Dieser Beitrag zeigt Aspekte und Nuancen der „Unterlage für Ausschreibung und Bewertung von IT-Leistungen“ (UfAB) auf, welche sich in Laufe der vergangenen Jahre überholt haben, er ist aber zugleich ein Plädoyer für die aktive Nutzung der UfAB 2018 – und sei es nur als punktuelles Referenzwerk. Mit diesem Beitrag wird eine Lanze für die UfAB 2018 gebrochen. Diese ist zwar nunmehr 5 Jahre alt und gilt somit in der IT-Zeitrechnung mittlerweile als fast steinalt, jedoch kann sie jedem, der mit einer IT-Beschaffung betraut wird, ans Herz gelegt werden. Um einen Überblick zu bekommen, wird zunächst die Historie und der Hintergrund der UfAB beleuchtet, um im Weiteren die überholten Aspekte zu beleuchten und die Vorzüge der Arbeit mit der UfAB darzustellen.
Historie und Hintergrund
Die „Unterlage für Ausschreibung und Bewertung von IT-Leistungen“ ist ein Standardwerk, dass zur Ausschreibung und Bewertung von IT-Dienstleistungen verwendet wird. Sie wurde vom Beschaffungsamt des Bundesministeriums des Innern, genau genommen der Zentralstelle IT-Beschaffung (ZIB), veröffentlicht und von Rechtsexperten und Praktikern sorgfältig geprüft und ausgearbeitet.
Die UfAB wurde erstmals im Jahr 2002 veröffentlicht und seitdem mehrmals aktualisiert, korrigiert und erweitert. Die Version 2018 aus April 2018 enthält hilfreiche Handreichungen und Vorlagen für die Erstellung von Ausschreibungsunterlagen in IT-Projekten und bietet eine strukturierte Vorgehensweise sowie einen standardisierten Rahmen für die Ausschreibung und Bewertung von IT-Leistungen.
Basierend auf den Erfahrungen und Erkenntnissen aus vorherigen Versionen, berücksichtigt die UfAB 2018 derzeitigen Entwicklungen in der IT-Branche. Sie soll dazu beitragen, den Beschaffungsprozess transparenter, effizienter und fairer zu gestalten. Die UfAB 2018 legt unter anderem fest, welche Informationen in den Ausschreibungsunterlagen enthalten sein sollten, wie die Angebote bewertet werden sollen und welche Kriterien bei der Auswahl eines Dienstleisters zu beachten sind.
Es ist wichtig zu beachten, dass die UfAB 2018 keine bindende Rechtsgrundlage darstellt, sondern eine Empfehlung für die öffentliche Verwaltung ist. Dennoch wird sie weit verbreitet genutzt und dient vielen öffentlichen Auftraggebern als Grundlage für ihre IT-Ausschreibungen.
Aufbau der UfAB
Mit ihren 649 Seiten ist die UfAB 2018 auf den ersten Blick „ein Brett“. Bei näherer Betrachtung lassen sich mit ihr allerdings sehr dicke Bretter bohren.
Lassen Sie sich von der Seitenanzahl nicht abschrecken, denn die UfAB 2018 bietet nicht nur eine strukturierte Vorgehensweise für Beschaffungen, sondern sie selbst ist auch so gut strukturiert, dass sie sich als Nachschlagewerk und gleichzeitig auch als Leitfaden eignet.
Die UfAB 2018 besteht aus verschiedenen Kapiteln, die eine klare Strukturierung aufweisen. Diese umfassen unter anderem die Einführung, die Planung einer Beschaffung, das Design einer Beschaffung, die Durchführung eines Vergabeverfahrens, Hinweise zur Vertragsdurchführung und vertiefende Themen.
So viel zum Aufbau der UfAB. Nun zu den eingangs erwähnten Alterserscheinungen der UfAB 2018.
Ist die UfAB 2018 noch zeitgemäß?
