Das öffentliche Vergaberecht, das sich in unterschwelliges „nationales“ und oberschwelliges „europäisches“ Vergaberecht gliedert, ist aufgrund der Überlagerung durch die EU-Richtlinien schon sehr komplex sowie dynamisch und stellt die Anwender in der Praxis vor nicht unerhebliche Herausforderungen. Diejenigen, die die Pflicht zur Einhaltung des Vergaberechts zuvörderst betrifft, sind grundsätzlich die öffentlichen Auftraggeber im Sinne des § 99 GWB und der Haushaltsordnungen. Diese müssen in der Regel gegenüber den Rechnungsprüfungsämtern oder Rechnungshöfen Rechenschaft über die Einhaltung der Vergabepflichten ablegen.
Neben den öffentlichen Auftraggebern, die entsprechend dem GWB bzw. den Haushaltsordnungen eine Vergabepflicht trifft, können Vergabepflichten bekanntlich jedoch auch öffentliche und private Auftraggeber gegenüber einem Fördermittelgeber rechtlich binden; nämlich dann, wenn der Fördermittelgeber vergaberechtliche Verpflichtungen in einem Zuwendungsverhältnis begründet. Denn das öffentliche Vergaberecht wird regelmäßig zum Instrument im Zuwendungsverhältnis gemacht, um die Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit der Verwendung öffentlicher Mittel durch die Fördermittelempfänger im Sinne der § 7 BHO, LHO zu gewährleisten.
An dieser Stelle werden sowohl Zuwendungsgeber als auch öffentliche und private Zuwendungsempfänger in der Abwicklung der Förderung insbesondere mit der Frage konfrontiert, in welchem Umfang das öffentliche Vergaberecht für sie zur Anwendung kommt.
Das deutsche Vergaberecht umfasst alle Rechtsnormen über die Vergabe öffentlicher Aufträge durch öffentliche Auftraggeber.
Im oberschwelligen Bereich ist das deutsche Vergaberecht, der so genannten Kartelllösung folgend, Ausfluss der EU-Richtlinien, insbesondere der Richtlinie über die Vergabe öffentlicher Aufträge, über öffentliche Aufträge im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie der Postdienste, über die Auftragsvergabe im Verteidigungs- und Sicherheitssektor, über die Konzessionsvergabe sowie der Richtlinie zur Koordinierung von Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Vergabe öffentlicher Liefer- und Bauaufträge. Hier gelten insbesondere GWB, VgV, VOB/A EU, VSVgV, SektVO, KonzVgV.
Verstößt die Vergabestelle eines öffentlichen Auftraggebers gegen die Regelungen des oberschwelligen Vergaberechts, können als schwerwiegendste Folgen Rügen sowie Nachprüfungsverfahren vor den Vergabekammer und Vergabesenaten der OLGs erhoben werden, weil ein spezieller Bieterrechtsschutz besteht, oder auch Unterlassungs- und Schadenersatzprozesse von Mitbietern eingeleitet werden. Die Beanstandungen durch die Rechnungsprüfungsämter oder Rechnungshöfe sind in diesem Fall noch die geringsten Einschnitte.
Im Unterschwellenbereich ist das Vergaberecht, der so genannten Haushaltslösung folgend, bestimmt durch die Regelungen der Haushaltsordnungen in Verbindung mit den Verwaltungsvorschriften zu den Haushaltsordnungen. Hier gelten insbesondere die Haushaltsordnungen, die dazugehörigen Verwaltungsvorschriften sowie UVgO, VOB/A.
Verstößt die Vergabestelle des öffentlichen Auftraggebers gegen die Regelungen des unterschwelligen Vergaberechts, dann sind die Konsequenzen nicht so gravierend, da ein spezieller Rechtsschutz im „nationalen“ (Haushalts-)Vergaberecht grundsätzlich nicht besteht und Bieter auf die allgemeinen zivilrechtlichen Vorschriften im Rahmen von Unterlassungs- und Schadenersatzansprüche verwiesen sind. Daneben sind auch hier Beanstandungen durch Rechnungsprüfungsämter und Rechnungshöfe möglich, die aber nicht derart einschneidend sind wie Rügen, Nachprüfungsverfahren und Unterlassungs- oder Schadenersatzprozesse.
