Das Internet ist eine feine Sache. So bringt es für Unternehmen die Möglichkeit, überregional, zielgerichtet und effizient nach öffentlichen Ausschreibungen zu recherchieren. Im Laufe der letzten Jahre etablierten sich unzählige, teils kommerzielle, teils von den Bedarfsträgern selbst getragene elektronische Bekanntmachungsplattformen. Der so geschaffene Vorteil kehrte sich in sein Gegenteil: Über 60, wahrscheinlich deutlich mehr, elektronische Bekanntmachungsplattformen bilden den viel zitierten Flickenteppich, der von den Bietern, insb. KMU, kaum mehr beherrschbar ist.
Das für die letzte Vergaberechtsreform federführende BMWi erkannte die Not und fand mit § 12 Abs. 1, S. 2 VOL/A eine im wahrsten Wortsinn weitreichende Regelung: “Bekanntmachungen in Internetportalen müssen zentral über die Suchfunktion des Internetportals www.bund.de ermittelt werden können”. Was aber bedeutet das? Die Frage erhitzt seit dem die Gemüter, insbesondere derer, die über Jahre hinweg kommerzielle Plattformen aufgebaut haben. Nun alles für lau?
VK Südbayern, Beschluss v. 25.06.2010 Z3-3-3194-1-30/05/10
Die Entscheidung (Besprechung hier) betraf noch die VOL 2006, mag aber gleichwohl auch für die Diskussion um § 12 Abs. 1, S. 2 VOL/A 2009 einen Fingerzeig geben: Die VK Südbayern stellte fest, dass die alleinige Veröffentlichung auf www.polizei.bayern.de gegen das Transparenzgebot des § 97 Abs. 7 GWB verstößt, weil – trotz der Chance, durch Veröffentlichung auf elektronischen Plattformen einen größeren Bieterkreis anzusprechen – man nicht zwangsläufig davon ausgehen kann, dass dies auch tatsächlich geschieht. Besonders interessant die Feststellung der VK zur – immerhin – Homepage der bayerischen Polizei: “Intransparenz wird dann anzunehmen sein, wenn sich Bekanntmachungen nur zufällig oder mit großem Aufwand finden lassen.”
Eben dies war die Intention des BMWi für die neue Regelung.
Der Neue § 12 Abs. 1, S.2 VOL/A
lautet
“Bekanntmachungen in Internetportalen müssen zentral über die Suchfunktion des Internetportals www.bund.de ermittelt werden können.”
und birgt dabei dummerweise gleich zwei Unklarheiten: Was genau sind “Internetportale”. Und was genügt für ein “ermittelt werden können”. Schließlich lässt sich auch die Nadel im Heuhaufen finden, wenn man nur lange genug danach sucht.
“Internetportal” ist nicht gleichbedeutend mit “Internetseite”. Was aber ist z.B. die Homepage des Rathauses? Anhang IV der VOL/A gibt Auskunft:
“Internetportale im Sinne des § 12 sind Internetseiten, die verschiedene regelmäßig benötigte Dienste bündeln oder eine Übersicht für den Einstieg in einen Themenkomplex schaffen. Über in aller Regel leicht bedienbare, sichere und personalisierbare Zugangssysteme erhält der Anwender mit Rücksicht auf seine jeweiligen Zugriffsberechtigungen einen internetbasierten Zugang zu Informationen, Anwendungen, Prozessen und Personen, die auf den durch das Portal erschlossenen Systemen verfügbar sind.”
Damit würden auch die allermeisten Internetauftritte der Kommunen die Pflicht des § 12 Abs. 1, Satz 2 VOL/A zur “Auffindbarkeit” via bund.de auslösen. Eine Bekanntmachung auf überregionalen Internet-Plattformen allemal.
Wie viel bekannt ist bekannt gemacht?
Wenn wir also davon ausgehen, dass in den meisten Fällen einer elektronischen Bekanntmachung eine solche Pflicht zur Bekanntmachung auf bund.de besteht, stellt sich die Folgefrage, welchen Umfang diese haben muss. Der Wortlaut spricht von “ermittelt werden können”. Muss dazu der gesamte Bekanntmachungstext 1 zu 1 auf bund.de zu finden sein? Oder genügen bestimmte Basisangaben, z.B. CPV-Code und Postleitzahl? Im für die VOL/A zuständigen DVAL war man sich seinerzeit einig, dass, ausgehend von solchen Basisdaten, ein Link zum Volltext der Bekanntmachung, z.B. auf einem kommerziellen Portal, der Regelung genügt. Leider konnte sich der DVAL aber nicht dazu durchringen, die Basisdaten in der VOL/A 2009 festzuschreiben.
Protest der Anbieter
Vor rund einem Jahr reagierten einige der großen kommerziellen Plattformen proaktiv. Submissions-Anzeiger, subreport und Vergabe24 einigten sich auf ein Positionspapier zur Frage des Datenaustausches von Bekanntmachungen mit bund.de. Es sieht vor, künftig bestimmte Basisdaten der jeweiligen Bekanntmachung an bund.de zu liefern, um der Pflicht aus § 12 Abs. 1, S. 2 VOL/A nachzukommen – aber nicht mehr. Die vollständige Bekanntmachung bleibt den Plattformen selbst vorhalten, auf die entsprechend von diesem Kurztext zu verlinken wäre.
Eine Zustimmung des Betreibers von bund.de, dem Bundesverwaltungsamt, zu dieser einseitigen Willenserklärung gab es nicht.
