Für die Bewertung von Zuschlagskriterien maßgebliche Aspekte sind häufig Unterkriterien und als solche mit einer Gewichtung zu versehen. Anderenfalls ist die Wertung der Angebote nicht transparent. Die Zulässigkeit auf das Personal bezogener qualitativer Zuschlagskriterien beschränkt sich nicht auf Aufträge, bei denen Dienstleistungen spezifisch intellektuellen Charakters erbracht werden sollen. Bei einem Leistungszeitraum von vier Jahren stellt es keine unverhältnismäßige Belastung der Bieter dar, wenn sie im Rahmen ihrer Kalkulation etwaige Preissteigerungen prognostizieren und das verbleibende Preis- bzw. Kalkulationsrisiko tragen müssen.
§§ 97 Abs. 2 GWB, 127 Abs. 5 GWB; § 58 Abs. 2, 3 VgV
Sachverhalt
Der Auftraggeber (AG) schrieb Postdienstleistungen für vier Jahre in zwei Losen im offenen Verfahren aus. Leistungsgegenstand der Lose sind jeweils die Abholung und Beförderung von Briefpostsendungen bis 1.000 g. Zuschlagskriterien waren zu jeweils 50% der Preis und die Konzeption in Gestalt eines Realisierungskonzepts.
Grundlage für die Konzeption waren die der funktionalen Leistungsbeschreibung und den Verträgen zu entnehmenden Anforderungen. Je besser die Anforderungen erfüllt werden, desto höher sollte die Bewertung der Konzeption ausfallen. Dabei legt der AG zehn abschließend zu verstehende Aspekte fest, welche zu erläutern waren, u.a.:
– Es zu erläutern, wie die Beförderungen der Briefpostsendungen in den ländlichen Regionen, insbesondere bei abgelegenen Weilern/Höfen sichergestellt wird.
– Außerdem muss dargestellt werden, inwieweit bei der konkreten Leistungsausführung in den jeweiligen Prozessschritten Umweltaspekte berücksichtigt werden.
– Die Organisation, Qualifikation und Erfahrung des mit der Ausführung des Auftrags beauftragten Personals. Das Konzept sollte z.B. Aussagen zur Ausbildung, Fortbildung und durchschnittlicher Betriebszugehörigkeit des bei der Sortierung und Zustellung eingesetzten Personals machen.
Die Punktevergabe sollte anhand eines an Schulnoten angelehnten Maßstabs erfolgten.
Ein Bieter, die Antragstellerin, rügte die Intransparenz der Zuschlagskriterien mit Blick auf die bevorzugte Stellung der Deutsche Post AG und stellte nach Rügezurückweisung einen Nachprüfungsantrag. Diesen hat der Bieter zusammenfassend damit begründet, dass die von dem AG bekannt gemachten Zuschlagskriterien vergaberechtswidrig, da intransparent seien, eine willkürliche Zuschlagsentscheidung ermöglichten und keine wirksame Überprüfung zuließen, ob die von den Bietern getätigten Angaben tatsächlich zuträfen.
Die Vergabekammer gab dem Nachprüfungsantrag statt und verpflichtete den AG bei fortbestehender Vergabeabsicht die Auftragsvergabe in einer den Anforderungen des Vergaberechts genügenden Weise erneut bekannt zu machen und bei der Abfassung der Vergabebekanntmachung und der Vergabeunterlagen die aus der Begründung ersichtliche Rechtsauffassung der Vergabekammer zu beachten.
Der AG legte gegen diese Entscheidung sofortige Beschwerde ein.
Die Entscheidung
Die sofortige Beschwerde des AG hatte nur teilweise Erfolg! Der maßgebliche Vergaberechtsfehler der fehlenden Gewichtung der Unterkriterien war durch eine Änderung / Ergänzung der Vergabeunterlagen vom AG zu korrigieren. Den Bietern war nach Bekanntgabe der Gewichtung aller Unterkriterien Gelegenheit zu geben, neue Angebote abzugeben.
