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Zitierangaben: Vergabeblog.de vom 10/01/2010 Nr. 4503

10 Jahre Teckal – Eine Tour d’Horizon in Sachen „Inhouse-Vergabe“ (Teil 2)

Entscheidung-EU Nachdem im vorhergehenden Beitrag die Basics in Sachen „Inhouse-Vergabe“ erläutert wurden, befasst sich dieser Teil der Fortsetzungsbeitrag anlässlich des zehnjährigen Jubiläums der „Teckal“-Entscheidung des EuGH mit „Kontrollkriterium“. Wir erinnern uns: Ein Anwendung von Vergaberecht kommt dann nicht in Betracht, wenn der öffentliche Auftraggeber

1. über die rechtlich von ihm verschiedene Person, also den Vertragspartner, eine Kontrolle ausübt wie über seine eigenen Dienststellen (so genanntes erstes “Teckal-Kriterium” oder “Kontrollkriterium”) und

2. wenn diese Person zugleich ihre Tätigkeit im Wesentlichen für die Gebietskörperschaft oder die Gebietskörperschaften verrichtet, die ihre Anteile innehaben (so genanntes zweites “Teckal-Kriterium” oder “Wesentlichkeitskriterium”).

Teil 2: Kontrollkriterium

Eine „Kontrolle wie über eine eigene Dienststelle“ ist nach Auffassung des BGH jedenfalls dann gegeben, wenn der öffentliche Auftraggeber alle Geschäftsanteile des Auftragnehmers hält. Dasselbe gilt, wenn die Auswahl der Rechtsform des künftigen Auftragnehmers dem öffentlichen Auftraggeber umfassende Einfluss- und Steuerungsmöglichkeiten einräumt, die sicherstellt, dass der potentielle Auftragnehmer keine eigene Entscheidungsgewalt hat. (BGH, Urt. v. 12.06.2001 – X ZB 10/01 – juris Rn. 34 f.)

Ob eine entsprechend umfassende Einfluss- und Steuerungsmöglichkeit genügen kann, wenn nicht alle Geschäftsanteile vom (konkreten) öffentlichen Auftraggeber gehalten werden müssen, wird seit jeher diskutiert.

Beteiligung Privater

Lange wurde das Erfordernis der Kontrolle wie über eine eigene Dienststelle dahingehend verstanden, dass damit nicht eine identische, sondern nur eine vergleichbare Kontrolle gemeint sein könne. Es komme weniger auf eine „Beherrschung“ als vielmehr auf die Möglichkeit einer „umfassenden Einflussnahme“ der Gebietskörperschaft auf das Unternehmen an. Sei eine derartige umfassende Einflussnahme auf das Unternehmen durch die öffentliche Hand feststellbar, stelle sich die Auftragsvergabe nur noch als interner Organisationsakt und nicht als nach außen gerichtete Drittbeauftragung dar. Es sei grundsätzlich zu Gunsten der gemischt-wirtschaftlichen Gesellschaft gegen die Anwendung des Vergaberechts zu entscheiden, wenn die Höhe der Beteiligung die Einfluss- und Kontrollrechte sichere und zudem gesellschaftsvertragliche Bestimmungen nicht entgegenstünden. Eine (minderheitliche) Beteiligung eines privaten Unternehmens an dem Auftragnehmerunternehmen schloss somit die Einstufung als vergaberechtsfreies Inhouse-Geschäft nicht aus.

EuGH – „Stadt Halle“

Der EuGH hat dieser Auffassung in der „Stadt Halle“-Entscheidung (EuGH, Urt. v. 11. 1. 2005 – Rs. C-26/03 – „Stadt Halle“) eine Absage erteilt. Nach diesem schließt die – auch nur minderheitliche – Beteiligung eines privaten Unternehmens am Kapital einer Gesellschaft, an der auch der betreffende öffentliche Auftraggeber beteiligt ist, es auf jeden Fall aus, dass der öffentliche Auftraggeber über diese Gesellschaft eine ähnliche Kontrolle ausübt wie über seine eigenen Dienststellen.

