Noch kurz vor dem Jahreswechsel 2023/2024 hat das Bundeskabinett ein neues Postgesetz beschlossen, das wesentliche Änderungen der bisherigen Rechtslage enthält und die sich zukünftig erheblich auf die Abwicklung des Postverkehrs auswirken (BR-Drs. 677/23). Der Gesetzentwurf wurde dem Bundestag und Bundesrat zugeleitet, die sich zum Jahresbeginn 2024 damit befassen. Es wird erwartet, dass das neugefasste Gesetz das Verfahren ohne wesentliche Änderungen durchläuft und zeitnah in Kraft treten wird. Direkt betroffen ist die Beschaffung der Leistungen der Briefbeförderung durch die öffentliche Hand. Dieser Beitrag befasst sich mit wesentlichen Punkten der Novelle und gibt einen ersten Überblick über die möglichen vergaberechtlichen Auswirkungen.
Jährlich werden in der Bundesrepublik etwa 250 neue Ausschreibungsverfahren der öffentlichen Hand hinsichtlich der Vergabe von Briefdienstleistungen (Beförderung von Briefsendungen) bekanntgemacht. Die Anzahl der Ausschreibungsverfahren ist in den vergangenen Jahren in etwa gleichgeblieben. Allein im Kalenderjahr 2022 wurden nach den Angaben der Auftraggeber diesbezügliche öffentliche Aufträge in einer Größenordnung von etwa 1,0 Mrd. EUR neu vergeben. Diese Aufträge machen damit einen großen Teil der erwirtschafteten Umsätze der Briefdienstleistungsunternehmen aus.
Der Anbietermarkt wird auch 16 Jahre nach vollständiger Liberalisierung des Briefmarkts zu etwa 85 % von der Deutschen Post AG und deren Tochtergesellschaft Deutsche Post InHaus Services GmbH beherrscht. Der Konzern ist marktbeherrschend im Sinne des Kartellrechts. Mehr als 300 aktiv tätige Wettbewerbsunternehmen sind ebenfalls am Markt etabliert und erbringen mit eigenen Kräften überwiegend regionale Dienstleistungen. Für die bundesweite Briefzustellung haben die Wettbewerbsunternehmen Partnernetzwerke gegründet, über die sie eine bundesweite Zustellung gewährleisten. Einzelheiten zur Markt- und Anbieterstruktur im Postsektor sind den instruktiven Sektorgutachten der Monopolkommission zu entnehmen, die ihr 13. Sektorgutachten 2023 jüngst veröffentlicht hat (veröffentlicht auf der Internetseite der Monopolkommission).
Die nunmehr beschlossene Postgesetznovelle ist die erste umfassende Überarbeitung des Postgesetzes 1997.
Die Leistungen der Briefbeförderung betreffen die Vergabe von Dienstleistungen i.S.v. § 103 Abs. 1 GWB. Diesbezüglich ergeben sich keine Besonderheiten. Nach der vergaberechtlichen Rechtsprechung gehört die Erbringung von Briefdienstleistungen nicht zu den sog. besonderen Dienstleistungen im Sinne von § 130 GWB, so dass auch nicht der hohe Schwellenwert von 750.000,00 EUR gilt (vgl. VK Bund, Beschl. v. 2.8.2017 – VK 2-74/17). Bei der Ausschreibung dieser Leistungen sind also sämtliche Vorschriften für Dienstleistungsvergaben insbesondere nach VgV zu beachten. Sektorenauftraggeber, die diese Leistungen im Zusammenhang mit der Ausübung einer Sektorentätigkeit vergeben, haben die spezifischen Sektorenvorschriften zu beachten (vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 17.8.2022 – VII-Verg 50/21).
25 Jahre nach Inkrafttreten des Postgesetzes 1997 hat sich der Gesetzgeber zu einer umfassenden Reform entschieden. Diese Leistungen der postalischen Grundversorgung (Universaldienst) unterliegen nach wie vor einem umfassenden gesetzlichen Rahmen, der angemessene und ausreichende Postdienstleistungen, einen fairen Wettbewerb und angemessene Arbeitsbedingungen ermöglichen soll.
