Weder die Richtlinie 2014/23/EU noch die KonzVgV sehen Rahmenvereinbarungen ausdrücklich vor. Die Vergabekammer Sachsen stellt klar, dass dies der Nutzung von Rahmenvereinbarungen zur Vergabe von Dienstleistungskonzessionen nicht entgegensteht.
§ 12 Abs. 1 KonzVgV, § 21 VgV analog
Der Auftraggeber hat im Jahr 2020 die Vergabe von Dienstleistungskonzessionen im Wert von rund EUR 40 Mio. für die Essensversorgung von Schülern in städtischer Trägerschaft in vier Losen ausgeschrieben. Die abgeschlossenen Vereinbarungen sehen die Bildung losbezogener „Anbieterpools“ vor. Ferner ist vorgesehen, dass der Auftraggeber für jede der rund 80 Schulen gesonderte Versorgungsverträge abschließt. Die Einzelaufträge sollen nur mit einem der Unternehmen im „Anbieterpool“ geschlossen werden. Die jeweilige Schule soll aus ihrem Anbieterpool Unternehmen zur Teilnahme an einem Probeessen auffordern und aufgrund des Ergebnisses des Probeessens dasjenige Unternehmen auswählen, mit der der Auftraggeber dann den Einzelauftrag abschließt. Dem ausgewählten Auftragnehmer soll keine Vergütung vom Auftraggeber gezahlt werden. Der Auftragnehmer soll mit den Sorgeberechtigten der Schüler bzw. mit den erwachsenen Schülern selbst Verträge über die Teilnahme der Schüler an der Essensversorgung sowie deren Bezahlung schließen. In der Vereinbarung mit dem Auftraggeber wird keine Mindestabnahme garantiert.
Die Antragstellerin beteiligt sich erfolgreich an dem Vergabeverfahren und wird in die Anbieterpools für alle vier Lose aufgenommen. Im Jahr 2021 schließt sie mit dem Auftraggeber einen Einzelauftrag über die die Essensversorgung an einer Grundschule. Die im Einzelauftrag vorgesehene Verlängerungsoption wird vom Auftraggeber nicht ausgeübt. Stattdessen wird die Antragstellerin per E-Mail zu einem für denselben Tag vorgesehenen Probeessen bei der Grundschule eingeladen. Nach Durchführung des Probeessens teilt der Schulleiter der Grundschule der Antragstellerin rund 2 Monate später mit, dass sich die Schulkonferenz für einen anderen Caterer entschieden habe.
Nach erfolgloser Rüge leitet die Antragstellerin ein Nachprüfungsverfahren ein. Die Auswahlentscheidung sei fehlerhaft, da sich der Auftraggeber nicht an das in der Rahmenvereinbarung festgelegte Verfahren gehalten habe. Aus der Wertungsdokumentation ergebe sich, dass einer der 10 Juroren ohne nähere Begründung bei allen drei Probeessen eine Wertung von null Punkten für das Unterkriterium Geschmack und jeweils zwei Punkte für die Unterkriterien Konsistenz und Aussehen vergeben habe. Damit breche dieser Juror aus dem Wertungsfeld massiv nach unten aus. Denn im Übrigen habe die Antragstellerin von den neun Juroren für das Unterkriterium Geschmack viermal die Höchstnote und fünfmal die zweitbeste Note erhalten. Auch bei den weiteren Unterkriterien falle die Wertung des Jurors um regelmäßig mehr als zwei Notenstufen hinter die sehr gleichmäßige Wertung der anderen neuen Juroren zurück. Dies begründe den Verdacht, dass der Juror die Antragstellerin als Catering-Unternehmen schlicht ablehne.
Die Namen der konkreten Jury-Mitglieder wurden vom Auftraggeber nicht dokumentiert. Auch in der mündlichen Verhandlung vor der Vergabekammer kann der Auftraggeber die Jury-Mitglieder nicht benennen. Aus der Dokumentation ergibt sich aber, dass es bereits im Vorfeld des Testessens Diskussion in der Schule dazu gab, ob die Antragstellerin auch weiterhin das Catering durchführen soll. Ferner ergibt sich aus der Dokumentation, dass auch Eltern als Jury-Mitglieder fungiert haben, die sich bereits im Vorfeld für eine Auswechslung der Antragstellerin ausgesprochen haben.
Der Auftraggeber macht geltend, dass der Nachprüfungsantrag bereits unzulässig sei. Die Zuschläge auf die Dienstleistungskonzessionen seien bereits 2020 im EU-Amtsblatt bekannt gemacht worden. Auch der Zuschlag für den Einzelauftrag sei bereits erteilt. Eine Verpflichtung zur Vorabinformation nach § 134 GWB habe nicht bestanden. Denn es handele sich um eine Dienstleistungskonzession und nicht um einen öffentlichen Auftrag in Form einer Rahmenvereinbarung. Die Vorschriften für Rahmenvereinbarungen seien daher nicht anwendbar.
Die Vergabekammer verpflichtet den Auftraggeber, das Verfahren zur Auswahl des Vertragspartners für die Essensversorgung in der Schule bei fortbestehender Beschaffungsabsicht in den Stand vor Angebotsabgabe zurückzuversetzen und unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer zu wiederholen.
