Verlässliche Dienstleister sind in manchen Branchen schwer zu finden. Auftraggeber scheuen aber mitunter vor einer Kündigung zurück und hoffen auf die Neuvergabe. Das ist nicht immer eine gute Idee, wie eine aktuelle Entscheidung der VK Westfalen zeigt.
GWB § 124 Abs. 1 Nr. 7, §§ 125, 126 Nr. 2
In einem europaweiten Vergabeverfahren für Sicherungsdienstleistungen bewarb sich auch der Vorauftragnehmer. Bei dieser früheren Auftragsausführung hatte es offenbar von Beginn an Probleme gegeben. Der Auftraggeber hatte daher im November 2019 teilgekündigt. Obwohl der Dienstleister nach der Änderungsvereinbarung personelle und organisatorische Selbstreinigungsmaßnahmen ergriffen hatte, lief die Auftragsausführung weiterhin, insbesondere in den Jahren 2021 und 2022, nicht reibungsfrei. Eine vollständige Kündigung erfolgte dennoch nicht. Der Auftraggeber baute darauf, dass der Vertrag zum Ende der Saison 2022 ohnehin auslief.
Im jetzigen Vergabeverfahren wollte der Auftraggeber diesen Dienstleister wegen schlechter Vorerfahrungen gemäß § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB ausschließen.
Keine Chance. Der Auftraggeber hatte den Ausschluss ausdrücklich mit der Teilkündigung Ende 2019 begründet. Gemäß § 126 Nr. 2 GWB darf das betreffende Ereignis jedoch höchstens drei Jahre zurückliegen. Zum Ausschlusszeitpunkt im Jahr 2023 war dieser Zeitraum längst verstrichen.
Auch eine Anknüpfung an die späteren Mängel war nicht möglich. Denn abgesehen davon, dass zwischen den Parteien schon streitig war, ob in den Jahren 2021 und 2022 überhaupt (hinreichende) Schlechtleistungen vorlagen, hatte der Auftraggeber in Bezug auf diese keinerlei Ansprüche geltend gemacht. Ein Ausschluss gemäß § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB setzt aber voraus, dass die Schlechtleistung zu einer vorzeitigen Beendigung, zu Schadensersatz oder zu einer vergleichbaren Rechtsfolge geführt hat. Alleine das Auslaufen lassen eines Vertragsverhältnisses reicht nicht aus.
Der Wortlaut des § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB ist eindeutig: es reicht nicht aus, einen rechtlichen Anspruch aufgrund einer Schlechtleistung zu haben, sondern dieser muss auch geltend gemacht worden sein, denn das Fehlverhalten muss zu einer „Rechtsfolge geführt“ haben. Der dieser Vorschrift zugrunde liegende Art. 57 Abs. 4 g) RL 2014/24/EU formuliert sogar noch klarer, dass das Verhalten „Sanktionen nach sich gezogen“ haben muss. Wer nichts unternimmt, wird also später kaum einen low performer rechtssicher ausschließen können.
Für Auftraggeber, die eine Kündigung scheuen, dürfte interessant sein, was als vergleichbare Rechtsfolge in Frage kommt. Die Gesetzesbegründung nennt die Ersatzvornahme oder das Verlangen nach umfangreichen Nachbesserungen (vgl. BT-Drs. 18/6281, Seite 106 f. zu § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB). In der Spruchpraxis wurde auch eine Rechnungskürzung als vergleichbare Rechtsfolge anerkannt (vgl. z.B. VK Bund, Beschl. v. 18.09.2017, VK 2 86/17). Die Verhängung einer Vertragsstrafe wurde indes als nicht ausreichend angesehen, insbesondere, weil sie weder einen Schaden, noch ein Verschulden voraussetzt (vgl. VK Nordbayern, Beschluss vom 27.09.2016 – 21.VK-3194-34/16).
Die Anforderungen an einen Ausschluss wegen Schlechtleistung sind zwar grundsätzlich hoch. Dennoch sollten Auftraggeber bei der Entscheidung darüber, ob und ggf. welche Sanktion gewählt wird, auch die Folgevergabe im Blick haben. Wer einfach abwartet, kann dadurch möglicherweise spätere Handlungsoptionen verspielen.
Die Autorin Dr. Valeska Pfarr, MLE, ist Rechtsanwältin bei Menold Bezler Rechtsanwälte, Stuttgart. Sie ist auf das Vergaberecht spezialisiert, ein Schwerpunkt liegt hierbei auf der Beratung der öffentlichen Hand.
Im Übrigen kommt es nicht nur darauf an, dass die Schlechtleistung stattgefunden hat (und hinreichend dokumentiert wurde) und die Kausalität zwischen Schlechtleistung und Folgen hinreichend klar dokumentiert wurden. Es braucht auch noch für den Ausschluss eine ordnungsgemäße Ermessensausübung und dafür eine Anhörung des Dienstleisters, gerade auch wegen der Selbstreinigung.
Im Nachprüfungsverfahren nachgeholt werden kann die Anhörung in der Regel nicht und damit entfällt auch die Möglichkeit, die Ermessenserwägungen nachzuschieben, wenn sie denn überhaupt vor dem Ausschluss vorgenommen wurden. Des Weiteren empfiehlt sich auch eine dokumentierte Prognoseentscheidung, weshalb aus den vorherigen Mängeln folgt, dass auch bei dem neuen Auftrag nicht mit einer vertragsgemäßen Leistungserbringung gerechnet werden kann.
Und bevor ein Auftraggeber auf die Idee kommt, ihm sei das Verfahren zu kompliziert (ja, ist es…), er schließt den Auftragnehmer lieber wegen mangelnder Eignung aus, weil der eben jenen Vorauftrag als Referenz eingereicht hat und die Referenz einer Überprüfung nicht stand hält: auch das ist schwierig. Es spricht einiges dafür, dass die Aberkennung der Referenz wegen mangelhafter Leistungen nur unter den Voraussetzungen von § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB möglich ist.