Ein wesentlicher Aspekt des neuen Postgesetzes betrifft eine Änderung des Universaldienstes und die Laufzeiten von Briefsendungen. Waren Briefe der Absender bisher zu 80 % bereits am nächsten Werktag zuzustellen, müssen die Sendungen gemäß § 18 der Neuregelung ab 2025 erst am dritten Werktag (zu 95%) und zu 99 % am vierten Werktag bei den Empfängern zugestellt sein. Der Briefverkehr wird also deutlich langsamer. „Universaldienstleister“ ist und bleibt die Deutsche Post AG, die sich zu der Erbringung des Universaldienstes verpflichtet hat. Das Unternehmen wird seine zukünftigen Leistungen nach Maßnahme des neugefassten Gesetzes erbringen und Briefsendungen im Universaldienst ab 2025 nur noch zu deutlich veränderten (herabgesetzten) Leistungsvorgaben verarbeiten und zustellen.
Ausgeweitet wurde auch der Umfang der Universaldienstleistungen. Zukünftig gehören auch sog. Teil- oder Konsolidierungsleistungen dazu, die die rabattierte Abholung und Vorsortierung von Briefen zugunsten der Deutsche Post AG betreffen.
Anbieter von Postdienstleistungen müssen sich fortan in einem Anbieterverzeichnis bei der Bundesnetzagentur eintragen lassen. Die bisher vorgesehene Pflicht zum Vorhalten einer Postlizenz entfällt (§ 4 ff. PostG n.F.).
Das bisherige Porto der Deutschen Post AG ist – insoweit erforderlich – bis zum Ende des Kalenderjahres 2024 genehmigt. Damit wird das regulierte Unternehmen auch 2024 einen neuen Entgeltantrag stellen. Es darf erwartet werden, dass sich das Porto des Unternehmens trotz herabgesetzter Leistungen ab dem kommenden Kalenderjahr erhöht.
Neu und erheblich ausgeweitet wurde die Entgeltgenehmigungspflicht durch die Bundesnetzagentur. Nur die Deutsche Post AG unterliegt bisher für ihr Porto für die Einlieferung von bis zu 49 Briefsendungen der vorherigen Entgeltgenehmigungspflicht durch die Genehmigungsbehörde.
Nach der Novelle muss sich das Unternehmen ab 2025 sein gesamtes Porto für die Erbringung von Briefdienstleistungen (bis 2000 g pro Briefsendung) vorab genehmigen lassen. Diese Verpflichtung besteht zukünftig mit Blick auf den gesamten Universaldienstbereich und damit also für die gesamten Briefdienstleistungen des Konzerns, § 40 Abs. 1 PostG. Der Entgeltgenehmigungspflicht unterliegen ab 2025 auch die Entgelte für die o.g. Teil- oder Konsolidierungsleistungen, da sie nach dem ausdrücklichen Wortlaut des Gesetzes zu den Universaldienstleistungen gehören werden (§ 16 Abs. 1 Nr. 1, § 54 Abs. 1 PostG n.F.). Auch die Entgeltmaßstäbe für die Entgeltregulierung der Deutschen Post AG werden angepasst (§ 39 ff. PostG n.F.). Zukünftig sollen auch „Investitionen in den Postsektor“ und eine „ökologisch nachhaltige Postversorgung“ gefördert und bei der Entgeltgenehmigung berücksichtigt werden, § 47 PostG n.F..
Gemäß § 4 Nr. 11b des Umsatzsteuergesetzes unterliegen postalische Universaldienstleistungen einer Umsatzsteuerbefreiung. Durch eine Ausweitung der Leistungen des postalische Universaldienstes werden sich zugunsten des Konzerns der Deutschen Post AG für die Erbringung von Teilleistungen (§ 54 Abs. 1 PostG n.F.) zusätzliche Umsatzsteuerbefreiungen ergeben. Darauf weist auch schon die Gesetzesbegründung hin (vgl. BR-Drs. 677/23, S.95). Die Deutsche Post AG schätzt, dass es sich um jährlich etwa 115 Mio. EUR handelt.
