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VG Köln: Entscheidung über die Vergabe der 5G-Mobilfunkfrequenzen in 2019 ist rechtswidrig

Die Entscheidung der Präsidentenkammer der Bundesnetzagentur vom 26. November 2018 über die Vergabe- und Auktionsregeln für die im Jahr 2019 durchgeführte Versteigerung der für den 5G-Mobilfunk besonders geeigneten Frequenzen in den Bereichen 2 GHz und 3,6 GHz ist rechtswidrig. Dies hat das Verwaltungsgericht Köln durch Urteil vom 26. August 2024 entschieden und die Bundesnetzagentur zur Neubescheidung verpflichtet.

Für die Zuteilung der genannten Frequenzen ordnete die Präsidentenkammer der Bundesnetzagentur am 14. Mai 2018 ein Vergabeverfahren an und bestimmte, dieses als Versteigerungsverfahren durchzuführen (BK1-17/001, Teil I und II). Am 26. November 2018 erließ die Präsidentenkammer die im vorliegenden Verfahren angegriffene Entscheidung über die Vergabe- und Auktionsregeln (BK1-17/001, Teil III und IV). Die Versteigerung wurde im Jahr 2019 durchgeführt und erzielte Erlöse in Höhe von rund 6,6 Milliarden Euro.

Die Vergaberegeln in der Präsidentenkammerentscheidung vom 26. November 2018 umfassen unter anderem die Frequenznutzungsbestimmungen für die späteren Zuteilungsinhaber. Hierzu gehören z.B. konkrete Versorgungsverpflichtungen für Haushalte und Verkehrswege sowie eine sog. Diensteanbieterregelung. Durch diese werden die späteren Zuteilungsinhaber verpflichtet, mit Diensteanbietern ohne eigene Netzinfrastruktur über die Mitnutzung von Funkkapazitäten zu verhandeln.

Dieses Verhandlungsgebot halten die hier klagenden Diensteanbieterinnen für unzureichend. Sie beantragten bereits im Verfahren vor der Präsidentenkammer eine sog. Diensteanbieterverpflichtung. Diese Anträge verfolgten sie mit ihren im Dezember 2018 erhobenen Klagen weiter. Sie begründeten ihre Klagen mit schwerwiegenden Verfahrens- und Abwägungsfehlern der Präsidentenkammerentscheidung. Das Verfahren sei insbesondere durch das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) unter Leitung des damaligen Bundesministers Scheuer in rechtswidriger Weise beeinflusst worden. Dies ergebe sich aus den Verwaltungsvorgängen des BMVI, des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz sowie des Bundeskanzleramts, die die Klägerinnen nach erfolgreichen verwaltungsgerichtlichen Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Berlin auf Grundlage des Informationsfreiheitsgesetzes erhalten hatten.

Das Verwaltungsgericht Köln hatte die Klage der einen Diensteanbieterin mit Urteil vom 3. Juli 2019 zunächst als unzulässig abgewiesen (Az.: 9 K 8489/18). Mit Urteil vom 21. Oktober 2021 (Az.: 6 C 8.20) hob das Bundesverwaltungsgericht die Entscheidung teilweise auf und verwies sie insoweit an das Verwaltungsgericht Köln zurück. Hierzu führte das Bundesverwaltungsgericht aus, dass aufzuklären sei, ob mit Blick auf die Präsidentenkammer eine Besorgnis der Befangenheit bestanden habe, ob es zu einem Verstoß gegen die unionsrechtlich garantierte Unabhängigkeit der Bundesnetzagentur als nationaler Regulierungsbehörde gekommen sei und ob die Abwägung der Präsidentenkammer unter dem Gesichtspunkt einer faktischen Vorfestlegung fehlerhaft gewesen sei. Denn es bestünden Anhaltspunkte dafür, dass das BMVI in erheblichem Umfang versucht habe, insbesondere auf die Festlegung der Versorgungsverpflichtungen Einfluss zu nehmen. Hierzu bedürfe es weiterer Sachverhaltsaufklärung. Insbesondere sei aufzuklären, wie die Präsidentenkammer auf den politischen Druck reagiert habe.

In dem zurückverwiesenen Verfahren (neues Az.: 1 K 1281/22) sowie in dem noch anhängigen Verfahren der zweiten Diensteanbieterin (Az.: 1 K 8531/18) führte das Verwaltungsgericht Köln Anfang Juni 2024 eine Beweisaufnahme durch. Hierzu vernahm das Gericht die seinerzeitigen Mitglieder der Präsidentenkammer – den ehemaligen Präsidenten der Bundesnetzagentur Homann und die ehemaligen Vizepräsidenten Dr. Eschweiler und Franke – sowie den damaligen Leiter der Fachabteilung Dr. Hahn.

