Geld ausgeben ist nicht immer einfach, erst recht als Angehöriger der öffentlichen Hand. Um fremdes Geld unter die Leute zu bringen, gibt es dort verschiedene Möglichkeiten. Das hört sich locker an, ist es aber nicht. Zum Beispiel kann ein bestimmter Zweck gefördert oder eine konkrete Leistung eingekauft werden. In beiden Fällen kommen unterschiedliche Regularien zur Anwendung.
Während sich die Zweckförderung ausschließlich im Haushaltsrecht von Bund und Ländern findet und nicht an bestimmte (Schwellen-)Werte gebunden ist, regelt das im Wettbewerbsrecht verankerte EU-Vergaberecht die Form der öffentlichen Auftragsvergabe ab Erreichen der EU-Schwellenwerte. Das Vergaberecht gilt dabei für den Erwerb von Bauleistungen, Lieferungen oder Dienstleistungen, die im Wege eines öffentlichen Auftrags beauftragt werden. Andere Ausgabenformen sind vom europäischen Vergaberecht nicht erfasst. Insbesondere nicht die bloße Finanzierung von Tätigkeiten, „die häufig mit der Verpflichtung verbunden ist, erhaltene Beträge bei nicht bestimmungsgemäßer Verwendung erstatten zu müssen“ (Erwägungsgrund 4 Abs. 2 zur Richtlinie 2014/24). Damit sind die nach deutschem Haushaltsrecht beschriebenen Zuwendungen angesprochen. Unterhalb der EU-Schwellenwerte verlangt das ebenfalls im Haushaltsrecht geregelte „Haushaltsvergaberecht“ vor dem Abschluss von Verträgen – bei denen es nach überwiegender Auffassung um Leistungsaustausche gehen muss – die Durchführung einer öffentlichen oder beschränkten Ausschreibung.
Die beiden Alternativen „Zweckförderung“ oder „Auftragsvergabe“ stehen gleichberechtigt nebeneinander. Es gibt keinen (Anwendungs-)Vorrang. Weder das Haushaltsrecht noch das Vergaberecht bestimmen einen Anwendungszwang einer Alternative. Auch die Tatsache, dass das europäische Vergaberecht seine Grundlage in den europäischen Vergaberichtlinien hat, begründet nicht dessen Anwendungsvorrang vor der Gewährung einer Zuwendung. Ganz das Gegenteil ist der Fall: Die EU-Vergaberichtlinien gehen wie selbstverständlich von der Möglichkeit verschiedener Ausgabenformen der öffentlichen Hand aus (s. Erwägungsgrund Nr. 4 Richtlinie 2014/24).
Maßgeblich für die Wahl der jeweiligen Alternative ist der jeweils verfolgte Zweck. Soll es auf die Zweckförderung ankommen und es kommt dem Mittelgeber nicht auf einen einklagbaren Anspruch auf Leistungserbringung an, darf das Instrument „Zuwendung“ Anwendung finden. Natürlich setzt dies voraus, dass die Bestimmungen der §§ 23, 44 der einschlägigen Haushaltsordnungen erfüllt sind. Das hat aber nichts mit einem ohnehin nicht existierenden Anwendungsvorrang zu tun. Soll es hingegen auf einen einklagbaren Leistungsanspruch ankommen, ist die Vergabe eines öffentlichen Auftrags das Mittel der Wahl. Dabei regelt das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen das durchzuführende Verfahren.
Bewegt sich die öffentliche Hand in den von Haushaltsrecht und Vergaberecht bestimmten Rahmen, darf sie sich für die ihr am zweckmäßigsten erscheinende Alternative entscheiden. Ob es zu einem öffentlichen Auftrag oder zu einer Zuwendung kommen soll, entscheidet der Haushaltsträger allein. Erst wenn eine Entscheidung zugunsten der Erteilung eines öffentlichen Auftrags getroffen ist, ist der Anwendungsbereich des Vergaberechts eröffnet (s. OLG Düsseldorf, Beschl. V. 11.07.2018 – VII-Verg 1/18 m.w.N.; s. auch Schneider, Vergabeblog.de vom 10/09/2018, Nr. 38398).