Das Zuwendungsrecht ist ein Teil des deutschen Haushaltsrechts. Es ist insbesondere im Haushaltsgrundsätzegesetz und in den Haushaltsordnungen samt ihrer Verwaltungsvorschriften geregelt. Überschneidungen gibt es regelmäßig mit dem EU-Beihilfenrecht, soweit eine Zuwendung gleichzeitig eine staatliche Beihilfe im Sinne des Art. 107 AEUV darstellt, wobei Zuwendung und EU-Beihilfe begrifflich nicht deckungsgleich sind.
Die wichtigsten Regelungen für die Gewährung von Zuwendungen sind §§ 23, 44 der Haushaltsordnungen – auf Bundes- und Landesebene in fast allen Bundesländern sind die Haushaltsordnungen und Verwaltungsvorschriften in nahezu identischer Formulierung zu finden – sowie die dazugehörigen Verwaltungsvorschriften. Daneben sind in Zeiten der Coronakrise die so genannten Billigkeitsleistungen nach § 53 der Haushaltsordnungen stark in den Vordergrund gerückt.
Zuwendungen sind nach Ziffer 1.1 VV zu den Haushaltsordnungen Leistungen an Stellen außerhalb der Landesverwaltung zur Erfüllung bestimmter Zwecke. Dazu gehören zweckgebundene Zuschüsse, Zuweisungen, Schuldendiensthilfen und andere nicht rückzahlbare Leistungen sowie zweckgebundene Darlehen und andere bedingt oder unbedingt rückzahlbare Leistungen. In Ziffer 1.2 der VV findet sich in der Regel eine Negativabgrenzung, was nicht unter den Begriff der Zuwendungen fällt, worunter sich interessanterweise „Entgelte aufgrund von Verträgen, die den Preisvorschriften für öffentliche Aufträge unterliegen“ wiederfinden. Damit sind klassische öffentliche Aufträge und insbesondere das öffentliche Vergaberecht gemeint.
Im Ergebnis ist darin eine klare Abgrenzung zwischen dem öffentlichen Vergaberecht und dem Zuwendungsrecht, also zwischen öffentlichen Aufträgen und Zuwendungen zu sehen, sodass das Vergaberecht einerseits und das Zuwendungsrecht andererseits zunächst grundsätzlich als zwei separat nebeneinanderstehende Rechtsmaterien zu begreifen sind. Interessanterweise nehmen die Verwaltungsvorschriften zu § 23 der Haushaltsordnungen also eine ausdrückliche Abgrenzung zwischen Zuwendungen und öffentlichen Aufträgen vor, die auf den ersten Blick durch die Fördermittelgeber konterkariert wird, indem die Regelungen für öffentliche Aufträge bei Zuwendungen doch zum Instrument zur Sicherstellung der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit im Zuwendungsverhältnis gemacht werden.
Obwohl in der Ausgangslage folglich das Vergaberecht auf der einen Seite und das Zuwendungsrecht auf der anderen Seite zunächst separate, voneinander abgegrenzte Rechtsmaterien sind, kann veranlasst durch Fördermittelgeber im Rahmen der Förderung eine besondere Konstellation bzw. Situation entstehen.
Diese besondere Konstellation entsteht dann, wenn der Zuwendungsgeber sich bei der Gewährung von Zuwendungen des öffentlichen Vergaberechts als Instrumentarium im Zuwendungsverhältnis bedient, um die Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit der Verwendung der öffentlichen Mittel durch den Zuwendungsempfänger im Sinne des § 7 Haushaltsordnungen sicherzustellen.