Mit dem gestern nach mündlicher Verhandlung verkündeten Urteil hat das Verwaltungsgericht Köln die Präsidentenkammerentscheidung vom 26. November 2018 aufgehoben und die Bundesnetzagentur verpflichtet, die Anträge der Klägerinnen auf Aufnahme einer Diensteanbieterverpflichtung neu zu bescheiden. Zur Begründung führte die Vorsitzende der 1. Kammer bei der Urteilsverkündung aus:

„Die Präsidentenkammerentscheidung ist formell rechtswidrig. Die konkrete Verfahrensgestaltung der Präsidentenkammer begründet gegenüber allen drei Mitgliedern die Besorgnis der Befangenheit. Hierfür ist nicht erforderlich, dass das Mitglied tatsächlich befangen war. Es reicht der ‚böse Schein‘. Dieser kann sich auch daraus ergeben, dass sich die Verfahrensgestaltung des Amtswalters so weit von den anerkannten rechtlichen Grundsätzen entfernt, dass für den davon betroffenen Beteiligten der Eindruck einer sachwidrigen, auf Voreingenommenheit beruhenden Benachteiligung entsteht.

Vorliegend ergibt sich die Besorgnis der Befangenheit zwar nicht schon aus der Teilnahme einzelner Mitglieder der Präsidentenkammer an Gipfelveranstaltungen und anderen Terminen im Zusammenhang mit der Behördenleitung (wie dem Mobilfunkgipfel am 12. Juli 2018). Das Gericht ist aber überzeugt, dass die Präsidentenkammer dem massiven Druck von Seiten des BMVI zumindest teilweise nachgegeben hat. Das BMVI versuchte während des gesamten Vergabeverfahrens im Jahr 2018 in erheblicher Weise, auf die Entscheidungen der Präsidentenkammer Einfluss zu nehmen, indem es sich für strengere Versorgungsverpflichtungen einsetzte. Parallel zum streitigen Verfahren fand am 12. Juli 2018 ein allein vom BMVI initiierter und vorbereiteter Mobilfunkgipfel statt, bei dem der Bund den bei der 5G-Frequenzversteigerung erfolgreichen Netzbetreibern im Fall verbindlicher Erschließungszusagen den Aufschub des Zahlungsbeginns und die Stundung der Zahlung der Auktionserlöse in Aussicht stellte.

Die Einflussnahme des BMVI auf das Verfahren zeigt sich in der Gesamtschau verschiedener Reaktionen der Präsidentenkammer, etwa zu Beginn des Verfahrens im Zurückziehen erster Erwägungen, oder in der terminlichen Gestaltung des Verfahrens wie der aus Rücksicht auf das BMVI erfolgten Verlegung der mündlichen Anhörung auf den Tag nach dem Mobilfunkgipfel. Darüber hinaus gab es nach der Veröffentlichung des Konsultationsentwurfs im September 2018 mehrere persönliche Treffen zwischen Mitgliedern der Präsidentenkammer und den damaligen Bundesministern Scheuer und Altmaier sowie dem seinerzeitigen Chef des Bundeskanzleramts Prof. Dr. Braun. Bei diesen Treffen wurde die Präsidentenkammer nachdrücklich zu Änderungen des Entwurfs aufgefordert, u.a. wurde ihr ein ,Fünf-Punkte-Plan‘ zur Sicherstellung der im Koalitionsvertrag der Großen Koalition enthaltenen Ziele im Bereich Mobilfunk übergeben. Zwar sind politische Stellungnahmen unschädlich, soweit Ministerien diskursive Beteiligungsrechte wahrnehmen, die ihnen in einem institutionalisierten Rahmen zukommen. Ein solcher Rahmen lag hier aber weder vor noch wurde er durch die Präsidentenkammer geschaffen. Die mangelnde Transparenz ließ für die am Vergabeverfahren beteiligten Kreise den Eindruck eines politischen und damit für die Frequenzversteigerung sachwidrigen ‚Nebenverfahrens‘ entstehen.

Aus denselben Gründen ist das Gericht überzeugt, dass es im Vergabeverfahren zu einem Verstoß gegen die unionsrechtlich garantierte Unabhängigkeit der Bundesnetzagentur als nationaler Regulierungsbehörde gekommen ist. Dies folgt nicht schon daraus, dass das BMVI die Unabhängigkeit der Bundesnetzagentur etwa nicht respektierte. Der Verstoß ergibt sich daraus, dass die Bundesnetzagentur ihre Unabhängigkeit nicht ausreichend aktiv geschützt hat, indem sie die ministeriellen Einflussnahmeversuche weder auf Ebene der Ministertreffen noch auf Facharbeitsebene unterbunden hat.

Nach alledem leidet die Präsidentenkammerentscheidung auch an einem materiellen Fehler im Abwägungsvorgang. Da die Forderungen des BMVI teilweise Eingang in die Vergaberegeln gefunden haben, kann die Annahme einer faktischen Vorfestlegung nicht ausgeschlossen werden. Es liegt vielmehr nahe, dass die Präsidentenkammer ihre Entscheidung ohne die massive Einflussnahme durch das BMVI im Einzelnen anders ausgestaltet hätte.“

Gegen die Entscheidung steht den Beteiligten die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision zu, über die – sofern das Verwaltungsgericht Köln der Beschwerde nicht abhelfen würde – das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig entscheiden würde.

Quelle: PM VG Köln, Aktenzeichen: 1 K 1281/22 (vormals 9 K 8489/18) und 1 K 8531/18

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