Ein gemischtwirtschaftliches Unternehmen würde nicht mehr lediglich öffentliche, sondern zumindest auch private Interessen verfolgen. Außerdem würde die Vergabe eines öffentlichen Auftrags an ein gemischtwirtschaftliches Unternehmen ohne Ausschreibung das Ziel eines freien und unverfälschten Wettbewerbs und den vergaberechtlichen Grundsatz der Gleichbehandlung der Interessenten beeinträchtigen, insbesondere weil ein solches Verfahren einem am Kapital dieses Unternehmens beteiligten privaten Unternehmen einen Vorteil gegenüber seinen Konkurrenten verschaffen würde.

Insbesondere auf kommunaler Ebene führte die Entscheidung zu dem Problem, dass die Praxis der freihändigen Vergabe an teilprivatisierte Betriebe generell ausgeschlossen wurde und zwar selbst dann, wenn der private Partner im Rahmen eines förmlichen Vergabeverfahrens ausgewählt wurde.

Die Entscheidung des EuGH überzeugt. In allen Fällen, in denen Private in die Erfüllung von Staatsaufgaben einbezogen werden, erfolgt ein „Zukauf privater Handlungsrationalität“. Es muss stets davon ausgegangen werden, dass mit der Einbeziehung privater Partner immer auch ein gewisser Grad an eigener Entscheidungsgewalt auf Seiten des potentiellen Auftragnehmers vorhanden ist (vgl. Burgi, NVwZ 2001, 601 (605)). Die ausnahmsweise (!) Vergaberechtsfreiheit des quasi Inhouse-Geschäftes beruht gerade auf der funktionalen Vergleichbarkeit mit der „Beauftragung“ der eigenen Dienststelle. Werden private Partner zu Teilhabern erhoben, so entfällt diese Vergleichbarkeit. Es ist in diesen Fällen nicht mehr gerechtfertigt vom insofern eindeutigen Wortlaut des § 99 GWB abzuweichen. Wenn die öffentliche Hand also eine Gesellschaftsgründung mit einem Privaten und dessen Beauftragung koppeln will, so muss sie den Wettbewerb zulassen.

Beteiligung mehrerer öffentlicher Auftraggeber

Häufig kann und soll eine Auftragserteilung an eine Gesellschaft erfolgen, deren Anteilseigner ausschließlich öffentlich-rechtlich sind. Hier stellt sich insbesondere in Fällen, in denen der öffentliche Auftraggeber lediglich minderheitlich an dem Auftragnehmer beteiligt ist, die Frage, ob dieser Auftrag dem Regime des Vergaberechts unterfällt. Versteht man das Tatbestandsmerkmal der „Kontrolle wie über eine eigene Dienststelle“ wörtlich, so müsste dies angenommen werden, da hier das Kontrollkriterium zumindest auf Seiten des minderheitlich beteiligten Auftraggebers nicht erfüllt sein wird.

Der EuGH hat in der Teckal-Entscheidung unter anderem ausgeführt, dass die fragliche juristische Person „ihre Tätigkeit im Wesentlichen für die Gebietskörperschaft oder die Gebietskörperschaften verrichtet, die ihre Anteile inne haben“. Daraus folgt, dass das Kriterium der „Kontrolle wie über eine eigene Dienststelle“ nicht (allein) an den jeweiligen öffentlichen Auftraggeber anknüpft. Es ist vielmehr erforderlich, dass die Entscheidungsgewalt über den Auftragnehmer im Sinne einer gemeinsamen Kontrolle durch alle beteiligten öffentlichen Auftraggeber erfolgt. (Der EuGH hat dazu ausgeführt, dass „der Umstand, dass der öffentliche Auftraggeber allein oder zusammen mit anderen öffentlichen Stellen das gesamte Kapital einer auftragnehmenden Gesellschaft hält, grundsätzlich darauf hindeutet, dass er über diese Gesellschaft eine Kontrolle wie über seine eigenen Dienststellen ausübt“, EuGH, Urt. v. 19.04.2007 – Rs. C 295/05 – „ASEMFO“ – Rn. 57.)