Diese Einbeziehung des Vergaberechts in das Zuwendungsverhältnis ist sogar der Regelfall, weil die Ziffern 5.1 der VV zu den Haushaltsordnungen in der Regel festlegen, dass die ANBest grundsätzlich zum Gegenstand des Zuwendungsverhältnisses zu machen sind. In den ANBest (ausdrücklich findet sich die Vergabeauflage grds. in den ANBest-P, ANBest-I, ANBest-K. Die ANBest-GK enthalten grds. keine Vergabeauflage, diese ist jedoch unmittelbar im Bescheid enthalten) findet sich in Ziffer 3 grundsätzlich die Verpflichtung zur Einhaltung des Vergaberechts. Sie kann je nach Bundesland und je nach Fördermittelgeber in unterschiedlicher Gestaltung formuliert sein. Sollte sich die Vergabepflicht nicht in den ANBest wiederfinden, so wird sie im Allgemeinen unmittelbar in den Förderbescheid oder Fördervertrag aufgenommen.
Auf diese Weise begründet der Zuwendungsgeber ein Zuwendungsverhältnis zum Zuwendungsempfänger, in dem er das öffentliche Vergaberecht in Form einer Auflage i. S. d. § 36 VwVfG oder einer vertraglichen Regelung i. S. d. § 54 VwVfG zur Anwendung bringt.
Im Ergebnis entsteht auf diese Weise ein besonderes „Zuwendungsvergaberecht“, das weder nur mit dem öffentlichen Vergaberecht noch nur mit dem Zuwendungsrecht zu verwechseln ist.
Wie oben bereits ausgeführt können die Gestaltungen der Zuwendungsverhältnisse unterschiedlichste Formen und Umfänge annehmen. Das liegt darin begründet, dass das Vergaberecht erst durch das Zuwendungsrecht anwendbar wird und das Zuwendungsrecht als Teil des Haushaltsrechts in die Kompetenz und Hoheit desjenigen Trägers fällt, der für seinen Haushalt verantwortlich ist; insbesondere Bund, Länder, Kommunen. Daher kann jeder „Haushaltsverantwortliche“ sein Haushaltsrecht und so auch sein Zuwendungsrecht grundsätzlich in eigener Hoheit gestalten und regeln, vgl. Art. 109 GG. Dies geht so weit, dass sogar innerhalb der bundes-, landes- und kommunalen Ebene unterschiedliche Zuwendungsgeber differente Ausgestaltungen ihrer Zuwendungsverhältnisse vornehmen können, soweit die Mittel im Haushalt zu bestimmten Zwecken zumindest zur Verfügung gestellt worden sind, vgl. Art. 110 GG. Aus diesem Grunde kann ein kaum übersehbarer Flickenteppich an geltenden Regelungen für Zuwendungsempfänger entstehen.
Sobald ein Zuwendungsgeber dann das Vergaberecht zum Instrument im Zuwendungsverhältnis macht, um auf diese Weise die Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit der Verwendung öffentlicher Mittel sicherzustellen, erweitert er rechtlich zwar nicht absolut, aber zumindest relativ im Verhältnis zum Zuwendungsempfänger das Vergaberecht allein dadurch, dass er das Vergaberecht im Zuwendungsverhältnis, das dort per se nicht gilt, überhaupt erst zur Anwendung bringt. Denn er begründet eine Pflicht des Zuwendungsempfängers im Verhältnis zum Zuwendungsgeber, die der Zuwendungsempfänger sonst nicht hat.
Er muss gegenüber dem Zuwendungsempfänger das Vergaberecht einhalten und dokumentieren, dessen Einhaltung er sonst bestenfalls gegenüber dem Rechnungsprüfungsamt oder Rechnungshof zu belegen hat. Diese zuwendungsvergaberechtliche Dokumentation geht unter Umständen aufgrund der erhöhten Dokumentationspflichten im Zuwendungsverhältnis sogar weiter als die vergaberechtliche Dokumentationsplicht aus den Vergabeordnungen.
