Keine Pflicht des Auftraggebers zur Erhöhung des Festpreises und zur Aufnahme einer Anpassungs-/Preisgleitklausel im Hinblick auf Mindestlohnregelung. Die VK Berlin hat in einem aktuellen rechtskräftigen Beschluss zur Versorgung von Schulen mit Schulmittagessen klargestellt, dass ein Bieter bei einem vom Auftraggeber festgelegten Festpreis keinen Anspruch auf einen bestimmten, aus Sicht des Bieters angemessenen Festpreis hat. Auch bei einer 4-jährigen Vertragslaufzeit besteht keine Plicht des Auftraggeber zur Aufnahme einer Anpassungs-/Preisgleitklausel wegen während der Laufzeit des Vertrages zu erwartender Mindestlohnerhöhung.
§§ 97 Abs. 1 GWB, 31 VgV, 166 Abs. 1 S. 3 GWB, 160 Abs. 3 GWB, 165 GWB, 182 Abs. 3 S.1 GWB, 182 Abs. 2 GW, 182 Abs. 4 S. 1 GWB, 182 Abs. 4 S. 4 GWB, 80 Abs. 2 VwVfG
Sachverhalt
In dem zugrundeliegenden Fall hatte die Antragsgegnerin die Versorgung mit Schulmittagessen europaweit im offenen Verfahren losweise ausgeschrieben. Die Laufzeit betrug 4 Jahre. Der Preis je Mittagessen wurde als Festpreis vorgegeben. Der Zuschlag sollte auf das wirtschaftlichste Angebot gemäß den mitgeteilten Zuschlagskriterien erfolgen.
Die Antragstellerin rügte die Maßgaben der Vergabeunterlagen. Der für das Grundschulmittagessen vorgegebene Festpreis von EUR 3,25 sei angesichts der aufgrund der Mindestlohneinführung gestiegenen Personalkosten nicht auskömmlich und müsse erhöht werden. Mit dem Festhalten am Festpreis würde ihr ein unzumutbares Kalkulations- und Ausführungsrisiko auferlegt. Zudem müsse der Auftraggeber im Hinblick auf die in der Vertragslaufzeit anstehende Mindestlohnerhöhung eine Preisanpassungsklausel in die Vergabeunterlagen aufnehmen. Insoweit ergebe sich eine Ermessenreduktion auf Null. Die Antragstellerin führte weiter aus, der Auftraggeber gehe bei seinen Berechnungen von unzutreffenden Annahmen aus, insbesondere von veralteten Kostenannahmen. Die aufgrund einer Studie aus dem Jahre 2012 angesetzten Preise seien angesichts der Erhöhung des Mindestlohns zum 01. Januar 2017 von EUR 8,50 auf EUR 8,84 überholt. Die Mindestlohnerhöhung falle in die Sphäre des Auftraggebers. Unter Angabe nicht näher unterlegter Kostenpositionen behauptete sie, dass den Bietern nach Abzug von Skonto und aller Kosten lediglich EUR 0,01 pro Schulmittagessen verbliebe, was zu wenig sei.
Die Entscheidung
Der Nachprüfungsantrag wurde als offensichtlich unbegründet abgelehnt. Nach dem Wegfall des Verbots, dem Bieter ungewöhnliche Wagnisse aufzubürden, könnten Regelungen allenfalls im Einzelfall als für den Bieter unzumutbar beanstandet werden, z.B. bei der Nichtbeachtung allgemeiner zivilrechtlicher Grundsätze, wie z.B. dem Missbrauch der Nachfragemacht des Auftraggebers, der jedoch vorliegend nicht gegeben sei. Der gerügte Verstoß der Nichterhöhung des Festpreises stelle keine Unwägbarkeit in der Kalkulation dar. Vielmehr seien alle kalkulationsrelevanten Bedingungen bekannt. Der Antragsteller wende sich schlicht gegen eine vom Auftraggeber gemachte Vorgabe. Diese falle jedoch unter das Leistungsbestimmungsrecht des Auftraggebers. Der Antragsteller sei nicht gezwungen, ein Angebot abzugeben. Es sei die unternehmerische Entscheidung des Antragstellers, unter den vorgegebenen Bedingungen ein Angebot abzugeben oder nicht und wie er dieses ggf. ausgestaltet. Die Vergabekammer führte außerdem unter Verweis auf OLG Koblenz (Beschl. v. 04. Februar 2014, 1 Verg 7/13) aus, dass der Auftraggeber nicht verpflichtet sei, die Vergabe so zu gestalten, dass sich jeder potentielle Leistungserbringer am Wettbewerb beteiligen könne. Ausdrücklich stellte die Vergabekammer auch klar, dass die Erhöhung der Lohnkosten in die Risikosphäre des Bieter falle und daher im zugrundeliegenden Fall nicht, wie von der Antragstellerin gerügt, vertragstypische Risiken vom Auftraggeber auf den Bieter verlagert würden. Die Vergabekammer weist insoweit darauf hin, dass auch vor der Geltung des Mindestlohns tariflich vereinbarte Lohnerhöhungen möglich waren, ohne dass die Festlegung eines Festpreises unzulässig gewesen sei.