Verwirrung
Eine Entscheidung in der Sache ist bislang nicht getroffen, auch nicht durch das BMWi, beziehungsweise den wohl zuständigen DVAL. Ebensowenig liegt, soweit bekannt, eine Entscheidung einer Vergabekammer dazu vor. Dies führt zu Unklarheiten in der Praxis. So findet sich aktuell auf dem Vergabeportal Sachsen der Hinweis an Vergabestellen:
in jüngster Zeit häufen sich Fragen sächsischer Vergabestellen, die sich durch E-Mails des Bundesverwaltungsamtes zur Veröffentlichung von Ausschreibungen auf bund.de verunsichert fühlen.
Danach habe das Bundesverwaltungsamt angeblich den Eindruck vermittelt, die Publikation auf der Plattform www.vergabe24.de sei keine rechtskonforme Veröffentlichung im Sinne von von § 12 Abs. 1, S. 2 VOL/A. Inzwischen würden nach Intervention des Sächsischen Druck- und Verlagshauses aber keine derartigen Mails mehr versandt.
Des Pudels Kern
Ist weit mehr als die Frage nach einer – notwendigen – zentralen Recherchemöglichkeit für die Bieter. Das Problem lässt ich ebenso wenig darauf reduzieren, ob man denn überhaupt ein Entgelt für die Recherche nach Ausschreibungen verlangen darf (zu dieser Diskussion siehe den Beitrag “Vom kostenlosen Vergabeverfahren”).
Tatsache ist, dass viele der kommerziellen Bekanntmachungsportale den Vergabestellen die Arbeit zur elektronischen Veröffentlichung abgenommen haben. Und genau darin liegt das Problem. Was bei den Plattformen zur Veröffentlichung im Netz eingeht, sind in der vielen Fällen Faxe, im besten Fall ein Word-Dokument, manchmal auch ein geschütztes PDF-Dokument, das händisch abgetippt werden muss, manchmal der Text unstrukturiert in eine E-Mail hineinkopiert. All das muss kontrolliert, aufbereitet, formatiert, verschlagwortet und in ein durchsuchbares Format gebracht werden. Nicht selten erfordert dies Rücksprachen bei der Vergabestelle. Klassische Verlagsarbeit eben, wenngleich die Autoren nun Beschaffer sind. Da verwundert es wenig, wenn die Anbieter dieser elektronischen Veredelung ihr Werk nicht frei Haus auf bund.de anbieten wollen.
Die Lösung
…wäre, und nach diesem Prinzip arbeiten die elektronischen Bekanntmachungsplattformen – die eine mehr, die andere weniger – auch, wenn fortan die Vergabestelle den Bekanntmachungstext direkt online einstellt. Eine kostspielige Aufbereitung entfiele, damit auch der Verlust eben dieser Wertschöpfung durch Weitergabe auf bund.de. Davon ist die Wirklichkeit, zumindest flächendeckend, gegenwärtig aber noch weit entfernt.
Das weis auch das BMWi, weshalb dem Vernehmen nach auch in absehbarer Zeit keine Entscheidung in der Sache getroffen werden wird. Sicher, es gibt weitaus dringendere vergaberechtliche Probleme: Die Erfüllung des Koalitionsauftrags hinsichtlich eines wirksamen Rechtsschutzes unterhalb der Schwellenwerte, die Umsetzung der Richtlinie zu Vergaben in den Bereichen Sicherheit und Verteidigung und nicht zu Letzt die Frage, was man mit den just vorliegenden Ergebnissen des Gutachtens zu den Auswirkungen der vergaberechtlichen Erleichterungen des Konjunkturpaktes machen soll, wo doch fast alle Bundesländer ohne diese Evaluation abzuwarten direkt mal die Ausnahme zum Regelfall verlängert haben. Aber dazu an dieser Stelle in Kürze mehr.
Fazit
Es braucht eine zentrale Recherchemöglichkeit nach öffentlichen Ausschreibungen für die Bieter, wofür sich bund.de anbietet. Soweit – ob kommerziell oder nicht – eine Informationsaufbereitung und Veredelung der Bekanntmachung durch Dritte erfolgt, kann diese nicht einfach per copy&paste abgegriffen werden. Wo eine solche Aufbereitung nicht erfolgt, spricht allerdings auch nichts dagegen.
Es braucht vor allem endlich Klarheit in der Sache. Vor allem für die geschätzten rund 30.000 Vergabestellen in Deutschland. Dabei muss man, bei aller Begeisterung für das Medium Internet, aber auch respektieren, wenn noch nicht alle Beschaffer im Onlinezeitalter angekommen sind.
Liebes Badenweiler, pardon, Fulda – das Thema schreit doch geradezu nach einer Bearbeitung auf der nächsten Tagung.
Thema im Deutschen Vergabenetzwerk (DVNW) diskutieren.
Der Autor Marco Junk ist Rechtsanwalt und war bis 2011 als Bereichsleiter Vergaberecht beim Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien e.V. (BITKOM) Mitglied im DVAL und im Beraterkreis eVergabe des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie. Er ist Herausgeber des Vergabeblog und leitet seit März 2011 die Online-Redaktion des Verlags C. H. Beck.
Marco Junk
Der Jurist Marco Junk gründete im Jahr 2007 den Vergabeblog und 2010 gemeinsam mit Dipl.-Kaufmann Martin Mündlein das Deutsche Vergabenetzwerk (DVNW). Er begann seine berufliche Laufbahn im Jahr 2004 als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer und war danach als Bereichsleiter Vergaberecht beim Digitalverband bitkom tätig. Im Jahr 2011 leitete er die Online-Redaktion des Verlags C.H. Beck. Von 2012 bis 10/2014 war er Mitglied der Geschäftsleitung des bitkom und danach bis 10/2021 Geschäftsführer des Bundesverbands Digitale Wirtschaft (BVDW) e.V. Seit 2022 ist Marco Junk zudem als Leiter Regierungsbeziehungen für Eviden tätig. Seine Beiträge geben ausschließlich seine persönliche Meinung wieder.
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