Im Rahmen von Vergabenachprüfungsverfahren stellt sich regelmäßig die Frage, ob die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch den öffentlichen Auftraggeber notwendig war und ob Antragssteller im Unterliegensfall die Kosten hierfür zu erstatten haben. Das OLG Frankfurt hat in zwei aktuellen Entscheidungen die Notwendigkeit der Hinzuziehung verneint, wenn die mit der Durchführung des Vergabeverfahrens betraute zentrale Vergabestelle bereits mit Zurückweisung der vorangegangenen Rüge umfassend zu den später im Nachprüfungsverfahren erörterten Sach- und Rechtsfragen Stellung genommen hat. Damit hat sich erneut eine Vergabenachprüfungsinstanz mit den Voraussetzungen für die Erstattungsfähigkeit von Rechtsanwaltskosten auseinandergesetzt und die Fälle, in denen eine Kostenerstattung für öffentliche Auftraggeber in Betracht kommt, weiter eingeschränkt.
Sachverhalt
Ausgangspunkt der Entscheidung des OLG Frankfurt war ein Nachprüfungsverfahren betreffend eine Ausschreibung von Fassadensanierungs- und Metallbauarbeiten an einer Technischen Hochschule, die durch den Landesbetrieb Bau und Immobilien Hessen (LBIH) durchgeführt wurde. Einziges Zuschlagskriterium war der Preis. Nach der Submission lag das Angebot der Antragstellerin rund 14,5 % über dem Angebot der Bestbieterin und damit auf dem zweiten Platz. Nach Erhalt der Vorinformation rügte die spätere Antragstellerin die beabsichtigte Zuschlagserteilung auf das Angebot der Bestbieterin. Zur Begründung führte sie aus, dass wegen des Preisunterschieds Anhaltspunkte für einen unangemessen niedrigen Preis vorlägen und dieser auf einer unzulässigen Mischkalkulation oder spekulativen Preisen der Bestbieterin beruhe; der Auftraggeber sei daher zu einer vertieften Prüfung verpflichtet.
Nachdem der Auftraggeber die Rüge mit der Begründung zurückgewiesen hatte, dass die Vergabeentscheidung nochmals einer eingehenden Überprüfung unterzogen worden sei, die allerdings keine Bedenken hervorgebracht habe, stellte die anwaltlich vertretene Antragstellerin einen Nachprüfungsantrag. Der Auftraggeber ließ sich in dem Verfahren ebenfalls durch einen Rechtsanwalt vertreten. Nachdem die Vergabekammer keine Anhaltspunkte für eine unzureichende Preisprüfung erkannte, nahm die Antragstellerin den Antrag zurück. Die Vergabekammer erklärte daraufhin die Hinzuziehung des Anwalts durch den Auftraggeber für notwendig und setzte die Gebühren für das Nachprüfungsverfahren auf 3.200 € fest. Hiergegen wandte sich die Antragstellerin mit ihrer sofortigen Beschwerde.
Die Entscheidung
Das OLG Frankfurt gab der sofortigen Beschwerde teilweise statt. Soweit die Antragstellerin die Höhe der Gebühren beanstandete, hatte die sofortige Beschwerde keinen Erfolg. Die Festsetzung der Gebühr nach Maßgabe der am Auftragswert ausgerichteten Gebührentabelle der Vergabekammern des Bundes sei nicht ermessensfehlerhaft; auf den tatsächlichen sachlichen und personellen Aufwand der Vergabekammer komme es nicht an. Soweit die Vergabekammer jedoch die Hinzuziehung eines anwaltlichen Verfahrensbevollmächtigten durch den Auftraggeber für notwendig erklärte, hatte die Antragstellerin mit ihrer sofortigen Beschwerde Erfolg.
Nach Auffassung des Senats war die Beauftragung eines Rechtsanwalts durch den Antragsgegner im vorliegenden Fall nicht notwendig. Das Verfahren habe keine komplexen rechtlichen Fragestellungen aufgeworfen, sondern primär die Frage betroffen, ob die Vergabestelle eine hinreichende Preisprüfung des Angebots der Bestbieterin vorgenommen hatte. Die Preisprüfung gehöre jedoch zum originären Aufgabenbereich einer Vergabestelle. Zudem sei die Rechtslage zur Prüfpflicht bei Preisabweichungen der Angebote höchstrichterlich geklärt und zähle daher zum Kenntnisstand einer nicht nur gelegentlich mit Ausschreibungen befassten öffentlichen Auftraggeberin. Bei einer zentralen Vergabestelle, die landesweit für die Vergabeverfahren der Behörden zuständig ist, könne zudem davon ausgegangen werden, dass diese sachlich und personell so ausgestattet ist, dass Nachprüfungsverfahren auch ohne anwaltliche Hilfe geführt werden können. Dafür spreche aus Sicht des OLG Frankfurt auch, dass sich die Vergabestelle bereits im Rahmen der Beantwortung der Rüge ausführlich mit dem rechtlich gebotenen Prüfungsumfang, der Preisprüfung und dem Vorwurf der Bezuschlagung eines unangemessenen niedrigen Preisangebots auseinandergesetzt hatte.
