“Alle drei großen Parteien kreisen um drei Punkte in einem Koordinatensystem: Die SPD um die Gleichheit, die FDP um die Freiheit und die CDU um die Ordnung” stellte Guido Westerwelle einst treffend fest. Diese Einordnung scheint aus den Fugen geraten: Die Bundesregierung enthält sich im UN-Sicherheitsrat bei der Libyen-Resolution während Grüne ein solidarisches Durchsetzen der Flugverbotszone fordern, deutsche AKWs, heute ebensowenig wie vor 14 Tagen von Erdbeben oder Tsunami bedroht, sehen sich dem Ausstieg vom bereits ausgesetzten Ausstieg gegenüber. Angesichts den in Kürze bevorstehenden Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz drängt sich die pateipolitische Gretchen-Frage “Was bin ich?” auf. Anlass, wieder einmal über den Tellerrand zu schauen, was die im Bundestag vertretenen Parteien für diese, oder jene, oder doch eine andere, öffentlichkeitswirksame Profilschärfung an öffentlichen Mitteln erhalten.
127,7 Millionen Euro Staatsmittel
Aufschlussreich insofern die aktuell durch den Bundestagspräsidenten vorgelegten Rechenschaftsberichte von CDU, SPD, FDP, Die Linke, Bündnis 90/Die Grünen und CSU für das Jahr 2009 (BT-Drs. 17/4800) gem. § 23 PartG. Danach haben die im Bundestag vertretenen Parteien im Jahr 2009 insgesamt rund 127,7 Mio Euro an staatlichen Mitteln erhalten. So erhielt die CDU Mittel in Höhe von rund 41,9 Mio Euro und die SPD von 39,6 Mio Euro. Die FDP kam auf gut 12,6 Mio Euro an staatlichen Mitteln, die CSU auf 11,7 Mio Euro, die Grünen auf fast 11,1 Mio Euro und Die Linke auf rund 10,7 Mio Euro.
Durchweg Defizit
Den Berichten zufolge erwirtschafteten alle sechs Parteien im Jahr 2009 gleichwohl ein Defizit: Bei der CDU beliefen sich die Einnahmen (kumuliert aus staatlichen Mitteln, Mitgliedsbeiträgen, Spenden, Unternehmenstätigkeit, etc.) der Gesamtpartei auf gut 162,7 Mio Euro und die Ausgaben auf mehr als 200,2 Mio Euro, womit die Partei ein Defizit in Höhe von rund 37,5 Mio Euro hinnehmen musste. Bei der SPD standen Einnahmen in Höhe von mehr als 173,3 Mio Euro Ausgaben in Höhe von gut 208,2 Mio Euro gegenüber, was zu einem Defizit von fast 34,9 Mio Euro führte. Die FDP verzeichnete bei fast 43,3 Mio Euro an Einnahmen und knapp 51,5 Mio Euro an Ausgaben ein Defizit von gut 8,2 Mio Euro. Die Partei Die Linke gibt in ihrem Bericht bei Einnahmen in Höhe von knapp 27,3 Mio Euro und Ausgaben in Höhe von fast 33,8 Mio Euro ein Defizit von 6,5 Mio Euro an. Bei den Grünen lagen die Ausgaben in Höhe von gut 37 Mio Euro um fast 6,5 Mio Euro über den Einnahmen in Höhe von knapp 30,6 Mio Euro. Die CSU kam mit Einnahmen von knapp 42,0 Mio Euro und Ausgaben von fast 44,8 Mio Euro auf ein Defizit von knapp 2,8 Mio Euro.
Spenden
Die CDU erhielt im Jahr 2009 den Angaben zufolge Spenden von natürlichen Personen in Höhe von knapp 26,2 Mio Euro und von juristischen Personen in Höhe von gut 14,9 Mio Euro (= Anteil von 16,08 % bzw. 9,19 % an den Gesamteinnahmen). Bei der SPD beliefen sich die Spenden natürlicher Personen auf mehr als 14,5 Mio Euro (8,39 %) und die Spenden juristischer Personen auf gut 4,2 Mio Euro (2,43 %). Die FDP kam auf fast 10,4 Mio Euro an Spenden natürlicher Personen (24,02 %) und knapp 5,8 Mio Euro an Spenden juristischer Personen (13,4 %). Die CSU weist Spenden natürlicher Personen in Höhe von fast 5,0 Mio Euro (11,81 %) und Spenden juristischer Personen in Höhe von gut 4,1 Mio Euro (9,8 %) aus. Die Grünen verzeichneten Spenden von natürlichen Personen in Höhe von mehr als 4,5 Mio Euro (14,81 %) und Spenden von juristischen Personen in Höhe von gut 0,9 Mio Euro (3,01 %). Die Partei Die Linke verbuchte 2,7 Mio Euro an Spenden natürlicher Personen (9,91 %) und knapp 0,2 Mio Euro an Spenden juristischer Personen (0,65 %).
Gleichstand der großen Parteien
Die Zahl ihrer Mitglieder Ende Dezember 2009 gibt die CDU mit fast 521.100 Menschen an und die SPD mit gut 512.500. Die CSU verzeichnete Ende 2009 laut Bericht fast 159.200 Mitglieder. Der Partei Die Linke gehörten Ende 2009 gut 78.000 Mitglieder an, der FDP gut 72.100 und den Grünen fast 48.200.
Preis und Wert
Um nicht missverstanden zu werden: Demokratie darf nicht nur etwas kosten. Sie muss uns dies auch wert sein. Und tatsächlich erscheint der Anteil staatlicher Zuwendungen an den Gesamteinnahmen der genannten sechs großen Parteien durchaus moderat.
Bezogen auf die bevorstehenden Landtagswahlen erfährt Robert Lembkes bekanntes “Welches Schweinderl hätten S´denn gern?” augenblicklich allerdings eine ungewollte Zweideutigkeit.
Quelle: Deutscher Bundestag, Parlamentskorrespondenz; Foto: Bayerischer Rundfunk
Der Jurist Marco Junk gründete im Jahr 2007 den Vergabeblog und 2010 gemeinsam mit Dipl.-Betriebsw. Martin Mündlein das Deutsche Vergabenetzwerk (DVNW). Er begann seine berufliche Laufbahn im Jahr 2004 als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer und war danach als Bereichsleiter Vergaberecht beim Digitalverband bitkom tätig. Im Jahr 2011 leitete er die Online-Redaktion des Verlags C.H. Beck. Von 2012 bis 10/2014 war er Mitglied der Geschäftsleitung des bitkom und danach bis 10/2021 Geschäftsführer des Bundesverbands Digitale Wirtschaft (BVDW) e.V. Seit 2022 ist Marco Junk zudem als Leiter Regierungsbeziehungen für Eviden tätig. Seine Beiträge geben ausschließlich seine persönliche Meinung wieder.
Das Defizit ist übrigens ein regelmäßig wiederkehrendes Ereignis: Immer zu den Bundestagswahlen haben die Parteien höhere Ausgaben als Einnahmen, weil sie dann viel Geld in den Wahlkampf stecken. In den Jahren dazwischen machen sie entsprechende Überschüsse, um Rücklagen für die Wahlkämpfe anzulegen. Die isolierte Betrachtung eines einzigen Jahres – noch dazu eines Wahlkampfjahres – führt daher in die Irre.