Die Frage, welche Anforderungen an die Gestaltung der Konzeptwertung gelten, ist ein vergaberechtlicher Dauerbrenner. Das OLG Celle hat sich kürzlich intensiv mit der Abgrenzung zwischen inhaltlichen Mindestanforderungen an die Konzepterstellung und gesondert zu gewichtenden Unterkriterien auseinandergesetzt. Das OLG Celle betont in seinem Beschluss das Recht des Auftraggebers, die Entwicklung von Ideen im Rahmen der Konzepterstellung auf die Bieter zu übertragen, indem er lediglich inhaltliche Mindestvorgaben aufstellt, die nicht gesondert gewichtet werden müssen. Interessant ist die Entscheidung zudem dadurch, dass derselbe Vergabesenat die Frage, wann Anforderungen an Konzepte Unterkriterien darstellen, auch in einem weiteren aktuellen Beschluss zu beurteilen hatte (OLG Celle, Beschl. v. 02.02.2021 – 13 Verg 8/20).
§ 127 Abs. 4 u. 5 GWB
1. Zuschlagskriterien und deren Gewichtung sind in der Auftragsbekanntmachung oder in den Vergabeunterlagen aufzuführen und müssen sowohl für die Hauptkriterien als auch für die Unterkriterien so festgelegt und bestimmt sein, dass die Möglichkeit eines wirksamen Wettbewerbs gewährleistet wird, der Zuschlag nicht willkürlich erteilt werden kann und eine wirksame Überprüfung möglich ist, ob und inwieweit die Angebote die Zuschlagskriterien erfüllen.
2. Für ein Zuschlagskriterium „Qualitätskonzept“ genügt es, wenn sich die Erwartungen an die zu erstellenden Konzepte aus der Leistungsbeschreibung und den darin enthaltenen Mindestvorgaben zum Auftragsgegenstand ergeben.
3. Da ein Ideenwettbewerb gerade das Ziel hat, Konzepte zu entwickeln, ist es nicht notwendig im Voraus weitere Kriterien mitzuteilen, anhand derer sich ergibt, wie das beste Konzept genau ermittelt werden soll.
Die Auftraggeberinnen schrieben europaweit Postdienstleistungen im offenen Verfahren aus.
Als qualitative Zuschlagskriterien bestimmten die Auftraggeberinnen Qualitätskonzepte mit den Unterkriterien Logistikkonzept sowie Personalkonzept.
Bezüglich dieser Konzepte gaben die Auftraggeberinnen Themen vor, auf welche die Bieter eingehen mussten. Hierbei handelte es sich nicht um eine abschließende Auflistung. Insgesamt konnten je Konzept 150 Punkte erzielt werden. Für die vorgegebenen Themen sahen die Auftraggeberinnen keine Untergewichtung vor.
Folgende Vorgaben leisteten die Auftraggeberinnen beispielsweise bezüglich des Logistikkonzepts:
„Der Auftraggeber legt großen Wert darauf, dass die Erbringung der vertragsgegenständlichen Leistungen durch den Auftragnehmer so organisiert wird, dass eine hohe Leistungsqualität in der logistischen Abwicklung erreicht wird. In einem Logistikkonzept müssen Bieter daher die vorgesehenen Logistikabläufe darstellen und dabei mindestens auf folgende Themen eingehen:
– Bearbeitungsschritte und -abläufe von der Abholung bis zur Zustellung
– Umfang des Nachunternehmereinsatzes und Schnittstellen zwischen Unternehmen
– Maßnahmen zum Schutz der Sendungen vor Diebstahl, Verlust oder Beschädigung
– Ablauf bei der Zustellung an Postfachadressen und innenliegende Hausbriefkästen
– Vorkehrungen für den Fall kurzfristiger Ausfälle von Betriebsmitteln, insbesondere Sortier- und Frankieranlagen“
Die spätere Antragstellerin rügte die Ausgestaltung der Wertungskriterien für die Konzepte als vergaberechtswidrig. Sie begründete ihre Rüge insbesondere damit, dass Angaben zur Gewichtung der für die Konzepterstellung vorgegebenen Themen fehlten. Zudem mangelte es aus ihrer Sicht an Kriterien zur Ermittlung des „besten“ Konzepts.
Nach erfolglosem Rüge- sowie Nachprüfungsverfahren legte die Antragstellerin sofortige Beschwerde beim Vergabesenat des OLG Celle ein.
Der Vergabesenat hielt die Wertungsmethodik für vergaberechtskonform.
Der Vergabesenat arbeitete zunächst heraus, dass die Zuschlagskriterien und deren Gewichtung in der Auftragsbekanntmachung oder in den Vergabeunterlagen aufgeführt werden müssen (§ 127 Abs. 5 GWB). Dies gilt sowohl für die Zuschlags(haupt)kriterien, als auch für die Unterkriterien (vgl. EuGH, Urt. v. 14.07.2016 – C-6/15).
Diese Anforderungen erfüllten die von den Auftraggeberinnen aufgestellten Zuschlagskriterien bezüglich der Konzepte nach Ansicht des Vergabesenats.
