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Vermischung von Eignungs- und Zuschlagskriterien: Bieter muss bis zum Ablauf der Teilnahme- oder Angebotsfrist rügen! (OLG Karlsruhe, Beschl. v. 05.11.2014 – 15 Verg 6/14)

EntscheidungKaum eine vergaberechtliche Thematik hat die Praxis insbesondere im Dienstleistungsbereich in den zurückliegenden Jahren stärker beschäftigt als der Grundsatz der Trennung zwischen Eignungs- und Zuschlagskriterien. Das ist auch nicht verwunderlich, weil die Festlegung der Eignungs- und Zuschlagskriterien die wichtigsten verfahrensleitenden Entscheidungen des öffentlichen Auftraggebers darstellen. Das OLG Karlsruhe hat nunmehr festgestellt, dass das Verbot der Vermischung von Eignungs- und Zuschlagskriterien allgemein bekannt ist und daher selbst ein relativ unerfahrener Bieter einen Verstoß spätestens bis zum Ablauf der Bewerbungs- oder Angebotsfrist rügen muss.

GWB § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3; VOL/A §§ 7 EG, 19 Abs. 8 EG

Sachverhalt

Der Auftraggeber schrieb im Rahmen eines europaweiten Verhandlungsverfahrens entsprechend dem zweiten Abschnitt der VOL/A die Lieferung und Pflege eines webbasierten CMS-Systems aus. Bestandteil des Auftrags war außerdem die Betreuung und Wartung des Altsystems. Im Hinblick auf die Erbringung der geforderten Softwareentwicklungsleistungen war Auftragsgegenstand insbesondere auch die Überlassung von qualifizierten IT-Spezialisten.

Vor diesem Hintergrund kam es dem Auftraggeber sowohl bei der Eignungsprüfung als auch bei der qualitativen Bewertung der Angebote auf die Kompetenz und die Erfahrung der für die Leistungserbringung vorgesehenen Mitarbeiter der Bieter an. In den bekanntgegebenen Wertungskriterien war beispielsweise wörtlich von „Mehrwert / Mehrleistung Skillprofil“ die Rede.

Nach erfolgter Bieterinformation gemäß § 101a Abs. 1 GWB rügte ein nicht für den Zuschlag vorgesehener Bieter u. a. eine unzulässige Vermischung von Eignungs- und Zuschlagskriterien.

Die Entscheidung

Der Vergabesenat des OLG Karlsruhe stellte fest, dass der Bieter mit seinem Vorbringen präkludiert ist. Der Nachprüfungsantrag sei mangels rechtzeitig erhobener Rüge des geltend gemachten Vergaberechtsverstoßes nach § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB unzulässig, weil dieser Verstoß nicht bis zum Ablauf der vom Auftraggeber gesetzten Frist für die Abgabe des finalen Angebots gerügt worden sei. Der behauptete Verstoß ist nach Überzeugung des Gerichts erkennbar gewesen, weil die Problematik zwischenzeitlich so intensiv und wiederholt in Rechtsprechung, Literatur und Bieterkreisen behandelt und thematisiert worden ist, dass sich ein durchschnittliches Unternehmen, das nicht völlig unerfahren auf dem maßgeblichen Markt ist und sich für einen größeren öffentlichen Auftrag interessiert, vor diesem Thema nicht verschließen kann. Dies gelte insbesondere im Anwendungsbereich des zweiten Abschnitts der VOL/A, weil hier das Gebot der Trennung von Eignungs- und Zuschlagskriterien besonders deutlich zu Tage tritt (vgl. § 7 EG VOL/A einerseits und § 19 Abs. 8 EG VOL/A andererseits).

Rechtliche Würdigung

Der Senat geht zu Recht davon aus, dass vor einigen Jahren von einem Bieter noch keine Kenntnis vom Verbot der Vermischung von Zuschlags- und Eignungskriterien erwartet werden konnte und daher die Rügepflicht in der Regel an der fehlenden „Erkennbarkeit“ des Vergabeverstoßes scheiterte. Die Entscheidungsbegründung legt überzeugend dar, dass diese Situation sich mittlerweile grundlegend geändert hat.