Rechtliche Würdigung
Der Vergabekammer ist zuzustimmen, dass die Höhe des Festpreises, dessen Zulässigkeit nunmehr ausdrücklich in § 58 Abs. 2 letzter Satz VgV geregelt ist, grundsätzlich unter das Leistungsbestimmungsrecht des Auftraggebers fällt und die Festlegung eines bestimmten Festpreises gerade kein (unzumutbares) Kalkulationsrisiko für den Bieter darstellt. Schließlich sind insoweit keine Unwägbarkeiten für die Kalkulation des Bieters ersichtlich.
Zutreffend hat die Vergabekammer auch entschieden, dass die Erhöhung von Lohnkosten, sei es durch Tarifvertrag oder Mindestlohngesetz bzw. -verordnung nicht in die Sphäre des Auftraggebers fällt, sondern vom Bieter miteinkalkuliert werden muss, da mögliche Mindestlohnerhöhungen – wie sonstige abseh- und abschätzbare Kostensteigerungen – in die Sphäre des Unternehmers fallen.
Der vorliegende Beschluss stellt damit klar, dass nicht nur die Bestimmung des Festpreises, sondern auch die Frage der Aufnahme einer Preisgleitklausel unter die Beschaffungsautonomie des Auftraggebers fällt. Vorsicht ist allerdings geboten, wenn etwa, was selten der Fall sein wird, Anhaltspunkte für einen Missbrauch der Nachfragemacht durch den Auftraggeber vorliegen oder der Zuschlag auf ein Unterangebot die Gefahr von wettbewerbsbeschränkende Verhaltensweisen begünstigen oder der Verdrängung von Bewerbern Vorschub leisten würde. Ob und wann die Grenze der Beschaffungsautonomie etwa bei Unterkostenangeboten überschritten wird, ist nach dieser Entscheidung nämlich noch offen, da sich die Vergabekammer mangels entsprechendem Vortrag der Antragstellerin mit diesem Aspekt gar nicht auseinandergesetzt hat.
Praxistipp
Der öffentliche Auftraggeber gewinnt mit dieser Entscheidung weitere Sicherheit im Bereich der Festpreisvergabe. Bei einem mit Augenmaß festgelegten Festpreis bewegt der Auftraggeber sich auch ohne Preisanpassungsklausel auf vergaberechtlich relativ sicherem Terrain. Es obliegt der Entscheidung des Bieters, unter den gegebenen Bedingungen anzubieten und ggf. dafür womöglich eigene Standards im Einzelfall herunterzuschrauben.
Anette Prasser ist Rechtsanwältin in der Kanzlei Jakoby Rechtsanwälte und schwerpunktmäßig im Vergaberecht tätig. Sie berät seit vielen Jahren Vergabestellen und Bieter, insbesondere im Bereich Dienstleistungen und IT. Ein weiterer Tätigkeitsbereich von Anette Prasser ist das Arbeitsrecht, wo sie auch die öffentliche Hand berät und vertritt.
Diese Entscheidung verwundert ein wenig. Mindestens muss es aber doch so sein, dass der festgelegte Preis zuvor vom Auftraggeber so festgelegt wird, dass die Einhaltung des Mindeslohns möglich ist. Wird der Preis so niedrig festgelegt, dass Angebote nur unter Umgehung des Mindestlohnes möglich sind, so ist auch der Auftraggeber in der Verantwortung.