Es gibt einige Aspekte der UfAB 2018, die im Laufe der Zeit überholt wurden. Diese sind im Überblick:
1. Rahmenvereinbarungen: Höchstabnahmemengen
2. EVB-IT Musterverträge für Cloud-Leistungen, wie z.B. SaaS, PaaS, IaaS
3. Optionale Leistungen
4. Abschichten während Verhandlungsrunden im Verhandlungsverfahren oder der Verhandlungsvergabe
5. Best and final offer (BAFO) im Verhandlungsverfahren
Zu 1. Rahmenvereinbarungen Höchstabnahmemengen
Ein Beispiel für eine überholte Regelung betrifft die Rahmenvereinbarungen, bei denen laut UfAB 2018 die Angabe von Mindest- und Höchstabnahmemengen nicht gesetzlich vorgeschrieben ist, aber dennoch empfohlen wird (Kapitel B 1.1, C 3.1.1, C 3.1.2, Anhang I 1.).
Die UfAB 2018 sagt bezüglich Rahmenvereinbarungen aus:
„Die Angabe von Mindest- und Höchstabnahmemengen in den Vergabeunterlagen wird gesetzlich nicht zwingend vorgeschrieben.“
Und sie rät richtig dazu:
„Da sie auch für die Kalkulation (oder auch Rabattierung) der Bieter wichtig sind, sollten sie angegeben werden.“
Die UfAB 2018 spricht an dieser Stelle somit den Rat aus, welchem nicht gefolgt werden MUSS.
Aufgrund des Urteils des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 17.06.2021 (C‑23/20 – Simonsen & Weel) ist es jedoch nun zwingend erforderlich, eine Höchstmenge oder einen Höchstwert anzugeben, da sich dies aus der Gesamtschau der Richtlinie ableite und insbesondere dem Transparenzprinzip und dem Gleichbehandlungsgrundsatz entspreche.
Damit hat sich diese verhandlungstaktische SOLL-Rat in eine MUSS-Vorgabe gewandelt (außer die ausschreibende Stelle wünscht erhöhte Risiken).
Die Kirsche auf der Torte ergibt sich aus der weiteren Vorgabe des EuGH, dass die Rahmenvereinbarung ihre Gültigkeit verliert, sobald die in der Ausschreibung angegebene Höchstmenge oder der angegebene Höchstwert erreicht wird. Ruft der öffentliche Auftraggeber dennoch Waren oder Dienstleistungen einfach weiter aufgrund dieser Rahmenvereinbarung ab, so handelt es sich um eine vergaberechtswidrige De-facto-Vergabe.
In diesem Sinne fehlt der UfAB lediglich der o.g. inhaltliche Zusatz, oder eine Wandlung des SOLL-Rates zu einer MUSS-Vorgabe.
Zu 2. EVB-IT Musterverträge für Cloud-Leistungen, wie z.B. SaaS, PaaS, IaaS
Ein weiteres Beispiel betrifft die EVB-IT Musterverträge. Die UfAB 2018 erschien vor der Entwicklung und Veröffentlichung des EVB-IT Cloud (März 2023). Daher sind die Aussagen zu Clouddiensten, wie Software as a Service (SaaS), Plattform as a Service (PaaS), Infrastructure as a Service (IaaS) und Managed Cloud Services (MCS) unter Berücksichtigung des mittlerweile erschienen EVB-IT Cloud zu lesen (siehe beispielhaft Kapitel B 2.2.2, C 4.3.3.2.ff.)
In diesem Rahmen sind aber auch Stellen der UfAB bezüglich Auftragnehmer-AGB im Kontext der jeweiligen, individuellen Beschaffung zu bewerten (siehe Kapitel 4.3.3.2.). Die Grundaussage war damals, dass Auftragnehmer-AGB kategorisch auszuschließen sind. Dies führte dazu, dass die Anwendung der standardisierten EVB-IT in größeren WAN-Ausschreibungen nicht möglich war, da Provider den vorgegebenen AGB-Ausschluss nicht akzeptieren konnten. Hier kam es oftmals zu Individualverträgen. Diese ersten Symptome sind mittlerweile ein immer akuteres Thema, gerade auch in Hinblick auf die großen Cloud-Infrastrukturanbieter am Markt (AWS, Google & Co)
Hintergründe dieser bieterseitigen Weigerung sind vielfältig. An dieser Stelle sei ein einfaches Beispiel beigefügt: Bei Bestellung z.B. eines Mobilfunkvertrages konnte und kann der Nutzer später automatisch auch Mehrwertdienste über diesen Vertrag nutzen (z.B. Wetter SMS), oder Sonderrufnummern anrufen. Für diese waren üblicherweise keine Regelungen in den entsprechenden Ausschreibungen detailliert vorgeben. Daher war schon vor der Einführung der EVB-IT Cloud die nachrangige Zulassung von Auftragnehmer-AGB – wenn auch nicht propagiert – üblich.