Zur Gewährleistung eines fairen Wettbewerbs und arbeits- und sozialrechtlicher Standards finden sich in der Neufassung des Postgesetzes außerdem erweiterte Regelungen zur Gewährleistung fairer Arbeitsbedingungen. So ist die Einhaltung angemessener Arbeitsbedingungen nun für alle Anbieter von Postdienstleistungen (Brief und Paket, einschließlich Subunternehmern) Voraussetzung für Marktzugang und Verbleib auf dem Markt. Auch Subunternehmen sind verpflichtet, sich in das Anbieterverzeichnis der Regulierungsbehörde eintragen zu lassen (vgl. oben b)). (Nur) für die Paketbranche wurde eine Subunternehmerhaftung für arbeits- und sozialrechtliche Vorgaben des jeweiligen Auftraggebers eingeführt (§ 9 PostG n.F.).
Gem. §§ 75 ff. der neugefassten Regelungen soll auch ein „ökologisch nachhaltiger Postsektor“ sichergestellt werden. Das Ziel ist eine Reduzierung der Treibhausgasemissionen. Um Transparenz und Vergleichbarkeit herzustellen, sollen zunächst die Treibhausgasemissionen der Anbieter erfasst werden. Größere Unternehmen aus diesem Sektor haben ab 2025 die entsprechenden Daten bei der Bundesnetzagentur vorzulegen. Direkte Maßnahmen enthält die Postgesetznovelle nicht.
Die bereits beschlossenen Änderungen des Postgesetzes wirken sich wesentlich auf bereits bestehende Vereinbarungen und zukünftig auszuschreibende Verträge aus. Die Änderung der Vorgaben an den Universaldienst, die Änderung der Leistungsvorgaben und die übrigen beschriebenen Anpassungen haben Auswirkungen auf die gegenwärtige und zukünftige Leistungserbringung der Anbieter von Briefdienstleistungen.
Die Leistungen der Briefzustellung werden seitens der öffentlichen Auftraggeber fast ausschließlich auf der Grundlage von langfristig laufenden Rahmenvereinbarungen beauftragt (§ 21 VgV). Wenn eine Vergabestelle in der Vergangenheit einen Rahmenvertrag abgeschlossen hat, wird sie auch im Hinblick auf die Änderung von Leistungen – insbesondere hinsichtlich der Brieflaufzeit – zu prüfen haben, ob eine seitens der Deutsche Post AG fortan erbrachte „langsamere“ Zustellung der Briefsendungen nach Maßgabe eines bisherigen langjährigen Rahmenvertrages überhaupt zugelassen ist. Dies wird nur in Ausnahmefällen der Fall sein, da die bisher ausgeschriebenen Verträge (und die Leistungsbeschreibungen) eigentlich immer die Vorgabe enthalten haben, dass die Briefsendungen der öffentlichen Hand mindestens zu 80 % am nächsten Werktag zugestellt werden müssen. Vielfach haben Vergabestellen auch schnellere Zustellzeiten verlangt und schnellere Zustellzeiten bei der Wertungsentscheidung besonders gut bewertet. Mit der vorgesehenen Änderung der Vorgaben den Universaldienst wird insbesondere der Konzern der Deutsche Post AG seine Laufzeiten anpassen (müssen). Werden dann ab 2025 auch die vertraglich bereits gebundenen Briefsendungen nur noch innerhalb von drei bis vier Tagen zugestellt, würde das Unternehmen die bisher vertraglich vereinbarten Leistungspflichten zukünftig nicht mehr erfüllen.
In diesen Fällen müsste der bereits geschlossene Rahmenvertrag – sofern möglich – angepasst oder anderenfalls kurzfristig gekündigt und neu ausgeschrieben werden.
