Der Vergabesenat beim OLG Celle hat mit Beschluss vom 19.09.2025 wichtige Hinweise zur Prüfung und Bewertung von Angeboten von Konzernunternehmen der Deutsche Post AG gegeben, soweit deren Entgelte unter Hinweis auf § 4 Nr. 11b. UStG ohne Umsatzsteuer angeboten sind. Nach Erledigungserklärungen der Beteiligten hält der Vergabesenat mit Kostenbeschluss vom 09.10.2025 an seiner Auffassung fest und vertieft seine Ausführungen zur Rechtslage.
Sachverhalt
Ein öffentlicher Auftraggeber schreibt einen Vertrag über Briefdienstleistungen von der Abholung bis zur Zustellung EU-weit aus.
Eine Tochtergesellschaft der Deutsche Post AG erläutert in ihrem Angebot, dass sie als Teil der Deutsche Post AG näher bezeichnete Teilleistungen umsatzsteuerfrei erbringen dürfe (§ 4 Nr. 11b. i.V.m. § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG). Alle Sendungen würden bei ihrer Beauftragung durch die Deutsche Post AG zugestellt. Diese Bieterin bietet Preisbestandteile „für die Standardleistungen ‚Teilleistungen‘ der Deutsche Post AG“ mit einem Umsatzsteuersatz von 0 % und die Preisbestanteile für die anderen Dienstleistungen mit einem Umsatzsteuersatz von 19 % an. Nur die postvorbereitenden Leistungen wie Abholung, Sortierung und ggf. Frankierung unterliegen nach ihrer Ansicht der Umsatzsteuer. Aus diesen Bestandteilen berechnet die Bieterin „Stückpreise in €“ mit jeweils unterschiedlichen Prozentsätzen für die „effektive Umsatzsteuer“.
Ein anderer Bieter fügt seinem Angebot die Umsatzsteuer in Höhe von 19% ohne Einschränkungen hinzu. Sein angebotener Bruttopreis ist höher als der Bruttopreis des Deutsche Post-Unternehmens.
Die Auftraggeberin ist nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt. Sie möchte den Zuschlag auf das Angebot der Deutsche Post-Tochtergesellschaft erteilen. Hiergegen richtet sich der andere Bieter mit seinem Nachprüfungsantrag.
Die Entscheidung
Der Vergabesenat weist darauf hin, dass der Vergabestelle zu untersagen wäre, den Zuschlag auf das teils ohne Umsatzsteuer gelegte Angebot zu erteilen. Der Senat moniert, dass die Vergabestelle entgegen § 56 VgV nicht geprüft hatte, ob das Deutsche Post-Unternehmen den ausgewiesenen Umsatzsteuerbetrag zutreffend ermittelt hatte. Laut Senat dürfte in Folge einer solchen Prüfung das Angebot auszuschließen sein, weil die gesetzlichen Voraussetzungen für eine teilweise Umsatzsteuerfreiheit nicht vorliegen dürften:
a) Zur Frage, ob es sich bei den vom Deutsche Post-Unternehmen getrennt bepreisten Leistungen umsatzsteuerrechtlich jeweils um eine eigenständige Leistung im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG handelt, führt der Senat aus: Aus der maßgeblichen Kundensicht komme es allein auf die Ende-zu-Ende-Briefbeförderung an. Das Tochterunternehmen biete seine Leistungsbestandteile hier nicht separat an. Der Senat geht daher von einer einheitlichen Leistung im Sinne des Umsatzsteuerrechts aus.
b) Der Senat tritt einer jüngst von der Vergabekammer des Bundes vertretenen Auffassung (vgl. VK Bund, Beschl. v. 16.06.2025, VK2 – 39/25 – nicht bestandskräftig) entgegen und fordert, dass der Auftraggeber auch den Ausschlusstatbestand des § 4 Nr. 11b. Satz 3 UStG prüft. Demnach entfällt die Umsatzsteuerfreiheit, wenn die Universaldienstleistungen zu günstigeren als den genehmigten Entgelten angeboten werden, oder zu von den AGB der Deutsche Post AG abweichenden Qualitätsbedingungen. Beides bejaht der Senat hier:
Die Auftraggeberin erreiche schon nicht die Mindestmengen, die laut Entgeltgenehmigung der Bundesnetzagentur für eine Rabattgewährung durch die Deutsche Post AG erforderlich sind. Insoweit gelte nichts anderes, als wenn die Deutsche Post AG selbst anbiete; auch dort käme es nur darauf an, welche Sendungsmengen der Kunde – ungeachtet etwaiger Mengenzusammenführungen zwischen den Deutsche Post-Unternehmen – befördern lässt.
