Die Vergabekammer Südbayern setzt sich in einer neuen Entscheidung intensiv mit dem vergaberechtlichen „Dauerbrenner“ der Wertung einer mündlichen Präsentation auseinander. In dem Beschluss steht unter anderem die Frage im Vordergrund, ob ein Zuschlagskriterium, mit dem die Qualität der Projektleiter anhand eines Vortrags gewertet werden sollte, den notwendigen Auftragsbezug aufwies. Dies verneint die Vergabekammer aufgrund der fehlenden vertraglichen Absicherung des Tätigwerdens der Projektleiter in der Ausführungsphase. Zudem hält sie die Wertung der Präsentation für fehlerhaft und deren Dokumentation für unzureichend.
§ 127 GWB; § 58 VgV
1. Für Zuschlagskriterien nach § 58 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 VgV wird der nach § 127 Abs. 3 GWB grundsätzlich nötige Auftragsbezug um das Erfordernis verschärft, dass die Qualität des eingesetzten Personals erheblichen Einfluss auf das Niveau der Auftragsausführung haben kann.
2. Ein Zuschlagskriterium, mit dem die Qualität des eingesetzten Personals anhand der Strukturierung und Verständlichkeit des Vortrags bei einer Bieterpräsentation bewertet werden soll, hat regelmäßig nur dann den nötigen Auftragsbezug nach § 127 Abs. 3 GWB, wenn die Tätigkeit der referierenden Personen im zu vergebenden Auftrag gerade auch das Präsentieren bzw. Vortragen beinhaltet.
3. Wird anhand einer Präsentation die Struktur und Verständlichkeit des Vortrags eines Projektleiterteams bewertet, müssen die Vor- und Nachteile des jeweiligen Vortrags aus der Dokumentation nachvollzogen werden können. Dazu kann es erforderlich sein, dass auch der Vortrag selbst auf geeignete Weise dokumentiert wird.
4. Die Dokumentation ist in einem solchen Fall jedenfalls unzureichend, wenn nicht auszuschließen ist, dass die Struktur und Verständlichkeit des Vortrags anderer – nicht zu bewertender – Personen in die Wertung eingeflossen ist.
Der Auftraggeber schrieb einen Versorgungsvertrag (§ 14 Abs. 4 ApoG) zur externen Versorgung eines Klinikums in einem Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb europaweit aus.
Als Zuschlagskriterium sah der Auftraggeber unter anderem den Gesamteindruck des vorgesehenen Projektleiterteams aus einer Bieterpräsentation vor, die auf rein mündlicher Basis durchgeführt wurde. Hierzu enthielten die Vergabeunterlagen unter anderem folgende konkretisierende Vorgaben:
„Die Punkte werden nach folgenden Leitlinien ermittelt:
[…]
5 Punkte: Gut strukturierter und fachlich weitestgehend überzeugender Vortrag, nachvollziehbare Ausdrucksweise, hohes Maß an Kommunikationsfähigkeit, gutes Zusammenwirken der Einzelvorträge zu einer weitestgehend schlüssigen Bieterpräsentation insgesamt, Eindruck eines hohen Maßes an Teamfähigkeit vermittelt.“
Der Auftragnehmer sollte unter anderem Beratungsleistungen erbringen. Diese konnten nach dem Vertrag entweder durch den Auftragnehmer oder durch vom Auftragnehmer beauftragte Apotheker erbracht werden. Die spätere Antragstellerin gab ein Angebot ab, der Auftraggeber sah jedoch einen anderen Bieter für den Zuschlag vor. Dies griff die Antragstellerin mit einem Nachprüfungsantrag bei der Vergabekammer Südbayern an.
Der Nachprüfungsantrag ist nach Auffassung der Vergabekammer zulässig und begründet. Dem Zuschlagskriterium „Gesamteindruck des vorgesehenen Projektleiterteams aus der Bieterpräsentation“ fehle es am notwendigen Auftragsbezug. Darüber hinaus hält die Vergabekammer die Wertung der Präsentation für fehlerhaft und deren Dokumentation für unzureichend.
Mit dem Zuschlagskriterium „Gesamteindruck des vorgesehenen Projektleiterteams aus der Bieterpräsentation“ sollte aus Sicht der Vergabekammer die Qualifikation des Projektleiterteams gem. § 58 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 VgV bewertet werden. Nach dieser Vorschrift können unter anderem auch die Organisation, Qualifikation und Erfahrung des mit der Ausführung des Auftrags betrauten Personals gewertet werden, wenn die Qualität des eingesetzten Personals erheblichen Einfluss auf das Niveau der Auftragsausführung haben kann.