Durch ein vertraglich nicht vorgesehenes, nachträgliches Zulassen einer um mehrere Tage langsameren Brieflaufzeit dürfte sich – wenn in dem Altvertrag keine ausdrückliche Öffnungsklausel vorhanden ist – eine vergaberechtlich nicht zugelassene, wesentliche Auftragsänderung während der Vertragslaufzeit ergeben, § 132 Abs. 1 GWB. Die nachträgliche Änderung einer in der Vergangenheit ausgeschriebenen und im Hinblick auf Brieflaufzeiten vereinbarten strengen Leistungsvorgabe stellt eine wesentliche Änderung des bereits bestehenden öffentlichen Auftrags dar. Gerade auch im Hinblick auf eine bundesweite Zustellung von Briefsendungen ergibt sich durch eine Ausweitung der Zustellzeitfenster eine ganz erhebliche Ausweitung des Anbieterkreises, da die Wettbewerbsunternehmen der Deutsche Post AG ebenfalls eine bundesweite Zustellung – zu zeitlich nur leicht verzögerten Bedingungen – anbieten und gewährleisten (vgl. Monopolkommission, a.a.O., S.14, 15, 18). (Erst) durch eine Verlängerung der Laufzeitvorgaben wird den Wettbewerbsunternehmen des marktbeherrschenden Konzerns ein bundesweiter Wettbewerb ermöglicht und für die öffentlichen Auftraggeber ein großer Anbieterkreis erschlossen. Demnach ergibt sich bei einer Verlängerung der Zustellzeiten eine ganz erhebliche Erweiterung der potentiellen Bieter und Verfahrensteilnehmer (vgl. § 132 Abs. 1 Nr. 1 a), b) und c) GWB). Altverträge müssten demnach regelmäßig neu ausgeschrieben werden, wenn längere Brieflaufzeiten möglich werden sollen. Dies gilt insbesondere auch für die Fälle, in denen eine Vergabestelle im Vergabeverfahren bei der Wertung bieterseits zugesagte, besonders kurze Zustellzeiten berücksichtigt hatte, denn in der Vergangenheit konnte eine sehr schnelle bundesweite Zustellung nur durch die Deutsche Post AG gewährleistet werden (vgl. OLG Celle, Beschl. v. 11.09.2018 – 13 Verg 4/18).
Hinsichtlich der Änderungen mit Blick auf ein sogenanntes Anbieterverzeichnis ergeben sich keine wesentlichen Auswirkungen. Bei zukünftigen Ausschreibungen werden die öffentlichen Auftraggeber als Eignungsnachweis einen Eintragungsnachweis verlangen (vgl. § 48 VgV).
Die Vorschriften zur Entgeltregulierung wirkten sich auf öffentlich Ausschreibungsverfahren bisher nur mittelbar aus, da der Konzern Deutsche Post AG (als einziges entgeltreguliertes Unternehmen) bei größeren Aufträgen – wie es bei öffentlichen Ausschreibungen immer der Fall ist – nur einer nachträglichen Missbrauchsaufsicht unterlag. Dies ändert sich mit der Postgesetznovelle, da sich das Unternehmen nun sein gesamtes Porto im Universaldienst im Briefsektor vorab genehmigen lassen muss. Eine ausschreibende Stelle wird also eine erforderliche Entgeltgenehmigung der Verfahrensteilnehmer überprüfen müssen.
Entgeltregulierungsvorschriften hatten sich in der jüngsten Vergangenheit auf die Konsolidierungstochter der Deutschen Post AG (Deutsche Post InHaus Services GmbH) ausgewirkt, da die Bundesnetzagentur in 2023 gegen dieses Unternehmen ein Missbrauchsverfahren wegen missbräuchlich (zu niedrig) kalkulierter Entgelte einleitete. Nachdem das Unternehmen daraufhin im Dezember 2023 ankündigte, seine Entgelte an 12 Standorten bundesweit zu erhöhen, wurde das Verfahren eingestellt (vgl. BNetzA, Beschl. v. 18.12.2023 – BK5-23/020). Die angekündigten Preisanpassungen haben Auswirkungen auf laufendende oder gegenwärtig ausgeschriebene Verträge. Etwaig aufgrund einer Regulierungsmaßnahme der Bundesnetzagentur anzupassende Entgelte (dieses Konzerns) unterliegen ebenfalls den Vorschriften über die Änderung von öffentlichen Aufträgen (vgl. § 132 Abs. 3 Nr. 2 GWB).