Es genügte demnach, dass die Auftraggeberinnen die für die Konzepte jeweils maximal erreichbare Punktzahl genannt hatten.
Die bezüglich der Konzepte aufgelisteten Themen, auf die die Bieter eingehen sollten, waren nach Ansicht des Vergabesenats hingegen keine Unterkriterien. Diese mussten somit nicht mit einer gesonderten Gewichtung versehen werden.
Unterkriterien sind solche Kriterien, die der Ausfüllung und näheren Bestimmung eines Hauptkriteriums dienen und präziser darstellen, worauf es dem Auftraggeber ankommt. Die zu den Konzepten genannten näheren Inhalte stellten jedoch nach Ansicht des Vergabesenats lediglich thematische Mindestanforderungen an die zu erstellenden Konzepte dar. Die angeführten Inhalte seien ausdrücklich nicht abschließend gewesen.
Anhand der vorgegebenen inhaltlichen Anforderungen an die Konzepte konnten die Bieter nach Ansicht des OLG zudem insgesamt hinreichend erkennen, wie das beste Konzept ermittelt werden sollte.
Soweit Bieter ihre Konzepte für die Erfüllung von Qualitätskriterien schriftlich darstellen sollen, habe der Wettbewerb teilweise den Charakter eines Vergabeverfahrens mit funktionaler Leistungsbeschreibung. Der Sinn des in diesem Verfahren vorgesehenen Ideenwettbewerbs sei es gerade, dass die Bieter Konzepte entwickeln. Vom Auftraggeber zu fordern, weitere Kriterien aufzustellen, widerspreche daher dem vergaberechtlich zulässigen Ziel, die Entwicklung von Ideen auf die Bieter zu übertragen.
Der Vergabesenat stellt zutreffend fest, dass der Auftraggeber bei der Konzepterstellung die Entwicklung von Ideen an die Bieter delegieren darf (vgl. auch BGH, Beschl. v. 04.04.2017 – X ZB 3/17). Es besteht keine Pflicht des Auftraggebers, die Anforderungen an die Konzepte mittels mit einer gesonderten Gewichtung versehener Unterkriterien vorzugeben. Hierdurch würde die Möglichkeit des Auftraggebers eingeschränkt, von den Bietern unterschiedliche Lösungen für die Ausführungsphase entwickeln zu lassen.
Wie anspruchsvoll die Beurteilung ist, ob inhaltliche Mindestanforderungen, oder aber gesondert zu gewichtende Unterkriterien vorliegen, zeigt ein weiterer aktueller Beschluss des OLG Celle (OLG Celle, Beschl. v. 02.02.2021, Az.: 13 Verg 8/20). In dem dieser Entscheidung vorausgegangenen Vergabeverfahren hatte der Auftraggeber zu dem Wertungskriterium Konzeption zehn Gesichtspunkte mit der einleitenden Erläuterung angegeben, „der Auftraggeber wird im Rahmen seiner Wertung folgende, abschließend zu verstehende Aspekte beurteilen“. Diese Aspekte hatte der Auftraggeber nicht gewichtet, was ein Bieter angegriffen hatte. Der Vergabesenat stufte diese zehn abschließend zu verstehenden Aspekte als Unterkriterien ein, die der Auftraggeber hätte gewichten müssen. Die verwendete Zuschlagswertungsmethodik war damit nach Ansicht des Vergabesenats vergaberechtswidrig.
In dem in diesem Beitrag dargestellten Beschluss vom 25. März 2021 nahm der Vergabesenat eine Abgrenzung zu dem Beschluss vom 2. Februar 2021 vor. Der entscheidende Unterschied zu dem vorliegend diskutierten Beschluss lag aus Sicht des Vergabesenats darin, dass die Auflistung der Aspekte abschließend zu verstehen war. Somit handelte sich im Gegensatz zu dem vorliegend behandelten Beschluss nicht im selben Maße um einen offenen Ideenwettbewerb. Daher hätte der Auftraggeber in diesem Verfahren die abschließend vorgegebenen Aspekte mit einer Gewichtung versehen müssen.
Dass Auftraggeber bei der Konzepterstellung die Entwicklung von Ideen auf die Bieter übertragen und lediglich einige Aspekte vorgeben, auf welche die Bieter als Mindestinhalte eingehen müssen, ist zulässig. Dass bei der Gestaltung der Wertungsmethodik große Sorgfalt geboten ist, verdeutlicht der weitere aktuelle Beschluss des OLG Celle.
Zudem müssen Auftraggeber die Konzeptwertung aufgrund des wegen der fehlenden Unterkriterien bestehenden großen Wertungsspielraums besonders gründlich dokumentieren. Insoweit stellt die Rechtsprechung strenge Anforderungen, um im Rahmen einer offenen Wertungsmethodik die erforderliche Transparenz der Konzeptwertung sicherzustellen (vgl. auch BGH, Beschl. v. 04.04.2017 – X ZB 3/17).
Der Autor Lars Lange ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Vergaberecht bei der Morgenstern Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, Hamburg. Er berät Auftraggeber und Bieter zu sämtlichen Aspekten des Vergaberechts
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