Der Nachprüfungsantrag sei zulässig. Bei der im Jahr 2020 abgeschlossenen Vereinbarung handele es sich um eine zweistufige Rahmenvereinbarung mit mehreren Unternehmen, bei der zur Auswahl des konkreten Vertragspartners ein Miniwettbewerb durchzuführen sei. Auch in Bezug auf die Vergabe der Einzelaufträge könnten die an der Rahmenvereinbarung beteiligten Unternehmen Primärrechtsschutz in Anspruch nehmen. Denn erst durch den Einzelabruf finde die Selektion des Auftragnehmers statt und würde dessen konkreter Zahlungsanspruch begründet. Die vergaberechtlichen Grundsätze dürften nicht bei der Vergabe der Rahmenvereinbarung stehen bleiben.
Auch die Informations- und Wartepflicht gemäß § 134 Abs. 1 GWB musste nach Auffassung der Vergabekammer gegenüber den Teilnehmern des Mini-Wettbewerbs beachtet werden. Entscheidend sei der Wert der Rahmenvereinbarung. Darauf, ob der jeweilige Einzelabruf den Schwellenwert erreiche, komme es nicht an. Unabhängig von der vom Auftraggeber vorgenommenen Aufteilung stelle jeder einzelne Versorgungsvertrag als Einzelkonzession ein mögliches Teillos der Gesamtkonzession dar. Ein etwaig erteilter Zuschlag sei daher mangels ordnungsgemäßer Vorabinformation nach § 135 Abs. 1 Nr. 1 GWB unwirksam.
Der Nachprüfung sei auch begründet. Zwar seien dem Auftraggeber bei der Ausgestaltung des Auswahlverfahrens Spielräume eingeräumt. Gleichwohl müsse er aber das Gleichbehandlungsgebot, den Transparenzgrundsatz und daraus abgeleitet die allgemeinen Bewertungsgrundsätze beachten. Um eine Gleichbehandlung zu gewährleisten, müssten alle Jury-Mitglieder unparteilich und objektiv sein. Hieran bestanden nach Auffassung der Vergabekammer vor dem Hintergrund der Beteiligung der Eltern, die sich im Vorfeld des Testessens für eine Auswechslung des Caterers ausgesprochen hatten, erhebliche Zweifel. Jedenfalls die Auswahl und Zusammensetzung der Jury nicht hinreichend dokumentiert. Auch die Bewertung des Testessens sei nicht ausreichend dokumentiert. Ganz überwiegend seien die Punktvergaben nicht begründet werden. Selbst soweit eine Begründung vorhanden sei, würde diese lediglich die abgegebene Wertung wiederholen.
Ausdrücklich befasst sich die Vergabekammer in ihrer Entscheidung mit dem Umstand, dass die Möglichkeit der Vergabe von Rahmenvereinbarungen in der KonzVgV nicht ausdrücklich vorgesehen ist. Dabei kommt sie zu dem Schluss, dass dies den Auftraggeber (bzw. Konzessionsgeber) nicht daran hindere, sein Verfahren zur Vergabe von Konzessionen unter Rückgriff auf das Instrument einer Rahmenvereinbarung zu gestalten. Denn Konzessionsgeber könnten das Verfahren zur Vergabe von Konzessionen grundsätzlich frei ausgestalten (Art. 30 Richtlinie 2014/23/EU und § 12 Abs. 1 KonzVgV). Sie seien nicht an die für die Vergabe öffentlicher Aufträge in § 119 GWB aufgeführten Verfahrensarten gebunden und hätten daher im Vergleich zu anderen Vergabeordnungen größere Freiheiten. Da die KonzVgV auch keine ausdrückliche widersprechende Norm enthalte, habe sich der Auftraggeber bei der Vergabe der Konzession daher auch dem Instrument einer Rahmenvereinbarung bedienen dürfen.
Die Vergabekammer Sachsen stellt klar: auch bei der Vergabe von Dienstleistungskonzessionen kann auf das Instrument der Rahmenvereinbarung zurückgegriffen werden. Die Entscheidung unterstreicht die Flexibilität, die Konzessionsgebern bei der Gestaltung des Konzessionsvergabeverfahren zusteht.
Bei aller Flexibilität nicht aus dem Blick zu verlieren sind aber auch die bei der Konzessionsvergabe einzuhaltenden Grundsätze des Vergaberechts und die daraus folgenden Rahmenbedingungen für den Verfahrensablauf und insbesondere die Wertungs- und Auswahlentscheidungen. Diese müssen transparent dokumentiert werden, um eine Überprüfung durch eine Nachprüfungsinstanz zu ermöglichen. Zudem sind die allgemeinen Bewertungsgrundsätze zu beachten. Eine bloße wörtliche Wiederholung der abgegebenen Wertung („Suppe gut“, „Kartoffeln o.k.“) ist keine Begründung einer Wertung und ist daher nicht ausreichend. Im Vorfeld einer Bewertung von Mitgliedern einer Jury geäußerte Vorbehalten gegen ein zu bewertendes Unternehmen müssen eine Vergabestelle auf horchen lassen. Wenn dann ein Jury-Mitglied eine klare „Ausreißerbewertung“ vornimmt, muss – wie die Vergabekammer in ihrem Beschluss feststellt – diese Bewertung „jedenfalls sehr umfangreich begründet und dokumentiert werden, damit sie überhaupt als möglicherweise nachvollziehbar anzusehen“ sein kann.
Der Autor Dr. Tobias Schneider ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Vergaberecht im Berliner Büro der Kanzlei Dentons. Er berät Unternehmen und öffentliche Auftraggeber bei allen vergaberechtlichen Fragestellungen und vertritt deren Interessen in Vergabeverfahren und vor den Nachprüfungsinstanzen.
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