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Zitierangaben: Vergabeblog.de vom 12/09/2011 Nr. 10802

Vergabe von Strom- und Gaskonzessionen

ParagraphMehr als 3.000 Strom- und Gaskonzessionsverträge laufen in den nächsten Jahren aus und erfordern deren Neuvergabe; denn länger als 20 Jahre dürfen solche Verträge nicht abgeschlossen werden. Für die Marktteilnehmer stellen sich nun zahlreiche wirtschaftliche und juristische Fragen. Unser Autor Dr. Roderic Ortner widmet sich an dieser Stelle der juristischen Frage, wie und nach welchen Regeln die Neuvergabe erfolgt.

Gemeinsamer Leitfaden Bundeskartellamt/Bundesnetzagentur

Das Bundeskartellamt und die Bundesnetzagentur haben anläßlich dieser Flut an Neuverträgen zu dem Thema einen Gemeinsamen Leitfaden veröffentlicht. Überwiegend wird gesagt, dass die uns bekannten Vergabevorschriften, insb. das GWB, VgV und VOL/A auf Strom- und Gaskonzessionsverträge keine Anwendung finden. Nach Auslaufen eines solchen Vertrages habe der Auftraggeber (das EnWG spricht von Gemeinde) gleichwohl eine Art Vergabe durchzuführen. Nach dem oben zitierten Gemeinsamen Leitfaden folgt dies aus den allgemeinen europäischen Vergabeprinzipien. Andere sind der Auffassung, bei einer Vergabe von Strom-/Gas-Konzessionsverträgen nach § 46 Abs. 2, 3 EnWG handele es sich um eine Dienstleistungskonzession, so dass die Regeln über Dienstleistungskonzessionen anwendbar seien, d.h. auch die Mitteilung der Europäischen Kommission zu Auslegungsfragen in Bezug auf das Gemeinschaftsrecht, das für die Vergabe öffentlicher Aufträge gilt, die nicht oder nur teilweise unter die Vergaberichtlinien fallen.

Strom- und Gaskonzessionen = Dienstleistungskonzession?

Handelt es sich bei einem Strom-/Gaskonzessionsvertrag aber wirklich um eine Dienstleistungskonzession? Dies ist zu bejahen, wenn die vom EuGH aufgestellten Voraussetzungen an eine Dienstleistungskonzession erfüllt sind. Denn dann geht Unionsrecht vor und der Gemeinsame Leitfaden von Bundeskartellamt und Bundenetzagentur muss das Nachsehen haben.

Die erste Voraussetzung der Dienstleistungskonzession dürfte klar sein: Der Konzessionär muss eine Dienstleistung erbringen. Dies ist bei einem Strom-/Gaskonzessionsvertrag gegeben, denn die zu verrichtenden Dienstleistungen bestehen darin, dass der Konzessionär vorhandene Leitungsnetze in Stand hält, neue Leitungsnetze errichtet und das Leitungsnetz betreibt.

Weiterhin muss der Konzessionär als Vergütung das Recht zur Verwertung der eigenen Leistung eingeräumt werden. Auch dies ist zu bejahen, da die Hauptleistungspflicht des öffentlichen Auftraggebers (in der Regel ein Kreis, eine Stadt oder eine Gemeinde) darin besteht, dem Konzessionär seine öffentlichen Wege, Straßen und Plätze zur Verfügung zu stellen. Der Konzessionär verwertet die Leistung in der Regel durch Erhebung von Nutzungsgebühren. Im Gegenzug zahlt er der Gemeinde eine regelmäßige Konzessionsabgabe.

Wichtigstes Merkmal der Dienstleistungskonzession ist freilich, dass der Konzessionär das wirtschaftliche Risiko der Verwertung trägt. Dies ist jedoch stets eine Einzelfallfrage, bei welcher alle die Leistung des Konzessionärs betreffenden risikoerhöhenden und risikoverringernden Faktoren zu berücksichtigen sind. Dazu gehört neben der vertraglichen Risikoverteilung auch das allgemeine Betriebs- und Marktrisiko. Die Antwort auf die oben gestellte Frage lautet also, wie so oft: „Es kommt darauf an!“ Falls der (Strom-/Gas-) Konzessionär das (ggf. bereits eingeschränkte) Risiko zu einem nicht unerheblichen Teil übernimmt, handelt es sich um eine Dienstleistungskonzession. Andernfalls könnte es sich, ketzerisch gesprochen, sogar um einen öffentliche Auftrag handeln.