Die Vergabekammer erachtet den Auftragsbezug des Zuschlagskriteriums, mit dem die Qualität des eingesetzten Personals anhand einer Bieterpräsentation basierend auf einem strukturierten Vortrag bewertet werden soll, grundsätzlich nur dann als gegeben, wenn die Tätigkeit der referierenden Personen im zu vergebenden Auftrag gerade auch das Präsentieren bzw. Vortragen beinhaltet. Andernfalls sei kaum vorstellbar, dass die (zu bewertende) Qualität erheblichen Einfluss auf das Niveau der Auftragsausführung haben kann.
Die Vergabekammer äußert allerdings Bedenken, ob das entsprechende Zuschlagskriterium in seiner durch Aspekte wie etwa „Struktur und Verständlichkeit des Vortrags“, sowie „Team- und Kommunikationsfähigkeit“ konkretisierten Form geeignet ist, die Qualifikation des Projektleitungsteams im Hinblick auf den vom Auftraggeber dargelegten Aufgabenzuschnitt zu bewerten. Insbesondere bezweifelt die Vergabekammer, ob das Abhalten einer Präsentation basierend auf einem strukturierten Vortrag eine geeignete „Teststellung“ für die Bewertung der Qualität des Projektleiterteams einer klinikversorgenden Apotheke darstellt.
Letztlich stellt die Vergabekammer jedoch fest, dass sie sich durch die Ausführungen in der mündlichen Verhandlung habe überzeugen lassen, „dass die Beratungstätigkeiten im Rahmen des zu vergebenden Auftrags durchaus (erheblich) von der Vortrags- bzw. Präsentationsqualifikation des hierfür vorgesehenen Personals abhängen können“. Daher geht die Vergabekammer insoweit im Ergebnis von einem ausreichenden Auftragsbezug aus.
Allerdings fehlt es aus Sicht der Vergabekammer an der erforderlichen vertraglichen Absicherung des Tätigwerdens des Projektleiterteams. Dass die Projektleiter die vertraglich vorgesehenen Beratungstätigkeiten wahrnehmen werden, sei in dem Vertrag gerade nicht festgeschrieben. Insoweit sei lediglich vom Auftragnehmer oder den von diesem beauftragten Apothekern die Rede.
Es wäre nach Auffassung der Vergabekammer jedoch nicht mit dem Ziel der Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebots zu vereinbaren, wenn im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung qualitative Aspekte bewertet werden, die im Rahmen der späteren Auftragsausführung keine Rolle mehr spielen.
Zudem hält die Vergabekammer auch die Wertung der Präsentation für fehlerhaft. Die Vergabekammer geht davon aus, dass nicht wie vorgesehen nur der Vortrag der Projektleitung gewertet wurde, sondern auch die Beiträge weiterer Personen. Aus der Dokumentation der Präsentation ergebe sich, dass auf Seiten des für den Zuschlag vorgesehenen Unternehmens neben den benannten Personen für die Projektleitung auch der Inhaber einer Apotheke eine aktive Rolle einnahm.
Schließlich ist aus Sicht der Vergabekammer sowohl die Dokumentation der Präsentation, als auch die Dokumentation der Wertung der Präsentation unzureichend. Es fehle insgesamt an einer hinreichenden Dokumentation der Inhalte der Präsentationen. So könne die Vergabekammer beispielsweise nicht beurteilen, ob das Wertungsgremium die Strukturierung des Vortrags oder die Ausdrucksweise der Referenten nach einheitlichen Maßstäben beurteilt hat.
Zunächst ist die diesem Beschluss zugrundeliegende Konstellation von der in den letzten Jahren intensiv diskutierten Frage abzugrenzen, ob die Wertung ausschließlich mündlich vorgetragener Angebotsinhalte grundsätzlich vergaberechtskonform ist (vgl. etwa VK Bund, Beschl. v. 22.11.2019 – VK 1-83-19).
Die Vergabekammer Südbayern grenzt die hier dargestellte Entscheidung selbst zu ihrem kontrovers diskutierten Beschluss aus dem Jahr 2019 ab, nach dem die Wertung ausschließlich mündlich vorgetragener Angebotsinhalte vergaberechtswidrig sei (VK Südbayern, Beschl. v. 02.04.2019 – Z3-3-3194-1-43-11/18). Diese Entscheidung aus dem Jahr 2019 betraf jedoch die Präsentation von Angebotsinhalten, die nach Auffassung der Vergabekammer Südbayern zwingend bereits schriftlich mit dem Angebot hätten vorliegen müssen.