Die Umsatzsteuerbefreiung für den Universaldienst (der Deutsche Post AG) wirkt sich ebenfalls unmittelbar auf den Wettbewerb in diesem Sektor aus, da – so die regelmäßig herrschende Auffassung – die sonstigen Anbieter von Postdienstleistungen grundsätzlich keiner Umsatzsteuerbefreiung unterliegen. Kann künftig ein Anbieter einer nicht zum Vorsteuerabzug berechtigten öffentlichen Stelle also ein Preisangebot für postalische Universaldienstleistungen ohne gesetzliche Umsatzsteuer unterbreiten, entsteht ihm ein beachtlicher Wettbewerbsvorteil gegenüber den anderen Anbietern. In diesem Zusammenhang ist eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs aus dem Jahre 2020 (EuGH, Urt. v. 16.10.2019 – C-4/18) und die daraufhin ergangene Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH, Urt. v. 6.2.2020 – V R 36/19) von besonderer Bedeutung. Nach diesen Entscheidungen kommt es für die Bestimmung des Begriffs des Universaldienstes nicht darauf an, ob sich der Konzern der Deutsche Post AG selbst zum Universaldienst verpflichtet hat und Leistungen des postalischen Universaldienstes erbringt. Maßgeblich für die Begriffsbestimmung und eine mögliche Umsatzsteuerbefreiung ist vielmehr allein der Gegenstand der Leistung. Insoweit kann also auch für sonstige Wettbewerber des Konzerns eine Umsatzsteuerbefreiung in Betracht kommen. Entsprechendes ist gegebenenfalls zu überprüfen (vgl. VK Nordbayern, 29.10.2013 – 21.VK-3194-42/13).
Eine mögliche Umsatzsteuerbefreiung betrifft die angesprochenen Teilleistungen der Deutsche Post AG, da diese nach der Neufassung des Postgesetzes ebenfalls ausdrücklich zum Universaldienst gehören sollen und in der Praxis der öffentlichen Ausschreibung eine große Rolle spielen. Insoweit sich also sog. Konsolidierungsunternehmen (wie das oben genannte Tochterunternehmen der Deutschen Post AG) an einer öffentlichen Ausschreibung beteiligen, greifen sie hinsichtlich der Zustellung der Sendungen auf die (Universal-)dienstleistungen der Deutsche Post AG zurück. Deren diesbezügliche Umsätze mit Teilleistungen (§ 54 Abs. 1 PostG n.F.) sollen nicht der Umsatzsteuer unterliegen. Es bleibt abzuwarten, wie das Unternehmen bzw. die Finanzverwaltung mit einer diesbezüglichen Neuregelung umgeht.
Die vorgesehene Umsatzsteuerbefreiung für diese Großkundenangebote und Geschäftskundenangebote, die die Deutsche Post AG ausschließlich über sogenannte Konsolidierungsunternehmen (und ihre Tochter Deutsche Post InHaus Services GmbH) abwickelt, begegnet allerdings erheblichen Bedenken.
Nach der europäischen Mehrwertsteuerrichtlinie (RL 2006/112/EG, Art.132) ist es nur zugelassen, postalische Grundversorgungsleistungen für die Allgemeinheit (von allgemeinem Interesse) von der Umsatzsteuer zu befreien. Eine Steuerbefreiung kommt nicht für spezifische oder besondere Postdienstleistungen in Betracht. Dies ist im Jahre 2009 vom Europäischen Gerichtshof ausdrücklich klargestellt worden (Urt. v. 23.4.2009 – C-357/07). Die hier angesprochenen Teilleistungen der Deutschen Post AG für Großkunden sind keine Leistungen, die für die Allgemeinheit angeboten werden und betreffen auch nicht die gesamte Leistungskette von der Abholung bis zur Zustellung. Darüber hinaus ist die Umsatzsteuerbefreiung für besondere postalische Dienstleistungen auch nur zugelassen worden, um den Postdienst für die Allgemeinheit („alle Nutzer“, Art. 3 Abs. 1 RL 97/67/EG) erschwinglich zu halten (anders: Finanzgericht Köln, Urteil vom 02.02.2021 – 8 K 1248/18, nicht rechtskräftig, Revision eingelegt). Einzelheiten sind strittig. Im Rahmen von öffentlichen Aufträgen haben auch öffentliche Auftraggeber Richtlinienvorgaben zu beachten. Damit wird bei entsprechenden Vergaben zu prüfen sein, ob Angebote von Konsolidierern, die umsatzsteuerfreie Anteile beinhalten, berücksichtigt werden dürfen (VK Nordbayern, a.a.O.).
Bezüglich der Arbeitsbedingungen im Postsektor ergeben sich keine Besonderheiten, vgl. § 60 Abs. 2 Nr. 4 VgV. Die öffentlichen Auftraggeber prüfen die eingereichten Aufträge auch im Hinblick darauf, ob geltende sozial- und arbeitsrechtliche Normen eingehalten werden. Hierzu werden die Bieter im Regelfall eine Eigenerklärung abgeben, § 48 Abs. 2 S. 1 VgV.