Die Vergabekammer hat zutreffend angenommen, dass die Bewerbungsbedingungen insoweit intransparent sind, als die Antragsgegnerin zu dem mit 50% ins Gewicht fallenden Zuschlagskriterium „Realisierungskonzept“ zwar zehn gesonderte Unterkriterien mitgeteilt, aber nicht angegeben hat, wie sie diese Unterkriterien gewichtet. § 127 Abs. 5 GWB schreibt vor, dass die Zuschlagskriterien und deren Gewichtung in der Auftragsbekanntmachung oder in den Vergabeunterlagen aufgeführt werden müssen. Diese Anforderung gilt sowohl für die Zuschlagskriterien als auch für die Unterkriterien. Dies hat den Zweck, dass sich jeder Bieter angemessen über die Kriterien und Modalitäten unterrichten kann, anhand deren das wirtschaftlich günstigste Angebot ermittelt wird. Außerdem konkretisieren sie die Pflicht der Auftraggeber, alle Wirtschaftsteilnehmer gleich und nichtdiskriminierend zu behandeln und in transparenter Weise vorzugehen. Dem hat der AG vorliegend nicht entsprochen. Für einen Bieter ist nicht erkennbar, auf welche Punkte innerhalb des Konzepts der AG mehr oder weniger Wert legen wird als auf andere. Er kann dadurch daran gehindert sein, ggf. abzuwägen, ob es für ihn aussichtsreicher ist, sich unter Inkaufnahme von Abzügen“ bei weniger wichtigen Punkten auf einzelne besonders wichtige Punkte zu konzentrieren oder alle Punkte gleichermaßen, aber nicht optimal zu bedienen.
Demgegenüber liegt kein Verstoß der Antragsgegnerin gegen § 97 Abs. 1 Satz 1 GWB darin, dass sie das Unterkriterium Umweltaspekte“ nicht noch detaillierter beschrieben hat. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin verstößt das Unterkriterium, es müsse dargestellt werden, inwieweit bei der konkreten Leistungsausführung in den jeweiligen Prozessschritten Umweltaspekte berücksichtigt würden, nicht gegen die Regelung in § 127 Abs. 4 Satz 1 GWB, dass die Zuschlagskriterien so bestimmt sein müssen, dass eine wirksame Überprüfung möglich ist, ob und inwieweit die Angebote die Zuschlagskriterien erfüllen. Soweit die Bieter ihre Konzepte für die Erfüllung der Qualitäts-Unterkriterien schriftlich darstellen sollen, hat der Wettbewerb das Gepräge eines Vergabeverfahrens mit funktionaler Leistungsbeschreibung. Der Auftraggeber soll durch den Wettbewerb davon profitieren, dass die Bieter ihr Know-how in die Angebotserstellung einfließen lassen.
Soweit der AG Aussagen zu Ausbildung, Fortbildung und durchschnittlicher Betriebszugehörigkeit des bei der Sortierung und Zustellung eingesetzten Personals erwartet, ist dies nach § 58 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 VgV unbedenklich. Danach darf der Auftraggeber auch qualitative Zuschlagskriterien berücksichtigen, insbesondere die Organisation, Qualifikation und Erfahrung des mit der Ausführung des Auftrags betrauten Personals. Dies gilt allerdings nur, wenn die Qualität des eingesetzten Personals erheblichen Einfluss auf das Niveau der Auftragsausführung haben kann. Das heißt, die Qualität muss sich auf die Vertragserfüllung und damit auf den wirtschaftlichen Wert des Angebots auswirken. Während es bei einem Eignungskriterium, das sich auf die Qualifikation des Personals der Bieter bezieht, auf das Personal im Allgemeinen ankommt, zielt das Zuschlagskriterium auf das Personal und die Erfahrung der Personen ab, die ganz konkret den Auftrag auszuführen haben. Der erhebliche Einfluss der Qualität des Personals ist eine anhand der konkreten Merkmale des Auftragsgegenstands zu beantwortende Einzelfallfrage. Die Zulässigkeit auf das Personal bezogener qualitativer Zuschlagskriterien beschränkt sich insbesondere nicht auf Aufträge, bei denen Dienstleistungen spezifisch intellektuellen Charakters erbracht werden sollen.
