Außerhalb eines Planungswettbewerbs in Vergabeverfahren nach der VOF verlangte Lösungsvorschläge für die Planungsaufgabe sind nach sich verfestigender Rechtsprechung nach den Bestimmungen der HOAI zu vergüten. Für öffentliche Auftraggeber stellt sich in Bezug auf eine rechtssichere und wirtschaftliche Gestaltung von Planungsvergaben die Frage, wie exorbitante Kosten eines Verhandlungsverfahrens im Rahmen der VOF verhindert werden können. Bieter stehen vor dem Problem, wie ein zu großer Aufwand bei der Erstellung des Angebots vermieden werden kann. Das OLG Koblenz (Urteil vom 20.12.2013, 8 U 1341/12) hat hierzu entschieden, dass bei Zweifeln eines Bieters, ob ein zum Angebot gehörendes Konzept oder ein darüber hinausgehender Lösungsvorschlag erwartet wird, beim Auftraggeber nachgefragt werden muss, wie vergütungstechnisch verfahren wird.
§§ 24 Abs. 3, 15 Abs. 1 und Abs. 2 VOF 2006 (jetzt: §§ 20 Abs. 3, 15 Abs. 2 und Abs. 3 VOF)
(Leitsätze nicht amtlich)
1. Außerhalb eines Planungswettbewerbs verlangte Lösungsvorschläge für die Planungsaufgabe sind gemäß § 24 Abs. 3 VOF 2006 nach den Bestimmungen der HOAI zu vergüten. Mit „Lösungsvorschlägen für die Planungstätigkeit“ ist jegliche Planungstätigkeit der Bewerber gemeint, die mit dem Gegenstand des ausgeschriebenen und zu vergebenen Auftrags aus Sicht des Auftraggebers in Zusammenhang steht oder stehen kann.
2. Die Ausarbeitung von Bewerbungsunterlagen stellt selbst dann keine Planungstätigkeit dar, wenn es sich um umfangreichere und komplexere Tätigkeiten zur Ausarbeitung der Bewerbungsunterlagen handelt.
3. Bestehen bei einem Bieter Zweifel, ob ein zur Bewerbung gehörendes Konzept oder ein darüber hinausgehender Lösungsvorschlag nach § 24 Abs. 3 VOF 2006 erwartet wird, muss er beim Auftraggeber nachfragen, wie vergütungstechnisch verfahren wird.
Sachverhalt
Die Bieterin beteiligte sich an einem europaweiten Vergabeverfahren nach der VOF mit dem die Vergabestelle beabsichtigte, im Rahmen des Umbaus sowie der Erweiterung eines Klinikums Fachplanungsleistungen zu vergeben. Bereits in der Bekanntmachung waren als Zuschlagskriterien u. a. auch eine eigene Kostenschätzung sowie die Erstellung eines Grobterminplans für die Umsetzung der Maßnahmen von den beteiligten Bietern gefordert. Eine Vergütung für die Erbringung dieser Leistungen war nicht vorgesehen. Die Bieterin erbrachte daraufhin umfangreiche Planungsleistungen, erhielt den Zuschlag allerdings nicht. Daraufhin machte die Bieterin eine Vergütung für die geforderten planerischen Leistungen gemäß § 24 Abs. 3 VOF 2006 in Höhe von rund EUR 90.000,00 geltend. Das Landgericht erklärte die Klage dem Grunde nach als gerechtfertigt. Gegen diese Entscheidung wendete sich die Vergabestelle im Wege der Berufung zum OLG Koblenz.
Die Entscheidung
Mit Erfolg! Nach Auffassung des Zivilsenats stellt die Vorschrift des § 24 Abs. 3 VOF 2006 zwar eine Anspruchsgrundlage dar, es handele sich jedoch ausgehend von dem Grundgedanken des § 15 Abs. 1 VOF 2006 um eine Ausnahmevorschrift, so dass das Verlangen eines vergütungspflichtigen Lösungsvorschlags nicht ohne Weiteres angenommen werden könne. Im Zweifel sei daher davon auszugehen, dass ein öffentlicher Auftraggeber das Verlangen eines Lösungsvorschlags im Rahmen eines Verhandlungsverfahrens mit einer Mehrzahl von Bietern regelmäßig nicht herbeiführen will, weil ansonsten schnell fünf- oder gar sechsstellige Honorarsummen ausgelöst werden könnten. Obwohl die beteiligten Bieter entsprechend den Vorgaben der Bekanntmachung aufgefordert gewesen sind, eine eigene Kostenschätzung und einen Grobterminplan zu erstellen, ist der erkennende Zivilsenat der Auffassung, dass die Erbringung dieser Leistungen lediglich eine projektbezogene Bieterpräsentation und die Überarbeitung eines bereits abgegebenen Angebots darstellen. Außerdem wäre der Bieter bei Zweifeln, ob ein zur üblichen Bewerbung gehörendes Konzept oder ein darüber hinausgehender Lösungsvorschlag im Sinne des § 24 Abs. 3 VOF 2006 erwartet wird, gehalten gewesen, eine Klärung herbeizuführen, wie vergütungstechnisch verfahren wird.