In der Vergangenheit hat bei der öffentlichen Ausschreibung von Briefdienstleistungen in ökologischer Hinsicht insbesondere das Gesetz über die Beschaffung sauberer Fahrzeuge (SaubFahrzeugBeschG) eine erhebliche Rolle gespielt. Es ist streitig, ob dieses Gesetz auf die Erbringung von Briefdienstleistungen anwendbar ist. Nach der Auffassung des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr kommt seine Anwendung auf die Erbringung von Briefdienstleistungen nur dann in Betracht, wenn die Leistungen für sich genommen auch wesentlich von einem Einsatz von Straßenfahrzeugen geprägt werden (vgl. BMDV, SaubFahrzeugBeschG 2022, Leitfaden für Vergabestellen, S.8). Da die Briefzustellung durch Postboten regelmäßig mit Fahrrädern oder auch zu Fuß abgewickelt wird, könnte die Anwendung des Gesetzes unzulässig sein. Einzelheiten sind aber noch streitig und sind derzeit etwa in München auch Gegenstand eines Nachprüfungsverfahrens.
Die Novelle des Postgesetzes wird ab 2025 erhebliche Auswirkungen auf die Abwicklung des Briefverkehrs in der Bundesrepublik haben. Der Briefverkehr (über den Konzern Deutsche Post AG) wird zukünftig deutlich langsamer abgewickelt werden. Vergabestellen und Unternehmen werden sich auf die geänderten Leistungsvorgaben einstellen. Es bleibt abzuwarten, wie sich die vorgesehenen Änderungen auf die Sendungsmengen auswirken. Indes kann durch die Verlängerung von Brieflaufzeiten ein breiterer Wettbewerb erwartet werden.
Im Übrigen unterliegt das marktbeherrschende Unternehmen Deutsche Post AG mit seiner Konsolidierungstochter bezüglich der postalischen Universaldienstleistungen, zu denen dann auch die sogenannten Teil- oder Konsolidierungsleistungen gehören, einer engeren Entgeltregulierung. Das gesamte diesbezügliche Porto des Konzerns ist vorab durch die Bundesnetzagentur zu genehmigen.
Für die öffentlichen Auftraggeber – die die größte Kundengruppe der Briefdienstunternehmen darstellen – ergeben sich Anpassungserfordernisse. In der Vergangenheit abgeschlossene langfristige Rahmenverträge können ab der Geltung der neuen gesetzlichen Vorgaben nicht ohne weiteres auf längere Brieflaufzeiten angepasst werden. Vielmehr müssen die Vergabestellen nach Maßgabe der vergaberechtlichen Anforderungen wegen der grundlegenden Leistungsänderungen des postalischen Universaldienstes ab der Geltung der Neuregelung eine Neuausschreibung der Altverträge prüfen und angehen. Bei der Planung von neuen Ausschreibungsvorhaben muss geprüft werden, wie die geänderten zukünftigen Leistungsvorgaben erfasst werden.
Durch die übrigen vorgesehen Änderungen des Postgesetzes ergeben sich für die Beteiligten an den öffentlichen Ausschreibungen darüber hinaus keine tiefgreifenden Änderungen oder erhebliche Anpassungserfordernisse. Zusätzlich erforderlich gewordene Entgeltgenehmigungen und Nachweise sind abzufragen. Die Kalkulation der Angebotspreise hat fortan auch unter Berücksichtigung einer möglichen Umsatzsteuerbefreiung für den postalischen Universaldienst stattzufinden und ist dementsprechend zu überprüfen.
Rechtsanwalt Dr. Christian v. Ulmenstein ist seit Juli 2023 Partner der Kanzlei LEINEMANN PARTNER Rechtsanwälte, Berlin. Er betreut und berät als Fachanwalt für Vergaberecht Vergabestellen und Bieter in komplexen öffentlichen Ausschreibungsverfahren (Bau- und Dienstleistungsvergaben). Seit der Öffnung des Postsektors gehört zu seinen Leistungen seit vielen Jahren auch die Beratung von Unternehmen und Vergabestellen bei der öffentlichen Beschaffung von Postdienstleistungen.
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