Das neue Postgesetz (PostG) wurde vor wenigen Tagen vom Deutschen Bundesrat nach einem längeren Gesetzgebungsprozess final beschlossen (siehe ). Die deutlich reformierte Fassung ersetzt das PostG 1998 und soll in den nächsten Wochen in Kraft treten, wobei einzelne Regelungen wie z. B. bezüglich der Laufzeit von Briefpostsendungen zu gesonderten Zeitpunkten gelten sollen (insofern der 01.01.2025). Von der Postrechtsreform sind naturgemäß Beschaffungen von Postdienstleistungen öffentlicher Auftraggeber betroffen. Der nachfolgende Beitrag beleuchtet nach einer kurzen vergaberechtlichen Einordnung drei bedeutsame Auswirkungen der Postrechtsreform auf Vergabeverfahren öffentlicher Auftraggeber über Postdienstleistungen.
Postdienstleistungen werden regelmäßig in Offenen Verfahren vergeben. Das alternativ mögliche Nichtoffene Verfahren mit Teilnahmewettbewerb ist nicht zielführend und zu komplex, für andere Verfahrensarten existiert keine Rechtsgrundlage.
Vertragsrechtliche Basis für Postdienstleistungen ist die Rahmenvereinbarung. In Folge dessen gilt u.a. eine besondere Schätzregel über die Berechnung des Auftragswerts, nach der die Kosten für alle Einzelaufträge (im Grunde die tägliche Einlieferungsmenge) multipliziert mit der avisierten Vertragslaufzeit zu prognostizieren ist (vgl. § 3 Abs. 4 VgV). Für Rahmenvereinbarungen besteht zudem eine grundsätzliche Laufzeitbegrenzung auf 4 Jahre (vgl. § 21 Abs. 4 VgV).
Weil Briefpostdienstleistungen allerdings nach zutreffender Ansicht besondere Dienstleistungen gemäß Anhang IX Richtlinie 2014/24/EG sind, kann die Laufzeit nach § 65 Abs. 4 VgV auf 6 Jahre verlängert werden (u. a. VK Sachsen, 1/SVK/026-16, Rixen, in: Beck´scher Vergaberechtskommentar, 4. Aufl. 2022, GWB § 130, Rn. 116). Denn Briefpostdienstleistungen umfassen qua Legaldefinition gemäß Art. 2 Abs. 1 Nr. 1 Richtlinie 97/67/EG („Postrichtlinie“) Abholung, Sortieren, Transport und – nicht zuletzt – Zustellung von Postsendungen. Deshalb bedarf es für den in Anhang IX Richtlinie 2014/24/EG aufgeführten CPV-Code 64112000-4 („Briefpostdienstleistungen“) keine weitere CPV-Unterkategorie. Gleichwohl gibt es eine anderslautende Rechtspraxis von Vergabekammern, die allesamt eine ältere Entscheidung der VK Bund zitieren (2 VK 2-102/17) und ohne weitere eigene Prüfung Briefpostdienstleistungen nicht den besonderen Dienstleistungen zuordnen; in der VK Bund–Entscheidung werden Briefpostdienstleistungen im Widerspruch zur maßgebenden europarechtlichen Auslegung den Kurierdienstleistungen mit deren Unterkategorie Briefzustellung zugeschlagen (die wiederum nicht im Anhang IX Richtlinie 2014/24/EG enthalten sind). Es wäre für alle Beteiligten zu hoffen, dass eine europarechtskonforme ober- oder gar höchstrichterliche Entscheidung diesen eingefahrenen Streit zeitnah beendet.
Nach bisherigem Postrecht müssen Unternehmen, die gewerbsmäßig Standartbriefpostsendungen bis 1.000 gr. befördern, eine Erlaubnis (Lizenz) haben (§ 5 PostG alt). Diese Lizenz ist als Eignungsnachweis in Vergabeverfahren öffentlicher Auftraggeber nachzufragen und vorzulegen. Für Nachunternehmer gibt es bislang keine Erlaubnispflicht (§ 5 PostG alt).
Die vorbeschriebene Lizenzpflicht wird es künftig nicht mehr geben. An deren Stelle tritt die Pflicht, sich in ein sog. Anbieterverzeichnis eintragen zu lassen (§ 4 Abs. 1 S. 2 PostG). Auch Nachunternehmer müssen im Anbieterverzeichnis eingetragen sein (§ 4 Abs. 1 S. 3 PostG). Wie zuvor für eine Lizenz wird für eine Eintragung ins Anbieterverzeichnis die Zuverlässigkeit, Leistungsfähigkeit und Fachkunde des Antragstellers geprüft. Die Anforderungen sind sogar gestiegen. Obschon die Begriffe Leistungsfähigkeit etc. denen der Eignungsprüfung im Vergaberecht ähneln, ersetzt die Eintragung im Anbieterverzeichnis als rein postrechtliche Betrachtung nicht die Eignungsprüfung im konkreten Vergabeverfahren. Unternehmen, die bisher eine Lizenz haben, werden nach § 112 Abs. 1 S. 1 PostG in das Anbieterverzeichnis eingetragen.