Für einen öffentlichen Auftraggeber als Zuwendungsempfänger mag die Konfrontation mit dem Vergaberecht zumindest nichts gänzlich Neues sein. Aber durch die Regelungen des Zuwendungsgebers werden auch private Auftraggeber, die ansonsten lediglich den Grenzen der §§ 134, 135, 138, 242 BGB im Rahmen ihrer Vertragsfreiheit unterliegen, durch Verpflichtungen eingeschränkt, die das „Wie“ der Beschaffung vorgeben und damit das Leistungsbestimmungsrecht beschränken.
Gänzlich widersprüchlich wird es, wenn öffentliche Auftraggeber, die das öffentliche Vergaberecht per se anzuwenden haben, als Zuwendungsempfänger zuwendungsvergaberechtliche Regelungen auferlegt bekommen, die mit denen, die sie als öffentlicher Auftraggeber per se anzuwenden haben, nicht identisch sind, sodass es im Rahmen einer Auftragsvergabe unmöglich für sie ist, gleichzeitig beide Regime einzuhalten. In dieser Konstellation gilt das Motto, das geringere Übel zu wählen, was regelmäßig die Vermeidung der (erheblichen) Rückforderung seitens des Zuwendungsgebers ist und nicht „nur“ die Beanstandung durch das Rechnungsprüfungsamt oder den Rechnungshof. Solche Regelungen dürften dann unter Umständen sogar unter verwaltungsrechtlich im Zuwendungsverhältnis unzulässige Änderungen und Erweiterungen des Vergaberechts fallen.
Inhaltlich wird regelmäßig auch nicht nur pauschal das öffentliche Vergaberecht zum Gegenstand des Zuwendungsverhältnisses gemacht, wie man es aus den obigen Erläuterungen zum „reinen“ Vergaberecht kennt, sondern mit konkreten Ausnahmen, Abweichungen, Änderungen, Erweiterungen. Die Anwendung des Vergaberechts im Zuwendungsverhältnis wird je nach Förderbereich an bestimmte Zuwendungssummen, Förderquoten, Eigenschaften der Zuwendungsempfänger oder Auftragswerte geknüpft. Ein aktueller Trend ist, neben dem förmlichen öffentlichen Vergaberecht eine Art „Vergaberecht light“ in die Auflagen aufzunehmen. Darunter ist z.B. die nach Ziffer 3.1 ANBest-P für private Zuwendungsempfänger im Zuwendungsverhältnis geltende Regelung zu verstehen, wonach der Zuwendungsempfänger Aufträge nur an fachkundige und leistungsfähige Anbieter nach wettbewerblichen Gesichtspunkten zu wirtschaftlichen Bedingungen zu vergeben hat, wobei grundsätzlich dazu mindestens drei Unternehmen zur Angebotsabgabe aufzufordern sind. Zwar ist damit nicht die Pflicht zur Einhaltung des förmlichen Vergaberechts gemeint, jedoch erinnert die Formulierung jeden Vergabepraktiker vermutlich an die Anforderungen an eine freihändige Vergabe nach der VOL/A bzw. Verhandlungsvergabe nach der UVgO.
Wo zu Beginn der jüngsten ANBest-P noch die Zuwendungsgeber und Zuwendungsempfänger die Hoffnung hegten, es sei eine enorme Erleichterung, die Flexibilität in der Beurteilung von Auflagenverstößen bringt, so hat sich in der ständigen Verwaltungspraxis, nicht zuletzt bestimmt durch Prüfbehörden, gezeigt, dass Prüfungen dieser Auflage des „Vergaberechts light“ an das förmliche öffentliche Vergaberecht anzulehnen sind und sie sich danach zu orientieren haben. Aus Erfahrung des Autors prüfen auch die Gerichte bei dieser „Vergabeauflage light“ bspw. die besonderen Ausnahmegründe für eine Direktvergabe aufgrund rechtlicher oder technischer Alleinstellung und fordern eine sehr tiefgehende Dokumentation, insbesondere zum Zeitpunkt der Prüfung des Verwendungsnachweises durch den Zuwendungsgeber, und nicht erst im gerichtlichen Verfahren.