Zudem führt der Senat aus, dass die vom Auftraggeber vorgegebenen Vertragsbedingungen nicht identisch mit den AGB der Deutsche Post AG sind, beispielsweise im Hinblick auf das Nachweisverfahren beim Qualitätsmanagement, sowie bei der geforderten gesetzlichen Haftung. Unerheblich sei, ob die qualitativen Abweichungen für den Auftraggeber vorteilhaft oder nachteilig seien.
c) Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass das streitige Angebot nicht zwischen den genehmigten Teilleistungsentgelten für regionale Briefbeförderung und für die bundesweite Briefbeförderung unterscheide. Auf der Grundlage der resultierenden Mischkalkulation für beide Briefarten sei der angebotene Preis je Brief niedriger als der Preis, den die Deutsche Post AG für die bundesweite Zustellung anbiete. Dabei handelt es sich laut Vergabesenat um eine Abweichung von den genehmigten Entgelten.
Rechtliche Bewertung
Mit den Teilleistungsangeboten setzt die den nationalen Briefmarkt beherrschende Deutsche Post die gesetzliche Pflicht um, Teile der von ihr erbrachten Beförderungsleistung gesondert anzubieten (§ 54 Abs. 1 PostG). Ihr zusätzliches Angebot, auch die Vorleistungen anstelle der Wettbewerber oder anderer Kunden selbst zu erbringen, dient dabei allein dem Zweck, dass die Sendungen durch die Deutsche Post zugestellt werden. Die umsatzsteuerliche Betrachtung als einheitliche Leistung ist auch insofern konsequent.
Der Senat arbeitet in dem Beschluss heraus, dass es sich bei dem konkreten Angebot in mehrfacher Hinsicht nicht um „Standardleistungen ‚Teilleistungen‘ der Deutsche Post AG“ handelte, was auch insoweit zur Umsatzsteuerpflicht führt.
Sofern das marktbeherrschende Unternehmen in anderen Gestaltungen tatsächlich seine AGB-Leistungen zu nicht genehmigten Mischpreisen anbieten sollte, hätte das postrechtliche Konsequenzen. Denn Angebote über Universaldienstleistungen zu den allgemein gültigen Konditionen benötigen nach dem neuen Postgesetz vorab eine Entgeltgenehmigung (§§ 40 Abs. 1 Satz 1, 16 Abs. 2 Nr. 3.a) PostG, bzw. § 40 Abs. 1 Satz 2 PostG). Marktbeherrschende Unternehmen dürfen nur die von der Bundesnetzagentur genehmigten Entgelte verlangen (§ 48 Abs. 1 PostG). Das gilt auch für verbundene Unternehmen. Der Rechtsgedanke des § 36 Abs. 2 GWB ist insofern übertragbar (vgl. OVG NRW, Beschl. v. 21.03.2019 – 13 B 530/18).
Die Vereinbarung eines postrechtswidrig nicht genehmigten Beförderungsentgelts kann auch den Kunden betreffen – unabhängig davon, ob der Kunde öffentlicher Auftraggeber ist oder aus der Privatwirtschaft stammt. Denn Verträge, die andere als die genehmigten Entgelte enthalten, werden mit der Maßgabe wirksam, dass das genehmigte Entgelt an die Stelle des vereinbarten Entgelts tritt (§ 48 Abs. 2 PostG). Fehlt es an einem genehmigten Entgelt, obwohl das Entgelt genehmigungsbedürftig ist, so bleibt zwar die Beförderungspflicht bestehen, aber die Entgeltabrede ist bis zur Genehmigung des Entgelts schwebend unwirksam (§ 48 Abs. 3 PostG). Fällt später die Genehmigung höher aus als der Preis im Vertrag, würde es rückwirkend teurer. Im Vergabeverfahren dürften solche Angebote mangels Vergleichbarkeit nicht zuschlagsfähig sein.
Auswirkungen auf die Praxis
Versucht ein öffentlicher Auftraggeber, die Umsatzsteuer ganz oder teilweise zu sparen, so muss er bei der Angebotsprüfung die vom Vergabesenat herausgearbeiteten Aspekte im Lichte der jeweiligen Vergabeunterlagen anhand der einzelnen Preispositionen abarbeiten.
Nicht nur für öffentliche Auftraggeber, sondern für alle Kunden gilt: Werden Angebote aus dem Konzern der Marktbeherrscherin eingeholt, ist es empfehlenswert, vor der Vertragsschließung die genehmigungsrechtlichen Voraussetzungen und Folgen nach dem Postgesetz zu prüfen.
Anmerkung der Redaktion
Der Autor hat im hier besprochenen Nachprüfungsverfahren die Antragstellerin vertreten.
Dr. Matthias Kühn, LL.M.
Dr. Matthias Kühn ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Vergaberecht. Er berät seit 17 Jahren Auftraggeber und Bieter umfassend zu allen Fragen rund um das nationale und europäische Vergaberecht. Ein weiterer Schwerpunkt seiner Tätigkeit liegt im Recht der regulierten Märkte.


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