Der Vergabesenat des OLG München hat mit Beschluss vom 2. Juli 2009 (Verg 5/09) dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) die Frage vorgelegt, ob – vereinfacht gesprochen – das sog. „Konzessionsmodell“ nach dem Bayerischen Rettungsdienstgesetz (BayRDG) eine Dienstleistungskonzession darstellen könnte (siehe zur Vorlagefrage den Beitrag des Autors hier und zu Dienstleistungskonzessionen hier).
Zum sog. „Submissionsmodell“ bei Rettungsdienstleistungen hat sich in diesem Jahr der EuGH mit Urteil vom 29. April 2010 geäußert (Rs.- C-160/08). Die Entscheidung wurde von Herrn Rechtsanwalt Dr. Ott im Vergabeblog kommentiert. Bezüglich des Konzessionsmodells steht die Entscheidung der Luxemburger Richter noch aus, allerdings liegen die Schlussanträge des Generalanwalts Ján Mazák seit dem 9. September 2010 vor (Rs. C-274/09). Unser Autor Dr. Roderic Ortner hat sich die Schlussanträge näher angesehen. (Anmk. der Red.)
1. Eingeschränkter Rechtsschutz bei Dienstleistungskonzessionen
Weshalb sich alle um die Thematik streiten liegt vor allem auch an dem unterschiedlichen Rechtsschutz: Denn handelt es sich bei dem vakanten Auftrag um eine Dienstleistungskonzession sind die Vergabenachprüfungsinstanzen unzuständig; ein effektiver Rechtsschutz für den unterlegenen Bieter ist nicht gegeben.
Weshalb ist das so? Die Antwort liegt in der Historie des Vergaberechts begründet. Die Europäische Kommission hatte sich zwar bereits im Vorfeld der ersten Auflage des Vergaberechts dafür ausgesprochen, die Dienstleistungskonzession den Vergaberichtlinien zu unterwerfen (KOM(90) 372 endg. (ABl. 1991, C 23, S. 1)). Im Gesetzgebungsverfahren strich jedoch der Rat sämtliche Bezugnahmen auf Dienstleistungskonzessionen mit dem Argument, die Praktiken der Konzessionierung von Dienstleistungen seien in den einzelnen Mitgliedsstaaten zu unterschiedlich, als dass man sie vereinheitlichen könne. Bekanntlich unternimmt die Kommission heute, also genau 20 Jahre nach ihrem ersten gescheiterten Vorschlag, erneut den Versuch einer präziseren unionsrechtlichen Regelung der Dienstleistungskonzession.
2. Die Vorgeschichte
Auch für den Rechtsschutz bei Vergabe von Rettungsdienstleistungen ist es also evident, ob es sich um eine Dienstleistungskonzession handelt oder nicht. Was war im vorliegenden Fall in Bayern geschehen? Der Zweckverband für Rettungsdienst und Feuerwehralarmierung Passau hatte Rettungsdienstleistungen vergeben, ohne den Privaten Rettungsdienst Stadler zum Zuge kommen zu lassen. Letzterer ficht daher die Entscheidung des Zweckverbandes vor der Vergabekammer Südbayern an. Diese jedoch befand sich für unzuständig – da es sich um die Vergabe einer Dienstleistungskonzession handele. Hiergegen erhob Stadler sofortige Beschwerde zum Vergabesenat des Oberlandesgerichts München. Dieses war sich unsicher, ob vorliegend durch das sog. „Konzessionsmodell“ tatsächlich die Voraussetzungen einer Dienstleistungskonzession bejaht werden könnten und legte die Frage dem EuGH vor.
Im Unterschied zum Submissionsmodell erfolgt beim sog. Konzessionsmodell im Rettungdienstwesen keine unmittelbare Entgeltzahlung des öffentlichen Auftraggebers an den Auftragnehmer, sondern es wird im Vorfeld im Wege von Verhandlungen zwischen dem Auftragnehmer und den Sozialversicherungsträgern, das Benutzungsentgelt für die zu erbringenden Leistungen festgesetzt. Das Entgelt wird nicht unmittelbar von den Nutzern ausgezahlt, sondern in regelmäßigen Abschlagszahlungen von einer Zentralen Abrechnungsstelle, deren Dienste der Auftragnehmer nach dem BayRDG in Anspruch nehmen muss.