Handelt es sich bei dem Haushaltsträger um eine Kommune, ist nochmals zu differenzieren. Die für Bund und Länder geltenden Haushaltsordnungen finden hier nämlich keine Anwendung. Vielmehr gewährt Art. 28 Abs. 2 S. 3 GG den Kommunen die sog. „Finanzhoheit“. Sie dürfen u.a. über ihre Ausgaben selbst bestimmen. Hier bleibt im Rahmen dieser „Selbstverwaltungsgarantie“ Raum für Kommunen, unterschiedlichen Einrichtungen Finanzmittel in Form von Förderungen zukommen zu lassen.
Zu beachten ist, dass die kommunalen Haushaltsvorgaben in den Gemeindeordnungen (GOen) und Gemeindehaushaltsverordnungen (GemHVOen) keine den §§ 23, 44 BHO/LHOen entsprechende Vorgaben kennen. Folglich haben die Kommunen einen weiteren Spielraum als etwa Haushaltsträger von Bund und Ländern, Fördermittel zu gewähren. So kommt es zum Beispielsweise auf die Unterscheidung von freiwilligen und Pflichtaufgaben nicht an. Innerhalb der Grenzen der Finanzhoheit, können kommunale Haushaltsträger Ausgaben in ihren Haushalten veranschlagen, um bestimmte Zwecke zu fördern und so Fördermittel weiterzureichen.
Im Zusammenhang mit der Aufgabenzuweisung durch Landesgesetz ist allerdings das Konnexitätsprinzip zu beachten. Dieses besagt, dass im Falle der Zuweisung von Aufgaben auch deren Finanzierung geregelt werden muss. Hier können u.U. haushaltstechnische Verpflichtungen mit verbunden werden, die der Kommune eine Ausreichung als Fördermittel untersagen oder zumindest Bedingungen auferlegen.
Fazit
Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass es einen wie auch immer gearteten Vorrang des Vergaberechts oder umgekehrt des Zuwendungsrechts nicht gibt. Beide Bereiche stehen gleichrangig nebeneinander. Ist ein kommunaler Haushaltsträger betroffen, ist weiter zu differenzieren. Denn das kommunale Haushaltsrecht kennt regelmäßig den §§ 23, 44 BHO/LHOen entsprechende Vorgaben nicht. Hier trägt die verfassungsmäßige Garantie der kommunalen Finanzhoheit nach Art. 28 Abs. 2 S. 3 GG.
Anmerkung der Redaktion
Gemeinsam mit Frau Dr. Irene Lausen (Ministerialrätin, Referatsleiterin Vergabewesen, Hessisches Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Wohnen) wird der Autor, Hans Peter Müller, im Rahmen der DVNW Akademie am 28.10.2019 und 10.12.2019 u.a. die Abgrenzung des Vergaberechts vom Zuwendungsrecht in dem Seminar „Die unendliche Geschichte – Zuwendungen und Vergaberecht“ behandeln. Weitere Informationen sowie eine Anmeldemöglichkeit finden Sie hier.
Hans-Peter Müller
Der Autor Hans-Peter Müller war über 20 Jahre im für die VO PR Nr. 30/53 federführenden Bundesministerium für Wirtschaft und Energie für deren Inhalt und Anwendung zuständig. Zudem wirkte er maßgeblich im Gesetzgebungsverfahren zur Umsetzung der EU-Vergaberichtlinien 2004 und 2014 in nationales Recht mit. Er ist Mitherausgeber des Standardkommentars „Ebisch/Gottschalk/Hoffjan/Müller“ zum Preisrecht und er fungierte im April 2016 als Sachverständiger des Bundes vor dem zuständigen Senat des Bundesverwaltungsgerichts im Rahmen eines Verwaltungsstreitverfahrens zum Preisrecht bei öffentlichen Aufträgen. Mittlerweile ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Kunz Rechtsanwälte, Koblenz/Mainz.
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