Bestätigt wird diese fehlende Erleichterung durch die aktuellen COCOF-Leitlinien der EU-Kommission zur Kategorisierung der Vergabeverstöße, die gemäß Fußnote 10 zu Ziffer 1.2.2. sogar vorsehen, dass die Leitlinien auch dann anwendbar sind, wenn die nationalen Vorschriften (einschließlich Vertrags- oder Förderbedingungen) ausdrücklich vorschreiben, dass die Begünstigten von Fördermitteln der Union die nationalen Vorschriften zur öffentlichen Auftragsvergabe oder ähnliche Vorschriften einhalten müssen, selbst wenn diese Begünstigten keine öffentlichen Auftraggeber im Sinne der Richtlinien sind (beispielsweise die nationalen oder programmspezifischen Förderfähigkeitsregelungen, die eine Pflicht für Begünstigte vorsehen, die keine öffentlichen Auftraggeber sind, bei der Auftragsvergabe an ihre Lieferanten bestimmte vereinfachte Auftragsvergabeverfahren einzuhalten.)“ Damit ist die nach Ansicht des Autors die Verpflichtung z.B. in den ANBest-P zu verstehen, wonach der Zuwendungsempfänger Aufträge nur an fachkundige und leistungsfähige Anbieter nach wettbewerblichen Gesichtspunkten zu wirtschaftlichen Bedingungen zu vergeben hat, wobei grundsätzlich dazu mindestens drei Unternehmen zur Angebotsabgabe aufzufordern sind.
Verstöße werden mit Widerrufen und Rückforderungen wegen Auflagenverstößen gemäß § 49 Abs. 3 S. 1 Nr. 2, 49a Abs. 1 VwVfG sanktioniert, weil durch die Nichteinhaltung des Vergaberechts grundsätzlich die fehlende Wirtschaftlichkeit und mangelnde Sparsamkeit der Verwendung der öffentlichen Gelder indiziert ist, die der Zuwendungsempfänger kaum widerlegen kann (Der Streit in der Literatur um das Erfordernis der finanziellen Auswirkungen von Vergabeverstößen soll hier nicht weiter vertieft werden). Eine wie auch immer geartete Überlegung zu (hypothetischen) finanziellen Auswirkung eines Vergabeverstoßes für zu knüpfende Rechtsfolgen kennt das „reine“ Vergaberecht jedenfalls in dieser Form nicht.
Wo es im „reinen“ Vergaberecht objektiviert auf Vergabewidrigkeit aller Art ankommt, die z.B. durch ein Rechnungsprüfungsamt oder Rechnungshof theoretisch beanstandet werden können, so kommt es im Rahmen der Widerrufe und Rückforderungen auf eine fehlerfreie Ausübung des behördlichen Ermessens an, weil sich der Zuwendungsgeber bei der Gewährung von Zuwendungen im Bereich des Leistungsverwaltung und somit dem VwVfG bewegt, wo im Verwaltungsverfahren vorgerichtlich § 40 VwVfG und in der gerichtlichen Auseinandersetzung § 114 VwGO zum Ermessen gilt. An dieser Stelle müssen Zuwendungsgeber die Vergabeverstöße nach ihrer Schwere kategorisieren (Siehe Ermessensleitlinien der Bundesländer sowie die COCOF-Leitlinie der EU-Kommission), damit Widerrufe und Rückforderungen verhältnismäßig und ermessensfehlerfrei bleiben, obwohl das Ermessen durch die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit gemäß § 7 der Haushaltsordnungen indiziert ist und daher Widerrufe und Rückforderungen den Regelfall bedeuten und von dieser Regel-Entscheidung nur im Ausnahmefall abgewichen wird.