3. Die Empfehlung des Generalanwalt und kritische Stellungnahme
Der Generalanwalt am Europäischen Gerichtshof Ján Mazák scheint in seiner Empfehlung an den Europäischen Gerichtshof den Umstand, dass eine unmittelbare Vergütung im Konzessionsmodell nicht erfolgt, als ein hinreichendes Kriterium zur Qualifizierung als Dienstleistungskonzession anzusehen. Hieraus wurde in Deutschland teilweise der Schluss gefolgert, dass es sich beim Bayerischen Konzessionsmodell um eine Dienstleistungskonzession handele (vgl. Beitrag von Herrn Rindtorff im Behörden Spiegel, Okt. 2010, S. 26).
Diese Schlussfolgerungen halte ich für verfrüht. Zum einen entscheiden die nationalen Gerichte darüber, ob im konkreten Fall eine Dienstleistungskonzession vorliegt. Der EuGH darf nur Hinweise für die Voraussetzungen geben, deren Vorliegen aber nicht im konkreten Fall prüfen. Zum anderen sind die Schlussanträge inhaltlich wenig überzeugend. So führt der Generalanwalt an entscheidender Stelle wenig hilfreich zunächst aus:
„Daraus folgt, dass der fragliche Vertrag zwangsläufig eine Dienstleistungskonzession sein muss, wenn er kein Dienstleistungsauftrag ist, und umgekehrt“ (Rn. 26).
Das klingt so wie: Wenn es nicht Tag ist, ist es Nacht, und umgekehrt. Nach weiterer Auffassung des Generalanwalts habe das Fehlen einer unmittelbaren Vergütung des Dienstleistungserbringers die Qualifikation des fraglichen Dienstleistungsauftrags als Dienstleistungskonzession zur Folge (Rn. 27). Sodann führt er überraschend einschränkend fort:
„Allerdings liegt bei einer unmittelbaren Vergütung des Dienstleistungserbringers durch die öffentliche Stelle nicht zwangsläufig ein Dienstleistungsauftrag vor“ (Rn. 28).
Auch die weiteren Ausführungen bleiben schwammig und teilweise widersprüchlich. Insbesondere ist zu kritisieren, dass der Generalanwalt mit der „Unmittelbarkeit“ ein neues Merkmal in die Diskussion einführen möchte, was überflüssig ist. Als Abgrenzungsmerkmal hilft dies auch nicht weiter, da es zahlreiche Vergütungsmodalitäten gibt, wie der Generalanwalt selbst einräumt.
Als Abgrenzungsmerkmal bleibt es daher nach wie vor bei der Frage, welche Partei das Betriebsrisiko trägt und in welchem Umfang dieses Risiko auf den Konzessionär übertragen wird. Zu dem Umfang hat sich der EuGH in Sachen Eurawasser geäußert (C-206/08). Danach könne eine Dienstleistungskonzession auch vorliegen, wenn das vom öffentlichen Auftraggeber eingegangene Betriebsrisiko aufgrund der öffentlich‑rechtlichen Ausgestaltung der Dienstleistung von vornherein zwar erheblich eingeschränkt ist, der Auftragnehmer aber dieses eingeschränkte Risiko in vollem Umfang oder zumindest zu einem erheblichen Teil übernimmt. Dieser Maßstab muss auch für das hier gegenständliche Konzessionsmodell im Rettungsdienstbereich gelten.
4. Praxishinweis
Die ausschreibenden Stellen in Ländern, in denen das Konzessionsmodell zur Anwendung gelangt, bewegen sich derzeit in einem nicht abgesicherten Rechtsrahmen – sie können es also darauf ankommen lassen, im Wege der Dienstleistungskonzession auszuschreiben. Private Bieter wie Stadler, die dann nicht zum Zuge kommen, können sich überlegen, ob sie ihr Heil vor den Vergabekammern suchen; ein solches Vorgehen birgt bis zur Entscheidung des EuGH jedoch erhebliche Unsicherheit und sollte derzeit gut überlegt sein.
Der Autor Dr. Roderic Ortner ist Rechtsanwalt der Sozietät BHO Legal, Köln, München. Er ist spezialisiert auf nationales und europäisches Kartell- und Vergaberecht, hier insbesondere auf Vergabeverfahren und Vertragsgestaltung für Forschungsprojekte der Sicherheits-, Verteidigungs- und Raumfahrtindustrie. Mehr Informationen zum Autor finden Sie finden Sie im Autorenverzeichnis.
Roderic Ortner ist Rechtsanwalt, Fachanwalt für Vergaberecht sowie Fachanwalt für IT-Recht. Er ist Partner in der Sozietät BHO Legal in Köln und München. Roderic Ortner ist spezialisiert auf das Vergabe-, IT und Beihilferecht und berät hierin die Auftraggeber- und Bieterseite. Er ist Autor zahlreicher Fachbeiträge zum Vergabe- und IT-Recht und hat bereits eine Vielzahl von Schulungen durchgeführt.
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