die Erwägung funktionell vergleichbarer Bauleistungen, Lieferungen und Dienstleistungen.“

Praxistipp

Im Zweifel für den Wettbewerb! Gerade wenn man sieht, welchen erheblichen und letztlich frustrierten Aufwand die Vergabestelle hier betrieben hat, sei die Frage erlaubt, ob eine Ausschreibung nicht weniger zeit- und kostenintensiv gewesen wäre. Die Vergabe ohne Wettbewerb ist eben die große Ausnahme und das Risiko entsprechend hoch, dass solche Direktvergaben im Nachprüfungsfall für unwirksam erklärt werden. Daher in Zweifelsfällen immer besser im Wettbewerb ausschreiben. Gibt es dann tatsächlich nur einen Bieter ist man vergaberechtlich dafür aber auf der sicheren Seite.

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Martin Adams, Mag. rer. publ.

Herr Martin Adams, Mag. rer. publ. ist Rechtsanwalt und Inhaber der Kanzlei _teamiur_Rechtsanwälte, Mannheim. Herr Adams berät bundesweit öffentliche Auftraggeber bei Ausschreibungen und in vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren, insbesondere im Bereich der Abfallwirtschaft. Darüber hinaus veröffentlicht er regelmäßig Beiträge in entsprechenden Fachmedien und tritt als Referent in Fachseminaren auf.

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