Das Urteil des Gerichts, mit dem die Klage von OHB System gegen die Vergabe des Auftrags für Übergangssatelliten abgewiesen wurde, wird aufgehoben. Der Gerichtshof verweist die Sache zur erneuten Entscheidung an das Gericht zurück.
Im Mai 2018 leitete die Europäische Weltraumorganisation (ESA) ein Vergabeverfahren für die Beschaffung von Übergangssatelliten im Rahmen des Galileo-Programms ein. In diesem Verfahren handelte die Europäische Kommission als öffentlicher Auftraggeber.
Unter den bei ihr eingegangenen Teilnahmeanträgen wählte die ESA drei Unternehmen – OHB System (OHB), Airbus Defence and Space (ADS) und Thales Alenia Space Italia (TASI) – aus, die zur Abgabe von Angeboten aufgefordert wurden.
Am Ende des Vergabeverfahrens beschloss die Kommission zum einen, den Auftrag an TASI und ADS zu vergeben, und zum anderen, dem Angebot von OHB mit der Begründung den Zuschlag zu verweigern, dass es nicht das wirtschaftlich günstigste Angebot sei.
OHB focht diese Beschlüsse vor dem Gericht der Europäischen Union an. Im Laufe des Vergabeverfahrens hatte OHB der Kommission mitgeteilt, dass sein ehemaliger Chief Operating Officer (Manager für das operative Geschäft), der seinerzeit weitreichenden Zugang zu den Projektdaten des Angebots von OHB gehabt habe, zwischenzeitlich zu ADS gewechselt sei, wo er an die Spitze der für das Angebot von ADS zuständigen Abteilung gesetzt worden sei. Somit hätten die sensiblen Informationen, die der ehemalige Mitarbeiter von OHB erhalten habe, ADS im fraglichen Verfahren einen unzulässigen Vorteil verschafft.
Die Kommission war jedoch der Auffassung, dass es keinen ausreichenden Grund dafür gegeben habe, ADS auszuschließen.
Das Gericht (EuG; T-54/21) wies die insoweit vorgebrachten Einwände zurück und wies die Klage von OHB auf Nichtigerklärung der genannten Beschlüsse der Kommission ab.
Auf ein Rechtsmittel hin hebt der Gerichtshof das Urteil des Gerichts auf und verweist die Sache an dieses zurück.
Er weist darauf hin, dass für Verträge, die ganz oder teilweise aus dem Unionshaushalt finanziert werden, u. a. der Grundsatz der Gleichbehandlung gilt und dass solche Verträge auf der Grundlage eines möglichst breiten Wettbewerbs vergeben werden müssen. Dieser Grundsatz gebietet, dass alle Bieter bei der Abfassung ihrer Angebote die gleichen Chancen haben und dass die Angebote den gleichen Bedingungen unterworfen sind.
Der öffentliche Auftraggeber muss in jedem Abschnitt des Verfahrens für die Einhaltung des Grundsatzes der Gleichbehandlung sorgen. Dies bedeutet, dass er prüfen muss, ob Interessenkonflikte bestehen, und geeignete Maßnahmen zu ergreifen hat, um Interessenkonflikte zu verhindern, aufzudecken und zu beheben.
Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die durch die Einstellung des ehemaligen leitenden Mitarbeiters des Mitbewerbers gewonnenen Informationen dem Bieter, der die Einstellung vorgenommen hat, einen ungerechtfertigten Vorteil verschafft haben. In Anbetracht von Zweifeln an der Eigenständigkeit und Unabhängigkeit des betreffenden Angebots hätte die Kommission daher alle relevanten Umstände prüfen müssen, die zur Einreichung dieses Angebots geführt haben.
Eine solche Prüfung muss nicht nur bei Vorliegen unmittelbarer Beweise für einen Verstoß gegen das Vergaberecht eingeleitet werden, sondern auch auf der Grundlage objektiver und übereinstimmender Indizien.
Nach Auffassung des Gerichtshofs hat das Gericht im vorliegenden Fall einen Rechtsfehler begangen, indem es nicht geprüft hat, ob die Kommission den Grundsatz der Gleichbehandlung beachtet hat. Da das Gericht diese Prüfung vorzunehmen hat, wird die Sache an dieses zurückverwiesen.
Quelle: Europäischer Gerichtshof
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