Wo im „reinen“ Vergaberecht im Oberschwellenbereich noch Bieter besonderen Rechtsschutz gemäß § 97 ff. GWB genießen, wenn sie sich in ihren subjektiven Bieterrechten verletzt fühlen, und rügen sowie Nachprüfungsverfahren einleiten können oder Unterlassungs- und Schadenersatzansprüche vor den Zivilgerichten durchsetzen können, da erhalten öffentliche Auftraggeber als Zuwendungsempfänger zusätzlichen Rechtsschutz und das Vergaberecht landet im Zuwendungsverhältnis vor der Verwaltungsgerichten, die sich teilweise aus Erfahrungen des Autors zum ersten Mal in das Vergaberecht zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung einarbeiten. Denn Ausgangspunkt und Streitgegenstand sind die öffentlich-rechtlichen Normen der §§ 49, 49a VwVfG und der Anspruch auf Gleichbehandlung aufgrund ständiger zur Selbstbindung der Verwaltung führender Verwaltungspraxis aus Art. 3 Abs. 1 GG und eben nicht die Rechte aus § 97 Abs. 6 GWB.
Im Ergebnis ist festzuhalten, dass Fördermittelgeber das öffentliche Vergaberecht in der Praxis tatsächlich und faktisch ändern und sogar teilweise erweitern. Jedoch gilt dies stets mit dem Zusatz, dass sie dies individuell gegenüber dem einzelnen Zuwendungsempfänger relativ im Zuwendungsverhältnis tun, zunächst jedoch nicht absolut, weil sie durch ihre individuellen Regelungen keine Anwendung des Vergaberechts gegenüber Jedermann konstituieren, wie es bei öffentlichen Auftraggebern ohne begründetes Zuwendungsverhältnis der Fall ist. Denn Zuwendungsgebern kommt keine Gesetzgebungskompetenz im öffentlichen Vergaberecht zu. Wenn man allerdings die Tausenden von Förderfällen zugrunde legt, für die Vergabepflichten (light) bestehen, so geht diese relative Wirkung in der Gesamtheit der einzelnen individuellen Zuwendungsverhältnisse schon aufgrund der Tragweite in eine absolutere Richtung.
Jedenfalls ist dieses durch Zuwendungsgeber geschaffene „Zuwendungsvergaberecht“ nicht zu unterschätzen und nicht mit nur dem Vergaberecht oder nur dem Zuwendungsrecht gleichzusetzen. Daher sind besondere Kenntnis und Erfahrungen erforderlich, um finanzielle Nachteile bei der Förderung zu vermeiden und keine unnötigen Widerrufe, Rückforderung samt verwaltungsgerichtlichen Verfahren zu riskieren.
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Der Autor Michael Pilarski ist als Volljurist bei der Investitions- und Förderbank des Landes Niedersachsen – NBank – in Hannover tätig. Als Prüfer, insbesondere der Vergaberechtsstelle, lag sein Schwerpunkt mehrere Jahre in den Bereichen Zuwendungs- und Vergaberecht. Er hat die Einhaltung des Zuwendungs- und Vergaberechts durch private und öffentliche Auftraggeber, die Förderungen aus öffentlichen Mitteln erhalten, geprüft und Zuwendungsempfänger bei zuwendungs- und vergaberechtlichen Fragestellungen begleitet. Nunmehr ist er in der Rechtsabteilung der NBank in den Bereichen Vergabe-, Vertrags- sowie Auslagerungsmanagement beschäftigt. Darüber hinaus sitzt er der Vergabekammer Niedersachsen beim Niedersächsischen Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr in Lüneburg bei, ist zugelassener Rechtsanwalt und übernimmt Referententätigkeiten sowie Schulungen im Zuwendungs- und Vergaberecht.
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