Das OLG Düsseldorf hat mit Beschluss vom 6. Oktober 2010 (Az.: Verg 44/10) festgestellt, dass die Durchführung eines Verhandlungsverfahrens ohne vorherige öffentliche Bekanntmachung – trotz unterschiedlichen Wortlauts der jeweils einschlägigen Paragrafen – sowohl nach der VOB/A 2006 als auch nach der VOB/A 2009 unter den gleichen Voraussetzungen gestattet ist. Die Voraussetzungen hierfür liegen vor, wenn kein Angebot die Wertungsstufen 1 bis 3 unbeanstandet passiert hat und vom Auftraggeber bezuschlagt werden könnte.
Gegenstand der Entscheidung
Im zugrunde liegenden Fall schrieb der Auftraggeber im Rahmen eines Offenen Verfahrens den Ausbau einer Bundeswasserstraße aus. Die Baubeschreibung forderte von den Bietern ein Konzept über die Verwendung des Baggermaterials sowie die Vorlage der erforderlichen Genehmigungen für das Unterbringungskonzept. Da keiner der Bieter alle Genehmigungen für das jeweils vorgelegte Unterbringungskonzept vorweisen konnte, schloss der Auftraggeber alle Angebote aus und kündigte die Aufhebung des Vergabeverfahrens mit anschließender Durchführung eines Verhandlungsverfahrens ohne öffentliche Bekanntmachung an.
Beschluss des OLG Düsseldorf
In seiner Entscheidung bestätigt das OLG Düsseldorf das Vorgehen des Auftraggebers als vergaberechtskonform. Dabei könne dahinstehen, ob gemäß § 23 VgV die Rechtmäßigkeit des Verhandlungsverfahrens anhand der Vorgaben der VOB/A 2009 oder denjenigen der davor geltenden Fassung zu prüfen ist. Gemäß § 3a Abs. 6 Nr. 1 VOB/A 2009 ist die Durchführung eines Verhandlungsverfahrens ohne öffentliche Bekanntmachung zulässig,
„wenn bei einem Offenen Verfahren oder Nichtoffenen Verfahren keine wirtschaftlichen Angebote abgegeben worden sind, sofern die ursprünglichen Vertragsunterlagen nicht grundlegend geändert werden und in das Verhandlungsverfahren alle Bieter aus dem vorausgegangenen Verfahren einbezogen werden, die fachkundig, zuverlässig und leistungsfähig sind“
Die Vorgängervorschrift des § 3a Nr. 6 lit. a) VOB/A 2006 stellte noch darauf ab, dass „keine oder keine annehmbaren Angebote“ eingegangen sind.
Nach Überzeugung des Vergabesenats ist mit der Neufassung dieser Ausnahmebestimmung keine inhaltliche Änderung der Vorschrift verbunden. Wirtschaftliche Angebote sind dann nicht abgegeben worden, wenn überhaupt kein Angebot eingeht oder alle Angebote ausgeschlossen werden müssen, d.h. kein Angebot in die vierte Wertungsstufe gelangt. Ein sachlicher Unterschied zu der Konstellation in der „kein annehmbares Angebot“ eingegangen ist, bestehe nicht.
Fazit
Für öffentliche Auftraggeber ist es damit auch in Zukunft möglich, ein Verhandlungsverfahren ohne vorherige öffentliche Bekanntmachung durchzuführen, sofern kein wirtschaftliches (d.h. annehmbares) Angebot eingegangen ist, die ursprünglichen Vertragsgrundlagen nicht grundlegend geändert und in das Verhandlungsverfahren alle geeigneten Bieter des vorangegangenen Offenen oder Nichtoffenen Verfahrens einbezogen werden.
Der Autor Dr. Martin Ott ist Rechtsanwalt der Sozietät Menold Bezler Rechtsanwälte, Stuttgart. Dort berät und vertritt er insbesondere öffentliche Auftraggeber, aber auch Unternehmen, in allen Fragen des Vergaberechts, ein Schwerpunkt liegt hierbei im Dienstleistungsbereich. Mehr Informationen finden Sie in unserem Autorenverzeichnis.
Der Autor Dr. Martin Ott ist Rechtsanwalt und Partner der Sozietät Menold Bezler Rechtsanwälte, Stuttgart. Herr Dr. Ott berät und vertritt bundesweit in erster Linie öffentliche Auftraggeber umfassend bei der Konzeption und Abwicklung von Beschaffungsvorhaben. Auf der Basis weit gefächerter Branchenkenntnis liegt ein zentraler Schwerpunkt in der Gestaltung effizienter und flexibler Vergabeverfahren. Daneben vertritt Herr Dr. Ott die Interessen der öffentlichen Hand in Nachprüfungsverfahren. Er unterrichtet das Vergaberecht an der DHBW und der VWA in Stuttgart, tritt als Referent in Seminaren auf und ist Autor zahlreicher Fachveröffentlichen. Er ist einer der Vorsitzenden der Regionalgruppe Stuttgart des Deutschen Vergabenetzwerks (DVNW).
0 Kommentare