Weist ein Auftraggeber die Rüge eines Bieters zurück, läuft die 15-tägige Frist zur Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens nur dann, wenn der Auftraggeber bereits in der Bekanntmachung auf diese Frist hingewiesen hat.
Dies hat das OLG Celle in seinem Beschluss vom 04.03.2010 (13 Verg 1/10) entschieden und damit die Ansicht mehrerer Vergabekammern bestätigt. Zudem deutet das Gericht an, dass bestimmte Höflichkeitsfloskeln von Auftraggebern in ihrer Rügeantwort den Beginn der 15-Tages-Frist behindern könnten.
Der Fall des OLG Celle betrifft ein Offenes VOL-Verfahren zur Beschaffung elektronischer Fahrscheindrucker eines Verkehrsverbundes. Die Bekanntmachung im EU-Amtsblatt enthielt keinen Hinweis auf die Nachprüfungsfrist von 15 Tagen nach Zurückweisung einer Rüge. Während des Vergabeverfahrens erhob ein Bieter mehrere Rügen, welche die Vergabestelle schriftlich zurückwies. Das Schreiben der Vergabestelle endete mit der Formulierung „Für Rückfragen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.“. Etwa sechs Wochen nach diesem Zurückweisungsschreiben stellte der Bieter einen Nachprüfungsantrag. Aufgrund der verstrichenen Zeit stellte sich die Frage, ob der Nachprüfungsantrag noch zulässig war.
§ 107 Abs. 3 Nr. 4 enthält Rechtsbehelfsfrist
Das OLG Celle hat die Zulässigkeit nun bejaht. Der Bieter wäre nur dann gemäß § 107 Abs. 3 Nr. 4 GWB wegen des Ablaufes der 15 Tage präkludiert gewesen, wenn der Auftraggeber auf diese Frist bereits in der Vergabebekanntmachung hingewiesen hätte. Als Begründung verweist das Gericht auf die Vorschriften des § 17 a Nr. 1 VOL/A i. V. m. Ziffer VI.4.2 des Anhangs II der Verordnung (EG) Nr. 1564/2005 zur Einführung von Standardformularen. Danach ist der Auftraggeber verpflichtet, genaue Angaben zu den von den Bietern zu beachtenden Fristen für die Einlegung von Rechtsbehelfen zu machen. Nach Ansicht des OLG Celle stellt § 107 Abs. 3 Nr. 4 GWB eine solche Rechtsbehelfsfrist dar.
Damit schließt sich das OLG Celle der Auffassung mehrerer Vergabekammern an. Auftraggeber werden daher künftig unter Ziffer VI.4.2 der EU-Vergabebekanntmachung auf die
15-Tages-Frist hinweisen müssen, um die Präklusionswirkung dieser Frist auszulösen.
Höflichkeit kann Eindeutigkeit schaden
Zudem deutet das OLG Celle in seinem Beschluss an, dass der beliebte Schlusssatz „Für Rückfragen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.“ diese Präklusionswirkung verhindern kann. Denn die 15-Tages-Frist beginnt nur im Fall der eindeutigen Zurückweisung einer Rüge zu laufen. Ein verständiger Bieter könnte nach Ansicht des OLG Celle die genannte Höflichkeitsfloskel aber auch so verstehen, dass der Auftraggeber für eine weitere Erörterung der Rüge offen ist. Vor diesem Hintergrund sollten Auftraggeber auf Höflichkeitsfloskeln der genannten Art besser verzichten, um den Fristbeginn nicht zu gefährden.
Dr. Jan Seidel ist Rechtsanwalt im Düsseldorfer Büro der Sozietät HEUKING KÜHN LÜER WOJTEK. Dort betreut er Projekte der öffentlichen Hand mit einem Schwerpunkt auf der vergaberechtlichen Beratung.
Dr. Jan Seidel
Dr. Jan Seidel ist Rechtsanwalt im Düsseldorfer und Nürnberger Büro der KPMG Rechtsanwaltsgesellschaft mbH. Dort berät er öffentliche Auftraggeber und Bieter in Vergabeprojekten mit einem Schwerpunkt auf der kommunalen Infrastruktur (insbesondere Ver- und Entsorgung sowie ÖPNV).
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