Die Antragsgegnerin verstößt mit der fehlenden Aufnahme einer Preisanpassungsklausel in den Vertrag nicht gegen § 97 Abs. 2 Satz 2 GWB. Nach § 97 Abs. 2 Satz 2 GWB muss der öffentliche Auftraggeber bei seinen Beschaffungsaktivitäten den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahren, insbesondere bei den Anforderungen an die Leistungsbeschreibung, die Eignung, den Zuschlag und die Ausführungsbedingungen. Bei einem Leistungszeitraum von vier Jahren stellt es keine unverhältnismäßige Belastung der Bieter dar, wenn sie im Rahmen ihrer Kalkulation etwaige Preissteigerungen der Deutsche Post AG prognostizieren und das verbleibende Risiko tragen müssen. Im Übrigen tragen die Bieter ein Risiko für Kostensteigerungen im Vertragszeitraum ohnehin, auch wenn sie nicht von der Möglichkeit Gebrauch machen wollen, für Teilleistungen auf die Deutsche Post AG zurückzugreifen.
Rechtliche Würdigung
Die Entscheidung ist unter mehreren Gesichtspunkten interessant und richtig. Herausgegriffen werden sollen an dieser Stelle die wesentlichen drei Aspekte:
Erstens sind Präzisierungen von Zuschlagskriterien, z.B. wie vorliegend mittels einer Aufzählung von mehreren als maßgeblich bezeichneten Aspekten für ein Konzept, regelmäßig als Unterkriterien des in Rede stehenden Zuschlagskriteriums aufzufassen. Denn Unterkriterien sind solche Kriterien, die der Ausfüllung und näheren Bestimmung eines Hauptkriteriums dienen und präziser darstellen, worauf es dem Auftraggeber ankommt (OLG Frankfurt, Beschluss vom 22. September 2020 Az. 11 Verg 7/20). Dies bedeutet zugleich, dass Unterkriterien zu gewichten sind. Sofern dem Auftraggeber hier keine besondere Rangfolge wichtig ist, kann dies dadurch geschehen, dass der Auftraggeber in den Bewerbungsbedingungen bzw. den Teilnahmebedingungen angibt, dass alle Unterkriterien gleichermaßen gewichtet werden. Ein klarstellender Satz kann die Thematik mithin auflösen.
Zweitens beschränkt sich die Zulässigkeit auf das Personal bezogener qualitativer Zuschlagskriterien (vgl. §§ 58 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 VgV, 16d EU Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 lit. b) VOB/A, 43 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 UVgO) nicht auf Aufträge, bei denen Dienstleistungen spezifisch intellektuellen Charakters erbracht werden sollen. Die noch weit verbreitete Gegenmeinung verweist gerne auf Erwägungsgrund 94 der Richtlinie 2014/24/EU, welche als Beispiele Aufträge für geistigschöpferische Dienstleistungen wie Beratungstätigkeiten oder Architektenleistungen benennt (vgl. auch EuGH, Urteil vom 26. März 2015 – Rs. C-601/13, Rn. 31 ff.). Es handelt sich, so zutreffend vorliegend das OLG Celle, allerdings nur um Beispiele. Für die Zulässigkeit auf das Personal bezogener qualitativer Zuschlagskriterien müssen mithin Tatsachen gegeben sein, die den Schluss zulassen, dass die bessere Leistungsfähigkeit des Bieters die Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung nicht nur unmerklich beeinflussen wird; es genügt, so das Gericht unter Hinweis auf Pauka (in: MüKoEuWettbR, 2. Aufl. 2018, VgV § 58 Rn. 25), wenn dieser Einfluss naheliegt. Weitergehende Anforderungen an die Art der Tätigkeit stellt § 58 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 VgV nicht. Insofern kann sowohl bei Postzustelldienstleistungen, aber auch bei Reinigungsleistungen und einer Vielzahl weiterer Dienstleistungen des Facility Managements unter Umständen auf Organisation, Qualifikation und Erfahrung des mit der Ausführung des Auftrags betrauten Personals als Zuschlagskriterium abgestellt werden.