Rechtliche Würdigung
Die Entscheidung des OLG Frankfurt zeigt einmal mehr, dass öffentliche Auftraggeber, wenn sie sich in Nachprüfungsverfahren durch Rechtsanwälte vertreten lassen, nicht automatisch damit rechnen können, dass deren Hinzuziehung als notwendig anerkannt wird. Entscheidend ist eine einzelfallbezogene Prüfung aufgrund der Gesamtumstände im jeweiligen konkreten Verfahren.
Zwar betont das OLG Frankfurt in seiner Entscheidung, dass bei der Prüfung der Notwendigkeit grundsätzlich weder von einer restriktiven Praxis noch von einer generellen Notwendigkeit auszugehen sei – tatsächlich geht die Tendenz gerade der Oberlandesgerichte jedoch verstärkt dahin, die Notwendigkeit der Hinzuziehung zu verneinen.
So gilt für öffentliche Auftraggeber, die über eine eigene Rechtsabteilung oder entsprechend qualifiziertes Personal verfügen, dass diese sich die notwendigen Kenntnisse grundsätzlich selbst verschaffen müssen und daher nicht zwangsläufig anwaltliche Unterstützung benötigen. Dies gilt insbesondere dann, wenn es im Verfahren vor allem um typische vergaberechtliche Fragen geht, die zum originären Aufgabenbereich einer Vergabestelle gehören. Zu den typischen vergaberechtlichen Aspekten, mit denen ein öffentlicher Auftraggeber vertraut sein muss, zählt das OLG Frankfurt neben den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Preisprüfung auch eine im Raum stehende Präklusion der Antragstellerin.
Für die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten spricht unter Umständen jedoch, wenn schwierigere verfahrensrechtliche Fragen zu klären sind oder besondere Umstände wie ein besonders hohes Auftragsvolumen, Zeitdruck oder der Grundsatz der prozessualen Waffengleichheit dies erfordern.
Nach Auffassung der Vergabekammer des Bundes kann die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten auch dann notwendig sein, wenn es eine Vielzahl von Antragsgegnerinnen gibt, was einen erhöhten Koordinierungsaufwand generiert und der Gegenstand des Nachprüfungsverfahrens nicht allein im Vergaberecht sondern an der Schnittstelle zu anderen speziellen Rechtsgebieten wie etwa dem Sozialrecht liegt (Beschl. v. 30.12.2024 – VK 2-103/24) oder das Vergabeverfahren entscheidend von einem förderrechtlichen Regelwerk beeinflusst wird, das außerhalb des Vergaberechts angesiedelt ist (Beschl. v. 13.12.2024 – VK 2-101/24).
Ob die von der VK Bund genannten Gründe jedoch auch dann durchgreifen, wenn die Vergabestelle auch in Fällen mit Bezügen anderen Rechtsgebieten umfassend zu den später im Nachprüfungsverfahren erörterten Sach- und Rechtsfragen Stellung nimmt, ist angesichts der Entscheidungen des OLG Frankfurt zumindest fraglich.
Fraglich ist auch, ob andere Nachprüfungsinstanzen der Linie des OLG Frankfurt folgen und eine ausführlich begründete Rügezurückweisung des Auftraggebers als Indiz dafür ansehen, dass die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts im Vergabenachprüfungsverfahren nicht notwendig ist.
Praxistipp
Öffentliche Auftraggeber sind gut beraten, im Rahmen des Nachprüfungsverfahrens frühzeitig und konkret darzulegen, weshalb im jeweiligen Einzelfall die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten notwendig war. Denn auch im Fall des Obsiegens kann nicht automatisch mit einer Kostenerstattung durch den unterlegenen Bieter gerechnet werden.
Nach der bisherigen Spruchpraxis kommt es dabei wesentlich auf die personelle und sachliche Ausstattung des öffentlichen Auftraggebers und die Komplexität der zu klärenden Rechtsfragen an. Verfügt der öffentliche Auftraggeber über eine entsprechend ausgestattete (zentrale) Vergabestelle oder eine eigene Rechtsabteilung, die in der Lage ist, zum originären Aufgabenbereich eines Auftraggebers gehörende Fragestellungen eigenständig zu bearbeiten, wird die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts regelmäßig nicht notwendig sein. Vor dem Hintergrund der Entscheidungen des OLG Frankfurt müssen öffentliche Auftraggeber zudem berücksichtigen, dass eine eigenständige Zurückweisung der Rüge zur Folge haben kann, dass die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigen im Nachprüfungsverfahren als nicht notwendig angesehen wird.
Öffentliche Auftraggeber sollten diejenigen Umstände, die aus rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht für die Notwendigkeit der Hinzuziehung sprechen, in jedem Fall gut dokumentieren und gegenüber der Vergabekammer konkret und nachvollziehbar darzulegen. Nur so kann erreicht werden, dass die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten als notwendig anerkannt wird.

Sven Reinecke
Sven Reinecke ist Rechtsanwalt und berät im Vergabe-, Beihilfe- und Fördermittelrecht. Ein Schwerpunkt seiner Tätigkeit liegt auf der Unterstützung von Auftraggebern und Unternehmen in vergaberechtlichen Streitigkeiten sowie der Gestaltung und Umsetzung komplexer Beschaffungsvorhaben. Zudem berät er zur Vertragsgestaltung und zu rechtlichen Fragestellungen im Zusammenhang mit der Durchführung und Einhaltung laufender Verträge.
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