Der EVB-IT Cloud hat die Zulassung von Auftragnehmer-AGB als zentralen Aspekt inhärent, da dies, wie gerade an einem einfachen Beispiel aufgezeigt, bei Cloudleistungen aus den verschiedensten Gründen in den meisten Fällen notwendig sein wird (z.B. wegen technisch möglicher Mehrwertdienste, Hyperscaler-Hosting/Integration im Backend etc.).
Hinweis: Die entsprechende Berücksichtigung von Auftragnehmer-AGB im Vergabeverfahren – z.B. in Form von Ausschluss- und Zuschlagkriterien sollte in der Praxis mit bedacht werden.
Zu 3. Optionale Leistungen
Im Bereich von Liefer- und Dienstleistungen ist die Abfrage optionaler Leistungen nicht normiert. Also weder explizit erlaubt noch untersagt. In der Praxis und Rechtsprechung ist diese jedoch weitgehend akzeptiert.
Die UfAB 2018 zeigt verschiedene Möglichkeiten auf, wie optionale Leistungen bei der Wertung berücksichtigt werden können: Nichtberücksichtigung, anteilige Berücksichtigung und volle Berücksichtigung (siehe Kapitel 5.6)
Aus unserer Erfahrung ist es ratsam, nur die volle Berücksichtigung zu verwenden, da sie realitätsnah, wirtschaftlich und risikoreduzierend ist.
Es ist jedoch wichtig, die Handreichungen der UfAB 2018 weiterzudenken und bestimmte Fallstricke zu vermeiden. Beispielhaft sei die Einbeziehung von optionalen Mengen mit der Anzahl 1 zu nennen, da dies zu überhöhten Preisen führen kann. Ebenso sollte vermieden werden, Optionen abzufragen, ohne sicherzustellen, dass alle Bieter die gleichen Optionen anbieten. In diesem Fall sollten zusätzliche Leistungspunkte in die Zuschlagsformel einbezogen werden, um eine faire Bewertung gewährleisten zu können.
Zu 4. Abschichten während Verhandlungsrunden im Verhandlungsverfahren oder Verhandlungsvergabe
Die UfAB 2018 gibt Hinweise zur Abschichtung von Angeboten, basierend auf einer objektiven Prognose der Zuschlagschancen (siehe beispielhaft Kapitel 5.7.2 87, D 3 ff.). Dies ist auch nachvollziehbar, denn die Vergabeverordnung (VgV) weist für das Verhandlungsverfahren spezifische Regelungen zur sukzessiven Abschichtung auf. Nach § 17 Abs. 12 S. 1 VgV kann der öffentliche Auftraggeber die Verhandlungen in verschiedenen aufeinanderfolgenden Phasen abwickeln, um die Zahl der Angebote, über die verhandelt wird, anhand der vorgegebenen Zuschlagskriterien zu verringern, sofern er hierauf in der Auftragsbekanntmachung oder den Vergabeunterlagen hingewiesen hat. § 17 Abs. 12 S. 2 VgV ergänzt, dass in der Schlussphase des Verfahrens so viele Angebote vorliegen müssen, dass der Wettbewerb gewährleistet ist.
Jedoch fehlen klare Handreichungen zur Erstellung einer objektiven Prognose, was oftmals zu bieterseitigen Rügen und teilweise Nachprüfungsverfahren führt. Es muss objektiv unwiderlegbar sein, dass dieser Bieter, auch mit seinem nächsten Angebot, keine Chance auf einen Zuschlag hat. Und diese Begründung ist in der Realität in den wenigsten Fällen wasserdicht. Entsprechende Hinweise oder Handreichungen lässt die UfAB 2018 missen.