Insofern wäre zukünftig in Vergabeverfahren die Eintragung ins Anbieterverzeichnis als Eignungsnachweis nachzufragen (in einem Übergangszeitraum die Lizenz, gleichwertig eine ggf. schon vorhandene Eintragung ins Anbieterverzeichnis).
Grundsätzlich ist nur die Erbringung von sog. Post-Universaldienstleistungen unter bestimmten Voraussetzungen steuerfrei nach § 4 Nr. 11b UStG. Nach bisheriger Ansicht der deutschen Finanzverwaltung bedeuten Post-Universaldienstleistungen ein Mindestangebot an Postdienstleistungen, die flächendeckend im gesamten Gebiet der Bundesrepublik Deutschland in einer bestimmten Qualität und zu einem erschwinglichen Preis erbracht werden (vgl. Abschn. 4.11b.1. Abs. 1 UStAE, der wiederum auf § 11 PostG alt i.V.m. § 4 Nr. 1 PostG alt verweist.).
Demgegenüber handelt es sich bei Teilleistungen z.B. um Leistungen, bei denen der der Kunde bestimmte Postleistungen selbst erbringt (beispielsweise indem er seine Post bereits nach Zustellgebieten vorsortiert und direkt in Briefzentren einliefert) und hierfür einen entsprechenden Rabatt erhält. Teilleistungsnachlässe sind in der Praxis denkbar bei Massenversendern wie etwa öffentlichen Auftraggebern, wobei sich die Höhe des Rabatts nach dem Umfang der vom Kunden selbst ausgeführten Arbeiten richten. Nach herrschender Auffassung fallen Teilleistungen nicht unter die Steuerbefreiung i.S.d. § 4 Nr. 11b UStG (vgl. Klumsee in: Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, § 4 Nr. 11b, Rn. 40).
Nach § 16 Abs. 1 PostG gelten künftig auch Teilleistungen ausdrücklich als Universaldienstleistung. In Folge der Aufnahme der Teilleistungen in den Katalog der Universaldienstleistung würden diese Leistungen wohl dem Grunde nach ebenfalls unter die Umsatzsteuerbefreiung des § 4 Nr. 11b UStG fallen. Hiervon geht explizit auch der Gesetzgeber aus, der auf diese „Änderung der Umsatzsteuerbefreiung“ durch die Ausweitung der sog. Universal-Postdienstleistungen im Postgesetz in der Begründung des Gesetzesentwurfs hinweist. (vgl. Gesetzesentwurf vom 7.2.2024 – BT-Drucksache 20/10283, Begründung Ziff. A. VI. 5., S. 86). Trotzdem ist die Frage, für wen diese Umsatzsteuerbefreiung zum Tragen kommen würde, noch nicht sicher geklärt. Bislang musste ein Unternehmen für die Befreiung nachweisen, dass er die genannten Post-Universaldienstleistungen bzw. Bereiche hiervon flächendeckend erbringt und die weiteren Voraussetzungen einer Post-Universaldienstleistung von ihm erfüllt sind (vgl. Abschn. 4.11b.1 Abs. 10 UStAE). Wie die Finanzverwaltung die Anforderungen mit Blick auf das neue PostG formuliert, ist unklar.
Mit dieser Unsicherheit muss der öffentliche Auftraggeber insbesondere bei der Preiswertung umgehen. Er könnte das Problem umgehen, wenn er Netto-Preise bewertet. Dann spielen etwaige Umsatzsteuerbefreiungen bei der Wertung keine Rolle. Durch entsprechende Vertragsklauseln sichert sich der Auftraggeber gleichwohl den Preisvorteil. Wenn der Auftraggeber Brutto-Preise bewertet, muss er erwartbare Behauptungen von Bietern, sie seien von der Umsatzsteuer befreit, einordnen. Insofern sollte sich der Auftraggeber für die Angebotswertung mit einer steuerrechtlichen Expertise wappnen, in jedem Fall von jedem Bieter für den Fall einer behaupteten Befreiung eine entsprechende Bescheinigung des zuständigen Finanzamts fordern. Selbst wenn eine solche Befreiung nachgewiesen werden würde, müsste man ggf. nochmals prüfen, für welche (Teil-)Leistung diese überhaupt greift und in wie weit das auf den Wertungspreis durchschlägt (vgl. VK Thüringen, 250-4003-9213/2017-E-022-EF). Die Bewertung von Brutto-Preisen wird somit in jedem Fall komplexer.
