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Zitierangaben: Vergabeblog.de vom 04/08/2025 Nr. 71601

Für welche Jahre müssen Umsatzangaben gemacht werden?

VK Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 16.01.2025 – 2 VK LSA 14/24

EntscheidungDie Anforderungen an den geforderten Mindestumsatz im Rahmen der Eignungsprüfung müssen so eindeutig formuliert sein, dass keine unterschiedlichen Interpretationen möglich sind. Ein Angebotsausschluss kommt nicht in Betracht, wenn die Eignungsanforderung mehrere Interpretationsmöglichkeiten eröffnet.

Sachverhalt

Im vorliegenden Fall hatte ein öffentlicher Auftraggeber im Februar 2024 im Rahmen eines Vergabeverfahrens für Hybridpostleistungen unter Verwendung des Formblattes 124 die Angabe des „Umsatzes in den letzten drei abgeschlossenen Geschäftsjahren“ gefordert. Der Bieter gab im Formblatt die Umsatzzahlen für die Jahre 2020, 2021 und 2022 an. Der Auftraggeber schloss das Angebot des Bieters aus, da er aus seiner Sicht in der Bekanntmachung Umsatzzahlen für die Jahre 2021, 2022 und 2023 gefordert hatte. Raum für die Nachforderung der Angabe des Umsatzes für das Jahr 2023 sah der Auftraggeber nicht.

Hiergegen wendete sich der Bieter mit einem Nachprüfungsantrag. Er ist der Meinung, dass aus der Formulierung „abgeschlossene Geschäftsjahre“ klar hervorgehe, dass damit nur solche Geschäftsjahre gemeint sind, welche handelsrechtlich bereits abgeschlossen sind, für die also ein Jahresabschluss vorliege. Dies sei bei ihr für das Jahr 2023 noch nicht erfolgt, was sie durch eine Bestätigung ihrer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft nachwies. Der Auftraggeber meinte, dass daraus, dass er zum Nachweis des Umsatzes nicht auf geprüfte oder testierte Jahresabschlüsse verwies, sondern vielmehr eine Eigenerklärung abforderte, klar zu erkennen sei, dass der Begriff des Geschäftsjahres nicht im handelsrechtlichen Sinne zu verstehen sei.

Entscheidung der Vergabekammer

Die Vergabekammer Sachsen-Anhalt gab dem Nachprüfungsantrag statt. Sie stellte fest, dass die Umsatzanforderung in Bekanntmachung und Vergabeunterlagen nicht hinreichend bestimmt war. Es war insbesondere nicht klar, auf welchen Zeitraum sich der Umsatz bezieht (Geschäftsjahr oder Kalenderjahr). Die Vergabekammer hebt hervor, dass das für Bauwesen des Bundes zuständige Ministerium im Erlass vom 26.02.2020 (Az. 70421/2#1) ebenso verstanden hat wie der Bieter. Ein mit dem zuständigen Ministerium gleichlautendes Verständnis kann dem Bieter nicht angelastet werden.

Mit den Ausschlussgründen des § 57 Abs. 1 Nr. 2 VgV (Fehlen geforderter Erklärungen) sowie Nr. 4 (Änderungen an den Vergabeunterlagen) korrespondiert die Verpflichtung des Auftraggebers die Vergabeunterlagen so eindeutig zu gestalten, dass die Bieter deutlich und sicher entnehmen können, welche Erklärungen sie abzugeben haben. Sind die Unterlagen diesbezüglich nicht eindeutig, muss der Auftraggeber dem Bieter die Gelegenheit geben, seine Angaben zu präzisieren. Im konkreten Fall hat die Vergabekammer dem Auftraggeber aufgegeben, im Rahmen der erneuten Prüfung und Wertung der Angebote die Umsatzzahlen des Bieters für das Jahr 2023 nachzufordern.

Praxistipp – Wie sollte eine Umsatzanforderung formuliert werden?

Um Rechtsunsicherheiten und Nachprüfungsverfahren zu vermeiden, sollten Auftraggeber bei der Formulierung von Umsatzanforderungen insbesondere darauf achten, den Zeitraum klar zu benennen. Dies ist etwa beim Begriff Kalenderjahr gewährleistet. Außerdem sollte, sofern hierfür Angaben verlangt werden, der konkrete Leistungsbereich angegeben werden, für den der Umsatz anzugeben ist. Die Art des Umsatzes ist ebenfalls anzugeben, etwa indem gefordert wird, dass der Nettoumsatz (ohne Umsatzsteuer) nachzuweisen ist. Auch die Nachweisform sollte konkretisiert werden, im Regelfall dahingehend, dass eine Eigenerklärung wie beim Formblatt 124 ausreichend ist oder durch die Vorgabe, dass der Nachweis durch einen testierten Jahresabschluss oder eine Bestätigung eines Wirtschaftsprüfers zu erbringen ist. Letzteres ist etwa in § 45 Abs. 4 Nr. 3 VgV als Eignungsnachweis vorgesehen. Schließlich dürfen keine überzogenen Anforderungen gestellt werden; die Höhe des geforderten Umsatzes muss im angemessenen Verhältnis zum Auftragsvolumen stehen (§ 122 Abs. 4 GWB). Hierfür stellt § 45 Abs. 2 Satz 1 VgV das Zweifache des geschätzten Auftragswertes als Regelgrenze auf (s. hierzu Geitel: Mindestjahresumsatz als Eignungsanforderung: Wie zu berechnen und wie zu begründen? (OLG Jena, Beschl. v. 02.08.2017 – 2 Verg 2/17), Vergabeblog.de vom 30/11/2017 Nr. 34519).

Fazit

Die Entscheidung der VK Sachsen-Anhalt unterstreicht die Bedeutung klarer und eindeutiger Eignungsanforderungen im Vergabeverfahren. Soll die Bieterangaben zu einem (Mindest-) Umsatz machen, ist auf eine präzise und nachvollziehbare Formulierung zu achten, um unterschiedliche Interpretationen und damit verbundene Rechtsunsicherheiten zu vermeiden. Auftraggeber sollten die Umsatzanforderung stets so gestalten, dass alle Bieter die Kriterien gleich verstehen und erfüllen können. Wie der Fall anschaulich zeigt, bietet die Verwendung von Formblättern keine Gewähr dafür, dass diese Anforderungen eingehalten werden.

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Dr. Oskar Maria Geitel

Dr. Oskar Maria Geitel ist Partner, Fachanwalt für Vergaberecht sowie Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht und Rechtanwalt bei Kapellmann und Partner Rechtsanwälte mbB in Berlin. Er berät öffentliche Auftraggeber bei der Vorbereitung, Konzeption und Gestaltung sowie der anschließenden Durchführung von Vergabeverfahren. Einen weiteren Schwerpunkt seiner Tätigkeit stellt die rechtliche Begleitung von Bauvorhaben bezüglich aller Fragen des Baurechts dar, welche sich unmittelbar an die Begleitung des Vergabeverfahrens anschließt. Herr Geitel ist Kommentarautor, Lehrbeauftragter für Vergaberecht und Dozent bei diversen Bildungseinrichtungen.

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