Rechtliche Würdigung
Das OLG Koblenz bestätigt im Rahmen der vorliegenden Entscheidung seine Feststellungen aus einer vorangegangenen Entscheidung aus dem Jahre 2012, auf die das Gericht umfänglich Bezug nimmt (vgl. hierzu und zu weiteren Fragen den Beitrag des Autors „Vergabeverfahren nach VOF – Vergütung von Planungsleistungen außerhalb eines Planungswettbewerbs Teil 1 und Teil 2„). Die Rechtsprechung des OLG Koblenz stellt sich insgesamt als auftraggeberfreundlich dar. Um exorbitante Kosten eines Verhandlungsverfahrens zu verhindern, muss die Leistung nämlich ausdrücklich „im Wortlaut des § 24 Abs. 3 VOF 2006 verlangt werden und sowohl qualitativ als auch quantitativ mehr sein als eine branchenübliche Bewerbungsleistung“. Der Senat geht außerdem davon aus, dass von den Bietern verlangt werden kann, dass sie im Zweifel eine Klärung der Vergütungsfrage vor Aufnahme einer aus ihrer Sicht vergütungspflichtigen Tätigkeit herbeiführen.
Es bleibt abzuwarten, ob in Bezug auf die Vergütungspflicht von erbrachten Planungsleistungen außerhalb eines Planungswettbewerbs in Verhandlungsverfahren gemäß VOF das letzte Wort gesprochen ist. Denn der Wortlaut des § 24 Abs. 3 VOF 2006 macht zum einen deutlich, dass der Verordnungsgeber davon ausgeht, dass grundsätzlich jede abgeforderte planerische Leistung unabhängig von ihrer Qualität eine Vergütungspflicht nach den Bestimmungen der HOAI auslöst. Sofern die Abforderung solcher Leistungen keinen Zweifeln unterliegt, besteht auch kein Bedürfnis für eine Aufklärung durch am Verfahren beteiligte Bieter. Zum anderen hat die vergaberechtliche Rechtsprechung in dieser Hinsicht z.T. anders argumentiert als der Zivilsenat des OLG Koblenz in der hier besprochenen Entscheidung. Das OLG München (vgl. den Beitrag des Autors hier) und die Vergabekammer Südbayern (vgl. den Beitrag des Autors hier) haben jeweils festgestellt, dass tatsächlich Lösungsvorschläge für die Planungsaufgabe vom Auftraggeber verlangt werden müssen und außerdem eine fehlende oder zu niedrige (Pauschal-)Vergütung nach § 13 Abs. 3 VOF vom Bieter rechtzeitig im Vergabeverfahren gerügt werden muss, weil ansonsten die Spezialzuweisung nach §§ 102 ff. GWB eine an das Vergabeverfahren anschließende Honorarklage im Zivilrechtsweg verhindert.
Der Autor Dr. Martin Ott ist Rechtsanwalt und Partner der Sozietät Menold Bezler Rechtsanwälte, Stuttgart. Herr Dr. Ott berät und vertritt bundesweit in erster Linie öffentliche Auftraggeber umfassend bei der Konzeption und Abwicklung von Beschaffungsvorhaben. Auf der Basis weit gefächerter Branchenkenntnis liegt ein zentraler Schwerpunkt in der Gestaltung effizienter und flexibler Vergabeverfahren. Daneben vertritt Herr Dr. Ott die Interessen der öffentlichen Hand in Nachprüfungsverfahren. Er unterrichtet das Vergaberecht an der DHBW und der VWA in Stuttgart, tritt als Referent in Seminaren auf und ist Autor zahlreicher Fachveröffentlichen. Er ist einer der Vorsitzenden der Regionalgruppe Stuttgart des Deutschen Vergabenetzwerks (DVNW).
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