Bundeskanzler Olaf Scholz hat angekündigt, noch vor den Neuwahlen eine Regelung zur Entlastung der Kommunen von Altschulden auf den Weg zu bringen. Das kommt nicht bei allen gut an. Besonders aus der saarländischen CDU hagelt es Kritik. Sowohl der Städte- als auch der Landkreistag warnen derweil eindringlich vor den drohenden Folgen der dauerhaften Überlastung von kommunalen Haushalten, einige Landkreise sind als letzten Ausweg sogar bereits vor das Bundesverfassungsgericht gezogen.
Konzept in Auftrag gegeben
Bundeskanzler Olaf Scholz kündigte vergangene Woche an, dass die rot-grüne Regierung noch vor den geplanten Neuwahlen am 23. Februar einen neuen Vorstoß zur Regelung der kommunalen Altschulden unternehmen will. Er habe Finanzminister Kukies damit beauftragt, einen Vorschlag für die notwendige Änderung des Grundgesetzes vorzubereiten. Im Koalitionsvertrag der Ampel hatte man bereits festgehalten, dieses Thema anzugehen. „Das hat länger gedauert als geplant, aber wir starten nun einen neuen Versuch“, so der SPD-Politiker mit Blick auf den jüngsten Bruch der Koalition. Für das Vorhaben benötigt die rot-grüne Minderheitsregierung allerdings die Unterstützung der Union, um die erforderliche Verfassungsänderung noch umzusetzen.
CDU Saarland: Vorschlag von Scholz nur „Wahlkampfgetöse“
CDU-Fraktionschef im Saar-Landtag Stephan Toscani erklärt das Vorhaben von Scholz zu reinem „Wahlkampfgetöse“. Seiner Meinung nach seien noch zu viele Fragen offen. Die Union signalisiere zwar Gesprächsbereitschaft, jedoch erst in der kommenden Legislaturperiode. Saarlands Kommunen sind Deutschlandweit derzeit am höchsten verschuldet. Nach Angaben des Statistischen Bundesamts betrug die Pro-Kopf-Verschuldung der saarländischen Städte und Gemeinden im vergangenen Jahr über 6100 Euro – etwa 2000 Euro mehr als der bundesweite Durchschnitt. Trotz der fast 800 Millionen Euro Landeshilfen aus dem Saarlandpakt stiegen die Schulden der Kommunen weiter an und erreichten mittlerweile insgesamt 6,1 Milliarden Euro.
Kommunen deutschlandweit finanziell angeschlagen
Die finanzielle Belastung der Kreise und kreisfreien Städte hat sich laut Deutschem Landkreistag durch die Entscheidung des Bundes, die Unterkunftskosten für Geflüchtete im Bürgergeld nur noch teilweise zu übernehmen, deutlich erhöht. Die zusätzliche Belastung wird auf etwa sieben Milliarden Euro geschätzt. Achim Brötel, Landrat des Neckar-Odenwald-Kreises und Präsident des Landkreistages, äußerte scharfe Kritik und sieht die Kreise als „Ausfallbürgen“ für die finanziellen Folgen bundespolitischer Entscheidungen.
Einige Landkreise ziehen vor das Bundesverfassungsgericht
Weil in den vergangenen Jahren durch Krisen wie Corona, Migration und die Energiekrise immer neue Aufgaben auf die Kommunen übertragen wurden, ohne dass die finanziellen Mittel entsprechend erhöht wurden, sehen sich die Kreise Mansfeld-Südharz und der Salzlandkreis aus Sachsen-Anhalt nun gezwungen, vor das Bundesverfassungsgericht zu ziehen. André Schröder, Landrat von Mansfeld-Südharz, berichtete von einem Defizit von 42 Millionen Euro. Der Landkreis gelte als offiziell handlungsunfähig. Das Bundesverfassungsgericht soll nun klären, ob aus dem Grundgesetz eine Mindestfinanzierung für die Kommunen abgeleitet werden kann, um sicherzustellen, dass diese ihre Aufgaben angemessen erfüllen können. Es geht dabei nicht nur um die Pflichtaufgaben, sondern auch um die freiwilligen Leistungen, die für das gesellschaftliche Leben essenziell sind.
Städtetags-Hauptgeschäftsführer Helmut Dedy hat die kommunale Finanzlage gegenüber dem Tagesspiegel als dramatisch bezeichnet.
In diesem Jahr wird das Defizit der kommunalen Haushalte bei mindestens 13,2 Milliarden Euro liegen, mehr als doppelt so viel wie noch im letzten Jahr. Die Zeit der ausgeglichenen kommunalen Haushalte gehört auf Jahre hinaus der Vergangenheit an. Das ist kein selbstverschuldetes Problem der Städte, sondern ein strukturelles Defizit. Gerade die Sozialausgaben laufen uns davon. Und Bund und Länder weisen uns immer mehr Aufgaben zu, die nicht vernünftig ausfinanziert sind. Für diese Situation gibt es nicht das eine Allheilmittel. Da müssen viele große Räder gedreht werden. Die Städte brauchen zum Beispiel endlich einen höheren Anteil an den Gemeinschaftssteuern. Für Kommunen, die unter besonders hohen Altschulden leiden, ist die lange angekündigte Altschuldenlösung mit Hilfe des Bundes ein weiterer ganz wichtiger Baustein. Vor allem Kommunen in Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und dem Saarland sind in besonderer Weise betroffen. Sie kommen aus eigener Kraft nicht aus der Altschulden-Spirale heraus. Schon kleine Zinssteigerungen können dort den Haushalt ins Wanken bringen. Die betroffenen Städte brauchen wieder Luft zum Atmen. Sie müssen in die Zukunft investieren können, statt Jahr um Jahr nur Altschulden zu bedienen.
Die Ankündigung des Kanzlers, einen Gesetzentwurf zur Altschuldenhilfe des Bundes noch vor den Neuwahlen in den Bundestag zu bringen, begrüßt er. Es sei ein gutes Signal – für die nötige Zwei-Drittel-Mehrheit in Bundestag und Bundesrat müssen dann möglichst alle demokratischen Parteien mitziehen, so Dedy.
Quellen: Tagesschau, Deutscher Städtetag, Deutscher Landkreistag, Saarländischer Rundfunk
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