Zwei weitere Aspekte der Entscheidung verdienen besondere Erwähnung: Zum einen spricht gegen eine Erkennbarkeit eines Verstoßes gegen das Verbot der Vermischung von Eignungs- und Zuschlagskriterien nicht, dass ein Auftraggeber einen solchen Verstoß selbst in Abrede stellt. Denn auch ein Auftraggeber darf im Nachprüfungsverfahren nichts unversucht lassen, die eigenen Interessen durchzusetzen. Zum anderen dürfte der Hinweis eines Bieters, der fehlerhafte Wertungsvorgang sei erst nach Übersendung des Bieterinformationsschreibens gemäß § 101a Abs. 1 GWB offenbar geworden, in der Regel nicht zielführend sein. Sofern der geltend gemachte Vergaberechtsverstoß darauf gegründet wird, es läge eine Vermischung von Eignungs- und Zuschlagskriterien vor, spielt die interne Angebotswertung des Auftraggebers nämlich keine Rolle. Ob eine Vermischung vorliegt oder nicht, lässt sich anhand der Bekanntmachung und der Vergabeunterlagen beurteilen.

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Praxistipp

Mit der Entscheidung des OLG Karlsruhe dürfte der Wandel in der Rechtsprechung in Bezug auf die Erkennbarkeit der Vermischung von Eignungs- und Zuschlagskriterien nunmehr weitgehend vollzogen sein. Zuvor hatte beispielsweise das OLG München in vergleichbarer Weise entschieden (Beschl. v. 25.07.2013 – Verg 7/13; anderer Auffassung ist die VK Bund, Beschl. v. 17.03.2014 – VK 1-12/14).

Die Feststellung, dass das Gebot der strengen Trennung von Zuschlags- und Eignungskriterien zum allgemeinen und grundlegenden Wissen der beteiligten Bieterkreise gehört, bedeutet indes nicht, dass es in der Praxis keine schwierigen Abgrenzungsfragen mehr gäbe. Schließlich lässt sich in jedem Einzelfall darüber streiten, ob eine Vermischung überhaupt vorgelegen hat. Auftraggebern ist daher zu empfehlen, die Eignungs- und Zuschlagskriterien so zu fassen, dass dem Trennungsgebot Rechnung getragen wird. Durchaus häufig lässt sich ein bestimmter Aspekt entweder als Eignungs- oder als Zuschlagskriterium ausgestalten. Das OLG Karlsruhe deutet außerdem an, dass ein möglicher Verstoß für gänzlich unerfahrene Marktteilnehmer im Einzelfall auch künftig nicht erkennbar sein kann.

Mit Blick auf die Umsetzung der novellierten EU-Vergaberichtlinien in deutsches Recht im Jahre 2016 ist für die Praxis außerdem von großer Bedeutung, dass dann die Qualifikation und Erfahrung des mit der Leistungserbringung vertrauten Personals als Zuschlagskriterien herangezogen werden können, wenn diese Einfluss auf die Auftragsausführung haben (vgl. Art. 67 Abs. 1 lit. b) der Vergaberichtlinie 2014/24/EU). Bislang ist dies nur für sogenannte nachrangige Dienstleistungen in gewissem Umfang vergaberechtlich zulässig (vgl. § 4 Abs. 2 Satz 2 bis Satz 4 und § 5 Abs. 2 Satz 2 bis Satz 4 der Vergabeverordnung (VgV)).

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Über Dr. Martin Ott

Der Autor Dr. Martin Ott ist Rechtsanwalt und Partner der Sozietät Menold Bezler Rechtsanwälte, Stuttgart. Herr Dr. Ott berät und vertritt bundesweit in erster Linie öffentliche Auftraggeber umfassend bei der Konzeption und Abwicklung von Beschaffungsvorhaben. Auf der Basis weit gefächerter Branchenkenntnis liegt ein zentraler Schwerpunkt in der Gestaltung effizienter und flexibler Vergabeverfahren. Daneben vertritt Herr Dr. Ott die Interessen der öffentlichen Hand in Nachprüfungsverfahren. Er unterrichtet das Vergaberecht an der DHBW und der VWA in Stuttgart, tritt als Referent in Seminaren auf und ist Autor zahlreicher Fachveröffentlichen. Er ist einer der Vorsitzenden der Regionalgruppe Stuttgart des Deutschen Vergabenetzwerks (DVNW).

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