Die in diesem Beitrag dargestellte Konstellation betrifft demgegenüber die Wertung der Fähigkeiten des Projektleiterteams, die durch die Präsentation bewertet werden sollten. Es handelt sich somit um eine „Teststellung“ mit Blick auf die Qualität des vorgesehenen Personals. Dass die Qualität des Personals auf ausschließlich mündlicher Basis gewertet wird, ist auch nach Auffassung der Vergabekammer Südbayern grundsätzlich zulässig.
Dass die Qualität des Personals grundsätzlich anhand einer (rein) mündlichen Präsentation gewertet werden darf, hat die Vergabekammer des Bundes bereits im Jahr 2019 klargestellt (VK Bund, Beschl. v. 22.11.2019 – VK 1-83-19). Seinerzeit entschied die Vergabekammer des Bundes, dass die Qualität des eingesetzten Personals im Rahmen von Leistungen zur langjährigen Projektsteuerung erheblichen Einfluss auf das Niveau der Auftragsdurchführung haben kann.
Den notwendigen Auftragsbezug des Zuschlagskriteriums zur Wertung der mündlichen Präsentation hielt die Vergabekammer des Bundes ohne Weiteres für gegeben. Bezüglich der Präsentation wurden unter anderem die „Personalorganisatorische Aufgabenumsetzung“ und die „Qualität der Herangehensweise an das Projekt“ gewertet.
Die Vergabekammer Südbayern äußert in der hier dargestellten Entscheidung hingegen Bedenken bezüglich der Gestaltung der Zuschlagswertung mit Blick auf die Präsentation. In dem dieser Entscheidung zugrundeliegenden Verfahren wurden unter anderem die Strukturiertheit des Vortrags und die Teamfähigkeit gewertet. Das Wertungskriterium zielte somit stärker auf die allgemeinen Fähigkeiten des Personals ab, als in dem von der Vergabekammer des Bundes entschiedenen Fall. Daraus resultieren die Zweifel der Vergabekammer Südbayern, ob das Zuschlagskriterium in dieser Ausgestaltung den notwendigen Auftragsbezug aufweist.
Da die Präsentationsqualifikation für die vorgesehene Tätigkeit der Projektleitung durchaus von Bedeutung ist, bejaht die Vergabekammer jedoch trotz der geäußerten Bedenken letztlich den notwendigen inhaltlichen Auftragsbezug des Zuschlagskriteriums.
Die Vergabekammer stellt entscheidend auf die aus ihrer Sicht fehlende vertragliche Absicherung des Einsatzes der (gewerteten) Personen ab und verneint aus diesem Grund den notwendigen Auftragsbezug des Zuschlagskriteriums.
Nach der Richtlinie 2014/24/EU sollen öffentliche Auftraggeber mit Hilfe geeigneter vertraglicher Mittel sicherstellen, dass die zur Auftragsausführung eingesetzten Mitarbeiter die angegebenen Qualitätsnormen effektiv erfüllen und dass diese Mitarbeiter nur mit Zustimmung des öffentlichen Auftraggebers ersetzt werden können, wenn er sich davon überzeugt hat, dass das Ersatzpersonal ein gleichwertiges Qualitätsniveau hat (Erwägungsgrund 94 der Richtlinie 2014/24/EU).
An der notwendigen vertraglichen Absicherung des Einsatzes der Projektleitung fehlt es hier, da die Beratungsleistungen nach dem Vertrag entweder pauschal durch den Auftragnehmer oder die von ihm beauftragten Apotheker erbracht werden können.
Die Entscheidung verdeutlicht, dass bei der Wertung der Qualität des für den Auftrag vorgesehenen Personals große Sorgfalt geboten ist. Es ist zwar grundsätzlich zulässig, die Qualität des Personals anhand einer mündlichen Präsentation zu bewerten, sofern diese Qualität erheblichen Einfluss auf das Niveau der Auftragsdurchführung haben kann.
Bei der Gestaltung des entsprechenden Zuschlagskriteriums ist jedoch sicherzustellen, dass ein ausreichender inhaltlicher Bezug zwischen den gewerteten Aspekten und den ausgeschriebenen Leistungen besteht. Zudem ist auf eine ausreichende vertragliche Absicherung des Einsatzes des Personals zu achten, dessen Qualität gewertet wird.
Darüber hinaus ist eine gründliche Dokumentation sowohl der Präsentation, als auch der Wertung der Präsentation, unerlässlich. Die Nachprüfungsinstanzen haben die Anforderungen an die Dokumentation in den letzten Jahren des Öfteren als nicht erfüllt angesehen (vgl. etwa VK Baden-Württemberg, Beschl. v. 05.08.2021 1 VK 37/21).
Der Autor Lars Lange ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Vergaberecht bei der Morgenstern Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, Hamburg. Er berät Auftraggeber und Bieter zu sämtlichen Aspekten des Vergaberechts
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