Hinsichtlich der Laufzeit von Briefen war für den Universaldienst bislang in der Postuniversaldienstleistungsverordnung (PUDLV) eine durchschnittliche Brieflaufzeit pro Jahr in Deutschland vorgeschrieben. Die Laufzeit betrug „E+1“ = 80 %, d.h. 80 % der Briefe sollten einen Tag nach Einlieferung beim Postdienstleistungsunternehmen den Adressaten erreichen. E+2 lautete 95 %.
Die PUDLV wird neben anderen Post-Verordnungen aufgehoben. Das PostG regelt nun auch die Laufzeitenfrage. Diese werden verlängert auf E+3 = 95 % und E+4 = 99 % (vgl. § 18 Abs. 1 PostG). Entsprechend werden mit Änderung des PostG auch Zustellungsfiktionen, z. B. in § 15 Abs. 1 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) von 3 Tage auf 4 Tage geändert.
Mit der gesetzlichen Laufzeitänderung werden sich die tatsächlichen Laufzeiten naturgemäß verlängern, wenn auch nicht schlagartig, sondern graduell über einen längeren Zeitraum. Ungeachtet dessen darf ein öffentlicher Auftraggeber nach wie vor die Laufzeit seiner Briefsendungen individuell von den Bietern nachfragen und bewerten. Je nach konkreter Nachfrage, z. B. im kommunalen Bereich mit einem deutlichen Schwerpunkt des Adressatenkreises in einer Stadt, kann die Laufzeit erheblich schneller sein, als sie mit dem neuen Postrecht – wohlgemerkt – deutschlandweit durchschnittlich pro Jahr zu sein hat. Zumal die Zustellfrequenz mit der werktäglichen Zustellung erhalten geblieben ist (vgl. § 19 PostG). Nur die vorab verpflichtende Vorgabe einer übergesetzlichen Laufzeit von, z. B., E+1 = 85 %, wäre vergaberechtswidrig (so bereits VK Bund, VK3-111/10).
Die Postrecht ist nach über 25 Jahren nicht unerheblich reformiert worden. Auswirkungen auf Vergabeverfahren öffentlicher Auftraggeber über Postdienstleistungen sind zwangsläufig, wie zuvor an drei Beispielen skizziert wurde
Entgegen anders lautender Behauptungen werden öffentliche Auftraggeber durch das neue PostG aber in aller Regel nicht gezwungen sein, bestehende Verträge mit Postdienstleistern zu kündigen und neu auszuschreiben. Ob z. B. eine vereinbarte Laufzeit von E+1=80 % in der Praxis tatsächlich nicht mehr eingehalten wird, ist nicht ausgemacht. Selbst wenn das festzustellen wäre, würde das eine Leistungsstörung bedeuten, deren Behandlung aber keine wesentliche Vertragsänderung i.S.d. § 132 GWB darstellt (vgl. OLG Frankfurt, 11 Verg 12/15). Ebenso wenig gibt es im neuen Postrecht für das marktbeherrschende Unternehmen Deutsche Post AG eine Genehmigungspflicht für Entgelte, die sie mit öffentlichen Auftraggebern abschließt; ähnlich wie zuvor in §§ 19 S. 2 u. 25 PostG alt regeln nun § 16 Abs. 2 u. 40 Abs. 2 PostG, dass für individuell vereinbarte Postdienstleistungsverträge, etwa mit einem niedrigeren Preis als dem Portopreis und/oder geringerer Laufzeit als im PostG, keine Genehmigungspflicht besteht.
Es steht zu erwarten, dass ein bestimmter Bieterkreis unter Bezugnahme auf das neue Postrecht noch stärker in Vergabeverfahren öffentlicher Auftraggeber einwirken und das eigene Geschäftsmodell stärken möchte. Damit werden die ohnehin umstrittenen Postvergaben auf absehbare Zeit noch aufwändiger für alle Beteiligten.
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Vergaberecht Dr. Klaus Greb ist Gründungspartner der der Sozietät VERGABEPARTNERS Rechtsanwälte. Er berät in allen Bereichen des Vergabe- und Zuwendungsrechts und auch in gerichtlichen Verfahren. Bei der Ausschreibung von Postdienstleistungen unterstützt Dr. Greb ausschließlich öffentliche Auftraggeber.
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