Rahmenvereinbarungen sind für öffentliche Auftraggeber ein nützliches Instrument, um bei regelmäßig wiederkehrenden oder nicht konkret planbaren Beschaffungen effizient und flexibel reagieren zu können, ohne für jeden einzelnen Bedarf ein neues Vergabeverfahren durchführen zu müssen. Rahmenvereinbarungen dürfen jedoch nicht dazu dienen, vergabefremde Zwecke zu verfolgen, etwa um Unsicherheiten hinsichtlich der Bereitstellung von Haushaltsmitteln abzufedern. Das OLG Düsseldorf hat entschieden, dass die Ausschreibung einer Rahmenvereinbarung vergaberechtswidrig ist, wenn deren optionale Mengen nicht finanziell gesichert sind und den Bietern diese Unsicherheit nicht transparent bekanntgegeben wurde.
Sachverhalt
Mit EU-Bekanntmachung vom 10. Oktober 2023 schrieb die Antragsgegnerin eine Rahmenvereinbarung zur Lieferung von bis zu sechs Kontroll- und Streifenbooten mit sieben Tochterbooten aus. Verbindlich bestellt werden sollten dabei lediglich zwei Kontroll- und Streifenboote nebst Tochterbooten; vier weitere Boote sollten optional abgerufen werden können.
Bereits frühzeitig äußerte die Antragstellerin in mehreren Bieterfragen ihre Bedenken gegenüber der Antragsgegnerin. Sie wies insbesondere darauf hin, dass die vorgegebenen Festpreise angesichts der unbestimmten Laufzeit erhebliche und ungewöhnliche Kalkulationsrisiken zur Folge hätten. Dennoch beteiligte sich die Antragstellerin mit einem fristgerechten Angebot am Verfahren, schränkte jedoch in einem Begleitschreiben die geforderte Festpreisbindung für die optionalen Boote deutlich ein und gewährte statt der vorgesehenen zweijährigen Preisbindung nur eine Preisbindung bis April 2024.
Die Antragsgegnerin schloss daraufhin das Angebot wegen einer unzulässigen Änderung der Vergabeunterlagen gemäß § 57 Abs. 1 Nr. 4 VgV vom Verfahren aus und teilte mit, den Zuschlag an die Beigeladenen erteilen zu wollen. Im sich daran anschließenden Nachprüfungsverfahren vor der VK Bund räumte die Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung ein, dass zum Zeitpunkt der Ausschreibung die Finanzierung nur für die Mindestabnahmemenge gesichert war, dies jedoch nicht für die optionalen Leistungen gelte.
Die Vergabekammer wies den Nachprüfungsantrag im Wesentlichen mit der Begründung zurück, dass die Antragstellerin mit ihren Einwänden präkludiert sei. Auf den Aspekt der fehlenden Haushaltsmittel ging die Vergabekammer hingegen nicht näher ein. Gegen die Entscheidung der Vergabekammer richtete sich die Antragstellerin mit ihrer sofortigen Beschwerde zum OLG Düsseldorf.
Die Entscheidung
Mit Erfolg! Das OLG Düsseldorf gab der Beschwerde teilweise statt. Es entschied, dass ein öffentlicher Auftraggeber eine Rahmenvereinbarung missbräuchlich nutzt, wenn er eine Beauftragung über die vereinbarte Mindestabnahmemenge hinaus ausschreibt, obwohl die Finanzierung der optionalen Mengen nicht gesichert und deren Beauftragung somit ungewiss ist – in diesen Fällen fehle es an der für eine Ausschreibung erforderlichen Vergabereife. Im Übrigen ging das OLG Düsseldorf, wie schon die Vergabekammer davon aus, dass der Antragsteller präkludiert ist und insbesondere dessen Bieterfragen teilweise bereits als Rügen anzusehen sind.
In seiner Entscheidung stellte der Vergabesenat fest, dass bei Rahmenvereinbarungen zwar nicht zwingend die Finanzierung sämtlicher optional abrufbarer Mengen abschließend gesichert sein müsse; dennoch dürfe nicht völlig ungewiss sein, ob die erforderlichen Mittel zukünftig zur Verfügung stehen werden. Zumindest müsse eine auf objektive Anhaltspunkte gestützte Erwartung des öffentlichen Auftraggebers bestehen, dass auch für die optionalen Leistungen entsprechende Haushaltsmittel bereitgestellt werden. Diese Erwartung sei etwa bei Rahmenvereinbarungen über regelmäßig benötigte Güter (z. B. Büromaterial) gerechtfertigt. Bei speziellen, nicht regelmäßig wiederkehrenden Beschaffungen – wie vorliegend bei den Kontrollbooten – könne hingegen nicht ohne Weiteres von einer zukünftigen Mittelbereitstellung ausgegangen werden.
