SPD und CDU/CSU haben am Mittwochnachmittag ihren gemeinsamen Koalitionsvertrag vorgestellt. Die Redaktion des Vergabeblogs hat die Abschnitte mit Relevanz für Vergaberecht und öffentliche Beschaffung genauer betrachtet. Die neue Koalition plant eine Vielzahl von Maßnahmen – im Fokus stehen schnellere Verfahren, weniger Bürokratie und eine strategischere Ausrichtung der öffentlichen Beschaffung. Ein Überblick.
Zur Umsetzung der Investitionen aus dem zeitlich befristeten Sondervermögen „Infrastruktur Bund/Länder/Kommunen“ sollen die bestehenden Möglichkeiten zur Beschleunigung von Planung, Genehmigung, Beschaffung und Vergabe ausgeschöpft werden. Ziel ist eine schnellere Umsetzung wichtiger Infrastrukturvorhaben. Vorgesehen ist die Einführung eines Infrastruktur-Zukunftsgesetzes, das entsprechende Maßnahmen regeln soll. Die Vorhaben sollen rechtlich priorisiert und mit einem überragenden öffentlichen Interesse versehen werden.
Als Vorbild sollen unter anderem die Regelungen des Beschleunigungsgesetzes dienen. Auch auf europäischer Ebene sind Sonderregelungen – orientiert an der Notfallverordnung für den Ausbau erneuerbarer Energien – vorgesehen. Darüber hinaus wird geprüft, ob auch größere Infrastrukturprojekte außerhalb des Sondervermögens mit dem Status des überragenden öffentlichen Interesses ausgestattet werden können. Ziel der künftigen Bundesregierung ist außerdem, dass öffentliche Aufträge im Rahmen der finanziellen Zusammenarbeit überwiegend an Unternehmen aus Deutschland und der EU vergeben werden.
Vereinfachung des Vergaberechts und strategisches Beschaffungsmanagement
Das Vergaberecht soll sowohl auf nationaler als auch auf europäischer Ebene vereinfacht, beschleunigt und digitalisiert werden. Die künftige Bundesregierung bekräftigt zudem den Grundsatz der mittelstandsfreundlichen Vergabe. Das Vergaberecht soll dabei wieder stärker auf das Ziel einer wirtschaftlichen, diskriminierungs- und korruptionsfreien Beschaffung ausgerichtet werden.
Vorgesehen sind unter anderem:
- Anhebung der Wertgrenzen: Auf Bundesebene soll die Wertgrenze für Direktaufträge bei Liefer- und Dienstleistungen auf 50.000 Euro steigen, für Start-ups mit innovativen Leistungen in den ersten vier Jahren nach Gründung auf 100.000 Euro.
- Sektorale Ausnahmen vom Vergaberecht, etwa in Fragen der nationalen Sicherheit oder für Leitmärkte für emissionsarme Produkte, insbesondere in der Grundstoffindustrie. Für die Deutsche Bahn ist ein Pionierfeld vorgesehen.
- Europäische Ebene: Dort setzten sich die beiden Parteien für eine maßvolle Erhöhung der Schwellenwerte und eine getrennte Betrachtung von Planungsleistungen ein.
Zur Stärkung der öffentlichen Beschaffung ist ein strategisches Beschaffungsmanagement vorgesehen. Öffentliche Auftraggeber sollen verstärkt auf Rahmenverträge anderer Dienststellen sowie auf zentrale Einkaufsplattformen zurückgreifen können. Die Bestellplattform des Bundes („Kaufhaus des Bundes“) soll zu einem digitalen Marktplatz für Bund, Länder und Kommunen ausgebaut, bestehende Vergabeplattformen sollen konsolidiert werden. Der IT-Einkauf des Bundes wird künftig zentral gesteuert. Ziel ist es auch, die Abhängigkeit von monopolartigen Anbietern zu verringern. Für Unternehmen soll der Eignungsnachweis künftig möglichst digital und bürokratiearm erfolgen – zum Beispiel durch geprüfte Systeme oder Eigenerklärungen.
Bundestariftreuegesetz soll kommen
Im Rahmen öffentlicher Vergaben soll die Tarifbindung gestärkt werden. In diesem Zusammenhang ist die Einführung des Bundestariftreuegesetzes auch weiterhin vorgesehen. Dieses soll für Aufträge auf Bundesebene ab 50.000 Euro gelten; für Start-ups mit innovativen Leistungen greift es ab 100.000 Euro. Für Mittelständische Unternehmen sollen Bürokratie, Nachweispflichten und Kontrollen sollen dabei auf ein Minimum reduziert werden.
Digitalisierung und Bürokratieabbau
Im Rahmen der Registermodernisierung sollen Daten nur noch einmal an staatliche Stellen übermittelt werden müssen („Once-Only“-Prinzip). Ein grundsätzliches Doppelerhebungsverbot sowie Verpflichtungen zum Datenaustausch innerhalb der Verwaltung sollen eingeführt werden. Verwaltungsregister sollen vernetzt und auf souveränen Cloudplattformen zentral vorgehalten werden. Leistungen wie Personal, IT, Datenschutz, Vergabe, Beschaffung, Compliance und Kommunikation sollen in gebündelten Service-Einheiten organisiert werden. Damit sollen Doppelstrukturen vermieden und standardisierbare Aufgaben effizienter bearbeitet werden. Auch der IT-Einkauf wird in diesen Ansatz eingebunden.
Militärische Beschaffung und Infrastruktur
Die Koalition plant, die Verteidigungsausgaben deutlich zu erhöhen und Beschaffungs- sowie Bauvorhaben der Bundeswehr zu beschleunigen. Dazu soll ein Planungs- und Beschaffungsbeschleunigungsgesetz für die Bundeswehr vorgelegt werden. Ziel ist es, langfristige Planungssicherheit zu schaffen und Vorhaben schneller umzusetzen.
Für militärische Infrastrukturprojekte ist ein neues Bundeswehrinfrastrukturbeschleunigungsgesetz angekündigt. Es sieht unter anderem Ausnahmen im Bau-, Umwelt- und Vergaberecht sowie beim Flächenschutz vor. Zudem sollen Eigenvollzugsrechte für die Bundeswehr erweitert, haushaltsrechtliche Vereinfachungen geprüft und Bedarfsdefinitionen vereinfacht werden. Die Belange der Gesamtverteidigung und militärischen Infrastrukturmaßnahmen sollen künftig als überragendes öffentliches Interesse gelten und entsprechend priorisiert behandelt werden.
Die nächsten Schritte
Bei der SPD hat der Mitgliederentscheid begonnen: Alle 357.117 Parteimitglieder werden per Post zur Abstimmung über den Koalitionsvertrag aufgerufen – wahlweise schriftlich oder digital. Für das Votum ist ein Zeitraum von zehn Tagen vorgesehen, das Ergebnis soll am 30. April vorliegen. Die CDU entscheidet am 28. April über das Verhandlungsergebnis – auf einem sogenannten „Kleinen Parteitag“. Die Wahl des künftigen Bundeskanzlers ist laut Aussagen des CDU-Parteivorsitzenden Friedrich Merz in der Woche ab dem 5. Mai vorgesehen. In den darauffolgenden Wochen und Monaten dürfte sich zeigen, wie schnell erste Gesetzesvorhaben auf den Weg gebracht werden.
Quelle: Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD, Tagesschau – Liveblog zur Regierungsbildung
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