VOL/A fugit, die VOL/A vergeht. Die im Bund und den meisten Bundesländern bereits eingeführte Unterschwellenvergabeordnung (UVgO) löst nun auch in Rheinland-Pfalz im Unterschwellenvergaberecht die VOL/A-1.Abschnitt ab. Damit geht eine fast 100-jährige Geschichte zu Ende. Eingeführt wird die UVgO im Rahmen der neuen gemeinsamen Verwaltungsvorschrift des Ministeriums für Wirtschaft, Landwirtschaft und Weinbau sowie des Ministeriums des Innern und für Sport „Öffentliches Auftragswesen in Rheinland-Pfalz“ vom 18. August 2021.
Der Anwendungsbefehl für die UVgO zur Vergabe von Liefer-/Dienstleistungen findet sich in Ziffer 3.2 lit. a) der Verwaltungsvorschrift. Die VOB/A-1.Abschnitt bleibt unveränderte Verfahrensvorschrift zur Vergabe von Bauleistungen (s. Ziffer 3.2. lit b) der Verwaltungsvorschrift).
Während mit dem Erlass der Verwaltungsvorschrift das Rundschreiben des Wirtschaftsministeriums vom 17. Juli 2019, mit dem bereits einige Regelungen der UVgO im Vorgriff für anwendbar erklärt wurden, obsolet wird, gelten die Rundschreiben vom
– 06. und 11.12.2020 (vergaberechtliche Erleichterungen zur Konjunkturförderung)
– 07.2021 (Erleichterungen zur Bewältigung der Flutkatastrophe)
fort.
Der sachliche Anwendungsbereich der Verwaltungsvorschrift erfasst neben der Vergabe öffentlicher Aufträge nun auch Dienstleistungskonzessionen. Der persönliche Anwendungsbereich betrifft unverändert die institutionellen Auftraggeber, also solche, die an das Haushaltsrecht des Landes oder der Kommunen gebunden sind.
Auftragsvergaben im Namen oder im Auftrag des Bundes, eines Landes oder der EU fallen nicht in den Anwendungsbereich der Verwaltungsvorschrift. Keine Erwähnung findet ebenfalls das ab den EU-Schwellenwerten anzuwendende Vergaberecht des GWB Teil 4.
Aufgenommen wurden Hinweise zur Binnenmarktrelevanz (s. Ziffer 3.3 Verwaltungsvorschrift).
Die Vorgaben zu Wertgrenzen zur unmittelbaren Wahl von Verfahren ohne Teilnahmewettbewerb wurden in die Verwaltungsvorschrift integriert (s. Ziffer 4.2 Verwaltungsvorschrift). Die Regelungen sind zeitlich unbefristet.
Für die Vergabe von Freiberuflichen Leistungen sowie von nunmehr in das Unterschwellenvergaberecht einbezogenen Dienstleistungskonzessionen (Ziffer 5.3.2 Verwaltungsvorschrift) sieht die Verwaltungsvorschrift in Ergänzung zu § 50 UvGO ein „wettbewerbsoffenes Verfahren“ vor (Ziffer 5.4. Verwaltungsvorschrift).
Für die Vergabe von Baukonzession verbleibt es bei den Regelungen des § 22 VOB/A-1.Abschnitt (s. Ziffer 5.3.1 Verwaltungsvorschrift).
Freiberufliche Leistungen (Ziffer 5.2. Verwaltungsvorschrift) sind an geeignete (fachkundige und leistungsfähige) Leistungserbringer zu vergeben, die nicht nach § 31 UVgO auszuschließen sind. Grundsätzlich sind mindestens drei Leistungserbringer zur Angebotsabgabe aufzufordern.
Planungsleistungen von Architekten und Ingenieuren dürfen bis zu einem Auftragswert von 25 000 Euro ohne Aufforderung weiterer Planungsbüros mit nur einem Planungsbüro verhandelt und vergeben werden.
Die Verwaltungsvorschrift enthält Angaben zur nachhaltigen Beschaffung, die sich auf Hilfestellung zur praktischen Umsetzung konzentrieren. Hinzu kommen Vorgaben zur Beachtung der ILO-Kernarbeitsnormen ebenso wie zur Berücksichtigung von Werkstätten für behinderte Menschen, Blindenwerkstätten und Inklusionsbetrieben und zur Frauenförderung (s. Ziffern 8 bis 12 Verwaltungsvorschrift).
Für die Kommunikation im Vergabeverfahren (s. Ziffer 13 Verwaltungsvorschrift) gilt bei der Vergabe von Liefer-/Dienstleistungen grundsätzlich die eVergabe-Pflicht. Für Bauleistungen bleibt es bei der in der VOB/A vorgesehenen Wahlmöglichkeit zwischen herkömmlicher und elektronischer Kommunikation.
Für eine Übergangszeit bis zum 31.05.2022 können Vergaben bis zu einem Auftragswert von 20 000 Euro (netto) mittels einfacher email durchgeführt werden.
Die Verwaltungsvorschrift enthält des Weiteren Angaben zum in Kürze erwarteten bundesweiten Wettbewerbsregister, insbesondere zur Abfragepflicht/ -möglichkeiten, die auch im Unterschwellenbereich gelten sollen (s. Ziffer 15 Verwaltungsvorschrift). In diesem Zusammenhang tritt der komplette Abschnitt 4.3 mit den Anlagen 6 und 7 sowie Abschnitt 1.3.3 der Verwaltungsvorschrift „Korruptionsprävention in der öffentlichen Verwaltung vom 22.01.2019 außer Kraft.
Auch grundlegende Bestimmungen der seit 01.10.2020 geltenden Vergabestatistik sind Gegenstand der Verwaltungsvorschrift.
Schließlich sind noch Hinweise zu Auftragsberatungsstellen und Nachprüfungsstellen in die Verwaltungsvorschrift eingebettet.
Die Neufassung der Verwaltungsvorschrift und damit auch die Pflicht zur Anwendung der UVgO tritt am Tage nach ihrer Veröffentlichung im Ministerialblatt der Landesregierung Rheinland-Pfalz in Kraft.
Der Autor Hans-Peter Müller war über 20 Jahre im für die VO PR Nr. 30/53 federführenden Bundesministerium für Wirtschaft und Energie für deren Inhalt und Anwendung zuständig. Zudem wirkte er maßgeblich im Gesetzgebungsverfahren zur Umsetzung der EU-Vergaberichtlinien 2004 und 2014 in nationales Recht mit. Er ist Mitherausgeber des Standardkommentars „Ebisch/Gottschalk/Hoffjan/Müller“ zum Preisrecht und er fungierte im April 2016 als Sachverständiger des Bundes vor dem zuständigen Senat des Bundesverwaltungsgerichts im Rahmen eines Verwaltungsstreitverfahrens zum Preisrecht bei öffentlichen Aufträgen. Mittlerweile ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Kunz Rechtsanwälte, Koblenz/Mainz.
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