In der Regel versuchen wir daher, harte Abschichtungen zu vermeiden und alternative Lösungsansätze zu finden.
Zu 5. Best and final offer (BAFO) im Verhandlungsverfahren
Zum Abschluss betrachten wir das Best and final offer (BAFO) im Verhandlungsverfahren (siehe beispielhaft Kapitel D 3.5.3).
§ 17 Abs. 14 S. 1 VgV regelt Folgendes:
„Beabsichtigt der öffentliche Auftraggeber, die Verhandlungen abzuschließen, so unterrichtet er die verbleibenden Bieter und legt eine einheitliche Frist für die Einreichung neuer oder überarbeiteter Angebote fest. Er vergewissert sich, dass die endgültigen Angebote die Mindestanforderungen erfüllen, und entscheidet über den Zuschlag auf der Grundlage der Zuschlagskriterien.“
Gemäß der VgV hat der öffentliche Auftraggeber die Möglichkeit, die Verhandlungen abzuschließen und ein endgültiges Angebot von den verbleibenden Bietern einzufordern. Es gibt jedoch unterschiedliche Meinungen, ob dies obligatorisch ist oder nicht. Im Folgenden wird kurz ausgeführt, warum die Meinung ein BAFO sei obligatorisch, inkonsistent ist.
Zum einen widerspricht die der Regelung von §17 Abs. 11 VgV, welcher einen Zuschlag auf das (unverhandelte) Erstangebot als Option ermöglicht.
Zum anderen – und möglicherweise unpopulären, aber folgerichtigen Konsistenz: Es ist wichtig anzumerken, dass § 17 VgV zwischen Erstangeboten, Folgeangeboten und endgültigen Angeboten unterscheidet:
- Für Erstangebote besteht die Möglichkeit diese indikativ oder verbindlich mit Zuschlagsoption zu fordern.
- Über Folgeangebote (wenn kein Zuschlag erfolgt ist) wird logischerweise verhandelt
- und endgültige Angebote wären keine endgültigen Angebote gewesen, sobald über diese noch einmal verhandelt wurde und diese durch erneute oder abgeänderte Angebote ersetzt wurden.
Das Vokabular der VgV ist also konsistent und resultiert mitnichten in einem zwangsweisen Vorsehen und Vollzug eines BAFO.
Rein verhandlungstaktisch gibt es zudem Fälle, in denen davon abzuraten ist, eine Selbstbindung zur Anforderung eines endgültigen Angebotes fest und mit Ansage einzugehen. Und für mehr steht § 17 Abs. 14 S. 1 VgV nicht. Es ist eine Option, mit der der öffentliche Auftraggeber eine Selbstbindung eingehen kann, aber nicht muss. Es besteht also keine Verpflichtung, ein endgültiges Angebot anzufordern, wenn bereits ein anforderungsgerechtes und wirtschaftliches Angebot vorliegt – ansonsten würde allen Parteien unnötiger Mehraufwand aufgebürdet werden.
Die Entscheidung, ein BAFO einzufordern, sollte verfahrensindividuell und unter Berücksichtigung der spezifischen Umstände getroffen werden.
Fazit
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die UfAB 2018 eine nützliche Grundlage für IT-Beschaffungen bietet. Es ist jedoch wichtig, die genannten Aspekte kritisch zu betrachten und individuelle Entscheidungen zu treffen, um eine optimale Beschaffung durchzuführen.
Sind ihnen weitere Aspekte aufgefallen? Dann würde ich mich über eine Nachricht freuen.
Sebastian Hürthen
Sebastian Hürthen hält einen Master in Business Administration (MBA) und verfügt über mehr als 20 Jahre Erfahrung in der IT- und Telekommunikationsbranche, davon über 10 Jahre als Vergabemanager und in der Leitung großer internationaler Vorhaben. Für die WeCon Beratungsgesellschaft mbH begleitet er öffentliche und private Auftraggeber bei der Konzeption und Durchführung von Beschaffungsvorhaben und IT-Projekten.
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