Es war ein bisschen der Kampf gegen Windmühlen. Unser Mitarbeiter Peter Cornelius, Betreiber eines Ausschreibungs-Recherchedienstes (www.ausschreibungen.lu) auf Grundlage der Datenbank TED des Amts für Amtliche Veröffentlichungen der Europäischen Union, stellte immer wieder fest, dass Ausschreibungen unter falschem CPV-Code veröffentlicht werden und damit praktisch unauffindbar für interessierte Unternehmen sind (siehe dazu unseren Beitrag hier). So wurden bspw. Arbeiten im Zusammenhang mit der Sanierung eines Krankenhauses mal eben zu “Rehabilitationsmaßnahmen im Krankenhaus”.
Im Februar 2009 hatte die Europäische Agentur für Flugsicherheit (EASA) in Köln mit Ausschreibungs Nr. 30588-2009 unter nur einem CPV-Code – „72000000 – IT-Dienste: Beratung, Software-Entwicklung, Internet und Hilfestellung“ fünf Lose veröffentlicht, obwohl hierzu genauere CPV-Codes zur Verfügung gestanden hätten. Die Begründung der EASA: Ein CPV-Code erfasse alle hierarchisch darunter liegenden Codes. Cornelius – da selbst kein Bieter nicht in seinen Rechten verletzt – wandte sich an den Europäischen Bürgerbeauftragten – und bekam nun Recht!
Der CPV-Code (Common Procurement Vocabulary) ist das gemeinsame Vokabular der EU zur Beschreibung des Auftragsgegenstandes bei öffentlichen Aufträgen. Er stellt eine produkt- bzw. dienstleistungsbezogene Zahlencodierung zur Überwindung der Sprachbarrieren innerhalb der EU dar. Tatsächlich kontrolliert aber niemand die Richtigkeit der verwendeten Codes, die ausschreibende Stellen an das Amt für Veröffentlichen der Europäischen Gemeinschaften übermitteln – was wohl auch nicht möglich ist. Nachdem Cornelius wieder und wieder auf falsche CPV-Codes im TED stieß, nahm er die Veröffentlichung des EASA zum Anlass, etwas hiergegen zu tun, und schaltete den Europäischen Bürgerbeauftragten ein.
Richtige CPV-Codes verpflichtend?
Wenn die Verwendung des CPV zwingend ist (so bspw. Franke/Mertens, Kommentierung der EU-Bekanntmachungsformulare), dann muss folgerichtig auch die Verwendung des richtigen Codes zwingend sein. Kann sich aber ein Bieter hierauf berufen oder handelt es sich um reines Innenrecht der Verwaltung, dass keine subjektiven Rechte entfaltet?
Rekurriert man auf den Zweck, der mit den Codes verfolgt wird, spricht vieles dafür, hieraus auch ein subjektives Recht der Interessenten und Bieter abzuleiten. Denn eine Bekanntmachung, die praktisch nicht auffindbar ist, ist nicht bekanntgemacht. Bei monatlich über 30.000 Neueinstellungen in TED (Gesamtzahl in 2009: 363.230) wird die Suche nach relevanten Ausschreibungen ohne korrekten Code sonst zur sprichwörtlichen Suche der Nadel im Heuhaufen. Vgl. dazu etwa Weyand, ibr-online-Kommentar Vergaberecht, Stand 18.03.2010, § 14 VgV Rn. 3429:
Sie [Die Veröffentlichung von Bekanntmachungen im Supplement des EG-Amtsblatts) ist wichtig, um zu gewährleisten, dass potentielle Bieter über die Auftragsmöglichkeiten in sämtlichen Mitgliedstaaten unterrichtet sind, und trägt auf diese Weise zur Öffnung der Beschaffungsmärkte bei. Durch die Verwendung der Standardbegriffe des CPV können potentielle Bewerber und Bieter die Bekanntmachungen besser verstehen und die Art von Aufträgen, an denen sie interessiert sind, leichter identifizieren. Außerdem können die Bekanntmachungen zum Zwecke ihrer Veröffentlichung im EG-Amtsblatt schneller und genauer übersetzt werden. Die Verwendung des CPV ist besonders wichtig, um mit Hilfe der Datenbank Tenders Electronic Daily (TED), die im EG-Amtsblatt veröffentlichte Bekanntmachungen online anbietet, interessante Aufträge zu identifizieren.
Die Entscheidung des Bürgerbeauftragten
Nach dem Verständnis des Bürgerbeauftragten wird mit den CPV-Codes der Zweck verfolgt, die von der Ausschreibungsbehörde angeforderten Dienstleistungen oder Produkte so genau wie möglich zu beschreiben. Laut Erwägung 4 der Verordnung 2195/2002 war das Ziel der Einführung des CPV
„ein gemeinsames Referenzsystem, das einheitliche Beschreibungen der Güter in allen Amtssprachen der Gemeinschaft enthält, denen für alle Sprachen ein und derselbe alphanumerische Code zugeordnet ist, so dass Sprachbarrieren auf Gemeinschaftsebene abgebaut werden können“.
Daher sei es besonders wichtig, dass der CPV-Code bzw. die CPV-Codes, die zur Beschreibung der ausgeschriebenen Waren oder Dienstleistungen verwendet werden, so akkurat und präzise wie möglich sind. So werde auch in Erwägung 3 der Verordnung 213/2008 das Ziel formuliert, die Benutzerfreundlichkeit des CPV zu erhöhen. Wenn demnach ein spezifischer Code existiert, der die betreffenden Waren oder Dienstleistungen genau beschreibt, dann sollte dieser auch verwendet werden, und nicht der übergeordnete, allgemeine Code, so der Bürgerbeauftragte. Er kommt schlussendlich zu dem Ergebnis:
Die Grundsätze einer guten Verwaltungspraxis verlangen, dass alle Organe und Einrichtungen der Europäischen Union den Gegenstand eines ausgeschriebenen Auftrags unter Verwendung des bzw. der akkuratesten CPV-Codes beschreiben. Im vorliegenden Fall ist die EASA dieser Pflicht nicht nachgekommen, da sie einen allgemeinen Code zur Beschreibung aller fünf Lose ihrer Ausschreibung verwendete, ohne diesen durch spezifischere Codes zu ergänzen. Dies stellt einen Missstand in der Verwaltungstätigkeit dar.
Der Beschwerdeführer und die EASA werden von dieser Entscheidung in Kenntnis gesetzt.
Auch wenn die kritische Anmerkung des Bürgerbeauftragten wohl keine Rechtwirkung nach außen entfaltet – sie ist ein deutlicher Fingerzeig.
Herzlichen Glückwunsch, Herr Cornelius!
Sie finden die Entscheidung des Europäischen Bürgerbeaufragten hier. Die aktuelle CPV-Klassifikation hier.
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