Da der Auftraggeberin jedoch bewusst gewesen sei, dass die Bereitstellung der Haushaltsmittel für die optionalen Mengen haushalterisch nicht gesichert ist, hätte dieser Umstand nach Auffassung des OLG Düsseldorf den Bietern gegenüber zwingend transparent bekanntgemacht werden müssen. Die unterlassene Information führe dazu, dass die Bieter nicht in der Lage gewesen seien, eine kaufmännisch vernünftige Kalkulation ihrer Angebote vorzunehmen.
Das OLG Düsseldorf untersagte deshalb die Zuschlagserteilung und verpflichtete die Auftraggeberin, bei fortbestehender Beschaffungsabsicht das Vergabeverfahren in den Stand vor der Auftragsbekanntmachung zurückzuversetzen.
Rechtliche Würdigung
Die Entscheidung des OLG Düsseldorf überzeugt. Nach § 21 Abs. 1 S. 3 VgV darf eine Rahmenvereinbarung nicht missbräuchlich oder in einer Weise angewendet werden, die den Wettbewerb behindert, einschränkt oder verfälscht. Zwar ist es vergaberechtlich grundsätzlich zulässig, Rahmenvereinbarungen mit Mindestabnahmen und optionalen Mengen auszuschreiben. Entscheidend ist jedoch, dass Auftraggeber für optionale Leistungen zumindest eine realistische Finanzplanung haben müssen oder aber die mangelnde Planungssicherheit transparent gegenüber dem Markt kommunizieren. Der Abruf von optionalen Leistungen darf nicht allein von zukünftigen, völlig ungesicherten Haushaltsentscheidungen abhängen. Nach Auffassung des OLG Düsseldorf muss die Finanzierbarkeit daher entweder durch eine entsprechende Verpflichtungsermächtigung gesichert sein oder bestehende Unsicherheiten den Bietern gegenüber transparent offengelegt werden. Unterbleibt dies, führt das zu einer wettbewerbsverzerrenden Situation, in der letztlich seriös kalkulierende Unternehmen gegenüber risikofreudigeren Mitbewerbern benachteiligt werden.
Praxistipp
Öffentliche Auftraggeber sind gehalten vor der Ausschreibung einer Rahmenvereinbarung sicherstellen, dass auch hinsichtlich der optional abrufbaren Mengen realistischerweise von der Bereitstellung entsprechender Haushaltsmittel ausgegangen werden kann und diese nicht völlig ungewiss ist. Eine Ausschreibung darf nicht dazu dienen, bestehende Unsicherheiten hinsichtlich der zukünftigen Haushaltslage auf Bieter abzuwälzen. Bestehen jedoch Unsicherheiten hinsichtlich der Finanzierung optionaler Mengen – etwa weil Haushaltsmittel nicht zugewiesen wurden, eine Verpflichtungsermächtigung fehlt und auch sonst keine hinreichend gesicherte Erwartung besteht, dass die Mittel bereitgestellt werden –, ist es aus vergaberechtlicher Sicht geboten, diesen Umstand den Bietern gegenüber transparent mitteilen. Dies kann durch entsprechende Hinweise und Klarstellungen in den Vergabeunterlagen oder der Auftragsbekanntmachung erfolgen.
Eine ausreichende Transparenz kann beispielsweise dadurch hergestellt werden, dass der öffentliche Auftraggeber klar zwischen finanziell gesicherten und nicht gesicherten Leistungsanteilen differenziert. So kann etwa ausdrücklich darauf hingewiesen werden, dass eine haushaltsrechtliche Absicherung beispielsweise nur für bestimmte Leistungsteile oder nur bis zur Höhe der Schätzmenge vorliegt, während die Finanzierung anderer Leistungsteile bzw. darüber hinausgehender Mengen (bis zum Erreichen der Höchstmenge) gegenwärtig nicht gesichert ist. Denkbar ist auch, in den Vergabeunterlagen oder in der Bekanntmachung konkrete Beträge zu benennen, die in den jeweiligen Haushaltsjahren bereits eingestellt sind. Eine solche Klarstellung stellt die vom OLG Düsseldorf geforderte Transparenz her und trägt dazu bei, Kalkulationsunsicherheiten auf Seiten der Bieter zu reduzieren.

Sven Reinecke
Sven Reinecke ist Rechtsanwalt und berät im Vergabe-, Beihilfe- und Fördermittelrecht. Ein Schwerpunkt seiner Tätigkeit liegt auf der Unterstützung von Auftraggebern und Unternehmen in vergaberechtlichen Streitigkeiten sowie der Gestaltung und Umsetzung komplexer Beschaffungsvorhaben. Zudem berät er zur Vertragsgestaltung und zu rechtlichen Fragestellungen im Zusammenhang mit der Durchführung und Einhaltung laufender Verträge.
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