Schließlich erachtet es das OLG Celle bei einem Leistungszeitraum von vier Jahren zutreffend nicht als unverhältnismäßige Belastung der Bieter, wenn sie im Rahmen ihrer Kalkulation etwaige Preissteigerungen prognostizieren und das verbleibende (Preis)Risiko tragen müssen. Die fehlende Aufnahme einer Preisanpassungsklausel in den Vertrag ist nicht zu beanstanden. Ungeachtet des vom Auftraggeber zu beachtenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes behält der Auftraggeber das umfassende Leistungsbestimmungsrecht und bestimmt weiterhin selbst, welche konkrete Leistung seinem Beschaffungsbedarf am ehesten entspricht. Dabei, so das OLG Celle, erstreckt sich das Bestimmungsrecht des Auftraggebers auch auf die Vertragsgestaltung. Grenze der Abwälzung von Risiken ist die Beachtung der allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätze, welche einen Missbrauch der Nachfragemacht des öffentlichen Auftraggebers missbilligen und infolgedessen unzumutbare Anforderungen an die Bieter in den Vergabeunterlagen als nicht tragbar einstufen. Diese Grenze kann überschritten sein, wenn aufgrund der Vorgaben in den Vergabeunterlagen eine vernünftige kaufmännische Kalkulation nicht möglich ist. Das ist hier nach Auffassung des Gerichts nicht der Fall. Bei einem Leistungszeitraum von vier Jahren stellt es keine unverhältnismäßige Belastung der Bieter dar, wenn sie im Rahmen ihrer Kalkulation etwaige Preissteigerungen der Deutsche Post AG prognostizieren und das verbleibende Risiko tragen müssen.
Praxistipp
Bei der Festlegung der Zuschlagskriterien ist darauf zu achten, dass weitere Aspekte als Unterkriterien eingestuft und entsprechend gewichtet werden. Dies gilt insbesondere dann, wenn als Zuschlagskriterium ein Konzept mit bestimmten Mindestinhalten gefordert wird. Hier bietet es sich im Zweifel an, alle Unterkriterien gleichermaßen zu gewichten. Ein Verzicht auf die Angabe einer expliziten Gewichtung und stattdessen die Angabe der (Unter-)Kriterien in der absteigenden Reihenfolge ihrer Bedeutung ist vergaberechtlich häufig unzulässig und grundsätzlich nicht empfehlenswert.
Wenn die Qualität des Personals für die Ausführung der Leistung von erheblicher Bedeutung ist, wird es sich für den öffentlichen Auftraggeber häufig anbieten, ein auf das Personal bezogenes qualitatives Zuschlagskriterium festzulegen, um der Bedeutung des Personals für die optimale Auftragsausführung gebührend Rechnung zu tragen.
Der Autor Peter Michael Probst, M.B.L.-HSG, ist Fachanwalt für Vergaberecht, Fachanwalt für Verwaltungsrecht und Partner der Wirtschaftskanzlei LEXTON Rechtsanwälte in Berlin. Er berät seit über 20 Jahren öffentliche Auftraggeber und Bieterunternehmen umfassend bei allen vergabe-, zuwendungs-, haushalts- und preisrechtlichen Fragestellungen. Neben seiner anwaltlichen Tätigkeit veröffentlicht er regelmäßig Fachaufsätze und führt laufend Seminare und Workshops im Vergaberecht durch.
Der Beschluss desselben Senats vom 15.03.2021 -13 Verg 1/21 erweckt nicht gerade den Eindruck, als sei man in Celle von der Richtigkeit des Beschlusses vom 02.02.2021, was den Umgang mit Konzepten angeht, restlos überzeugt.