In der Praxis wird in aller Regel eine Dienstleistungskonzession vorliegen. Die Vergabe von Strom- und Gaskonzessionsverträge muss sich daher an den Regeln über die Vergabe einer Dienstleistungskonzession messen lassen. Eine gerichtliche Entscheidung hierüber gibt es aber leider noch nicht.

Strom- und Gaskonzessionen – Inhouse-Vergabe möglich?

Ebenfalls noch ungeklärt ist die Frage, ob und inwieweit die Vergabe von Strom-/Gaskonzessionsverträgen nach § 46 Abs. 2 und EnWG von den Regelungen über die Inhouse-Vergabe nach der Teckal-Rechtsprechung des EuGH überlagert wird. Aus meiner Sicht ist die Vergabe „inhousefähig“, d.h. bei Vorliegen der Teckal-Voraussetzungen muss ein Strom-/Gaskonzessionsvertrag natürlich nicht ausgeschrieben werden. Eine andere Sichtweise liefe auf einen Privatisierungszwang hinaus. Eine öffentliche Bekanntmachung machte im Übrigen auch keinen Sinn, da ohnehin keine Öffnung des Auftrags aus dem staatlichen Bereich hinaus erfolgen soll. Dies hat der EuGH für Dienstleistungskonzessionen auch unlängst – und oft übersehen – bestätigt (Urteil vom 13.10.2005, Rs. C-458/03, Parking Brixen, Rn. 62).

Fazit

Nach Ablauf einer Strom-/Gaskonzession ist diese im Wettbewerb neu auszuschreiben. Da es sich in aller Regel um eine Dienstleistungskonzession handelt, findet das streng formalisierte Vergaberecht keine Anwendung und die Vergabenachprüfungsinstanzen sind unzuständig. Gleichwohl erfolgt die Vergabe nicht in einem rechtsfreien Raum. Zu beachten sind die allgemeinen vergaberechtlichen Grundsätze der Nichtdiskriminierung und der Transparenz. Handlungsanweisungen an die ausschreibende Stelle enthalten der oben zitierte Gemeinsame Leitfaden des Bundeskartellamts und der Bundesnetzagentur sowie die Mitteilung der Kommission. Keine Ausschreibungs- und damit Bekanntgabepflicht besteht, wenn die Konzession „inhouse“ vergeben wird.

Ortner_RodericDer Autor Dr. Roderic Ortner berät Auftraggeber und Bieter in allen vergaberechtlichen Fragen mit einem Schwerpunkt im ITK-, Verteidigungs- und Forschungsbereich. Am 02.03.2011 fand unter seiner Beteiligung ein EWeRK-Workshop zu dem Thema: „Leitfaden zur Vergabe von Strom- und Gaskonzessionen und zum Wechsel des Konzessionsnehmers“ statt. Hierzu ist ein Aufsatz in der EWeRK 2011, Seite 111 f. erschienen. Zum Aufsatz geht es hier.

dvnwlogoThema im Deutschen Vergabenetzwerk (DVNW) diskutieren.

Dr. Roderic Ortner

Roderic Ortner ist Rechtsanwalt, Fachanwalt für Vergaberecht sowie Fachanwalt für IT-Recht. Er ist Partner in der Sozietät BHO Legal in Köln und München. Roderic Ortner ist spezialisiert auf das Vergabe-, IT und Beihilferecht und berät hierin die Auftraggeber- und Bieterseite. Er ist Autor zahlreicher Fachbeiträge zum Vergabe- und IT-Recht und hat bereits eine Vielzahl von Schulungen durchgeführt.

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