Die Aufgabenerfüllung bleibt in diesen Fällen also grundsätzlich ein interner Organisationsakt staatlicher Stellen. Für die Frage der Zulässigkeit einer vergaberechtsfreien quasi Inhouse-Vergabe ist in der Folge die Anzahl der öffentlichen Anteilseigner sowie deren Anteile respektive Anteilshöhe an der Auftragnehmer-Gesellschaft nicht ausschlaggebend, wenn und soweit sie gemeinsam alle Gesellschaftsanteile halten. Dass bedeutet, dass auch einer der Minderheitsgesellschafter der gemeinsamen Gesellschaft grundsätzlich vergaberechtsfrei einen Auftrag erteilen kann.

Einschränkung durch Marktausrichtung

Eine gewisse Einschränkung bei der Frage der Kontrollmöglichkeit ist jedoch auch bei rein öffentlich-rechtlichen Unternehmen vorzunehmen, wenn diese eine gewisse Marktausrichtung erlangt haben.

EuGH – Parking Brixen

Aus der „Parking Brixen“ – Entscheidung des EuGH (Urt. v. 13.10.2005 – Rs. C-458/03 – „Parking Brixen“) kann der Schluss gezogen werden, dass in Fällen, in denen der Auftragnehmer eine „Marktausrichtung“ erreicht hat, die eine Kontrolle wie über eine eigene Dienststelle nicht (mehr) erlaubt beziehungsweise „schwierig macht“ (so der EuGH), die Auftragserteilung an diese Unternehmen dem Vergaberecht unterfällt. Die Entscheidung betraf zwar die Erteilung einer Dienstleistungskonzession. Es ist aber davon auszugehen, dass die Ausführungen zur Inhouse-Problematik auch für die Vergabe von Bau-, Liefer- und Dienstleistungen gelten.

Im konkreten Fall hatte das rein öffentlich-rechtliche Unternehmen die Gesellschaftsform der Aktiengesellschaft (AG) gewählt. Es hatte zudem den Gesellschaftszweck signifikant ausgeweitet, die Öffnung der Gesellschaft für Fremdkapital vorgesehen, den geografischen Tätigkeitsbereichs der Gesellschaft erheblich ausgeweitet und dem Verwaltungsrat weit reichende Vollmachten übertragen, die praktisch ohne Kontrolle der Geschäftsführung durch die Gemeinde ausgeübt werden konnten. In der Konsequenz bedeutete dies, dass es „ausgeschlossen“ war, dass die Auftraggeberin über die Auftragnehmerin eine Kontrolle wie über ihre eigenen Dienststellen ausübte, so dass die „Vergabe“ einer öffentlichen Dienstleistungskonzession durch einen öffentlichen Auftraggeber an eine solche Einrichtung nicht mehr als ein interner Vorgang dieser Stelle angesehen werden konnte, auf den das Vergaberecht unanwendbar wäre.

EuGH – Carbotermo

In der „Carbotermo“-Entscheidung ist der EuGH (Urt. v. 11.05.2006 – Rs. C-340/04) noch einen Schritt weiter gegangen: Selbst in Fällen, in denen eine Kommune 100% der Anteile an der zu beauftragenden Gesellschaft hält, kann es ihr an der Kontrolle über diese Gesellschaft wie über eine eigene Dienststelle fehlen, wenn der öffentliche Auftraggeber sowohl auf die strategischen Ziele als auch auf die wichtigen Entscheidungen der beauftragten Gesellschaft keinen ausschlaggebenden Einfluss nehmen kann. Das ist der Fall, wenn die beteiligte Kommune auf ihre gesetzlichen Gesellschafterrechte beschränkt ist, ohne über besondere Stimmrechte oder Kontrollbefugnisse zu verfügen mittels welcher sie die Handlungsfreiheiten der Leitungsorgane der Gesellschaft beschränken kann. Wenn die Kommune ihren Einfluss als Anteilseigner darüber hinaus auch noch über eine Mittlergesellschaft ausübt (z.B. über eine Beteiligungsholding), steht das ebenfalls der erforderlichen Kontrolle entgegen.

Im nächsten Teil des Beitrags wird das zweite Teckal-Kriterium, das Wesentlichkeitskriterium, näher beleuchtet.

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