§ 19 EG VOL/A
Billig ist nicht immer gut! Auftraggeber, die dieser Erkenntnis folgen und qualitativ zweifelhafte Dumpingangebote schon im Vergabeverfahren „aussieben“ wollen, haben es vor allem bei standardisierten Dienstleistungen nicht leicht. Wie soll hier im Vorfeld Qualität geprüft werden? Kann zumindest eine hinreichende personelle Ausstattung vorgegeben werden? Eine jüngere Entscheidung des OLG Düsseldorf gibt Denkanstöße (Beschluss vom 08.09.2011, Az.: Verg 80/11).
1. Die Entscheidung
In dem entschiedenen Fall ging es um die Ausschreibung von Reinigungsdienstleistungen. Die Bieter sollten sich nach dem ausgeschriebenen Werkvertrag dazu verpflichten, in hinreichendem Umfang geeignetes Aufsichts- und Kontrollpersonal einzusetzen. Vertraglich vorgegeben waren nicht nur regelmäßige Stichprobenkontrollen, sondern auch die laufende Einweisung und Überwachung des Reinigungspersonals. Die Vergabestelle forderte mit Angebotsabgabe die Vorlage einer Kalkulation, deren Stundenverrechnungssatz erkennen ließ, dass die Kosten für das erforderliche Personal auch insoweit hinreichend berücksichtigt wurden. Die Kalkulation sollte insoweit auf Plausibilität geprüft werden. Ein Bieter, der in dieser Kalkulation nur die Kosten einer gesonderten Aufsichtsperson für die Kontrollen ausgewiesen hatte, nicht aber für die laufende Kontrolle und Aufsicht, leitete gegen seinen Ausschluss Nachprüfungsantrag ein.
Ohne Erfolg! Das Oberlandesgericht Düsseldorf bestätigte nicht nur grundsätzlich die Zulässigkeit der erfolgten Plausibilitätskontrolle, sondern erklärte auch den darauf gestützten Ausschluss des Bieters im Rahmen der formalen Angebotsprüfung – also schon auf der ersten Stufe der Angebotswertung – für vergaberechtskonform.
2. Kalkulationsvorgaben sind zu beachten!
Der Bieter drang mit seiner Argumentation, eine „laufende Aufsicht“ sei nicht gesondert zu kalkulieren, nicht durch. Der Senat folgte insoweit der entgegen gesetzten Ansicht der Vergabestelle. Aufgrund der in Reinigungsbranche geltenden Tariflöhne ließen sich die insoweit zu berücksichtigenden Personalkosten auch ohne weiteres ermitteln. Dahinter blieb der angegebene Wert des Bieters zurück.
Entscheidend war, dass dies nach den Kalkulationsvorgaben der Vergabestelle ausgeschlossen war. Aus diesem Grunde konnte es der Senat letztlich auch offenlassen, ob das Angebot keine Tariflöhne vorsah – dann hätte der Bieter wegen fehlender Gesetzestreue gem. § 97 Abs. 4 GWB den Zuschlag nicht erhalten dürfen – oder ob es von den Vorgaben der Vergabeunterlagen abwich, indem es kalkulativ einen geringen Personalumfang vorsah, als durch den Auftragsgegenstand geboten. Denn in jedem Fall war die Kalkulation nicht bringen mit den Vorgaben des Auftraggebers in Übereinstimmung zu und damit unplausibel.
3. Im Vergleich: Ausschluss in der Auskömmlichkeitsprüfung
Es kam deswegen auch nicht darauf an, ob der Preis im Vergleich zu den übrigen Angeboten „ungewöhnlich niedrig“ im Sinne des § 19 Abs. 6 EG VOL/A war. Ein hierauf gestützter Ausschluss (auf der dritten Wertungsstufe) wäre schwieriger gewesen. Die Vergabestelle hätte die Gründe eines vergleichsweise günstigen Angebotspreises aufklären müssen. Zwar sind Bieter bei Branchen mit einem für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrag an die vereinbarten Mindestlöhne gesetzlich gebunden (vgl. VK Südbayern, Beschluss vom 31.05.2011, Az. Z 3-3-3194-1-11-03/11; VK Bund, Beschluss vom 10.06.2011, Az. VK 3 -56/11). Ein Unterkostenangebot als solches gebietet aber noch nicht den zwingenden Ausschluss. Denn diese können unternehmensstrategisch gerechtfertigt sein, wenn beispielsweise ein sog. „Newcomer“ in einen Markt eintreten möchte oder ein großes Unternehmen das Angebot durch lukrative andere Aufträge „quersubventioniert“. Maßgebend ist deswegen die – im Einzelfall oft schwierige – Prognose dass der Bieter die Leistung nicht vertragsgemäß ausführen können wird.
4. Fazit: Der Auftraggeber entscheidet!
Festzuhalten ist: Vorgaben an die Kalkulation erleichtern es den Auftraggebern, Dumpingangebote zu vermeiden. Solche Vorgaben an die Kalkulation sind im Grundsatz auch zulässig, sie folgen aus dem Leistungsbestimmungsrecht des Auftraggebers (vgl. Kulartz/Kus, VOL/A, 2011, § 16 EG VOL/A, Rn. 78 anknüpfend an BGH, 07.01.2003, Az. X ZR 50/01). Der Auftraggeber entscheidet nämlich, was er beschafft und in welchem Umfang er es beschaffen möchte. Wichtig ist jedoch, dass die Vorgaben keine unzumutbaren Anforderungen an die Bieter stellen und dass sie nicht als Zuschlagskriterien ausgestaltet werden (Vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 14.01.2009, Az. Verg. 59/08; anders allerdings: VK Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 17.01.2011, Az.: VK 2-50/10). Um hier bestehende Gestaltungsmöglichkeiten zu nutzen, empfiehlt sich die genaue Prüfung im Einzelfall.
Die Autorin Dr. Valeska Pfarr, MLE, ist Rechtsanwältin bei Menold Bezler Rechtsanwälte, Stuttgart. Sie ist auf das Vergaberecht spezialisiert, ein Schwerpunkt liegt hierbei auf der Beratung der öffentlichen Hand. Mehr Informationen über die Autorin finden Sie in unserem Autorenverzeichnis.
Thema im Deutschen Vergabenetzwerk (DVNW) diskutieren.
Dr. Valeska Pfarr, MLE
Die Autorin Dr. Valeska Pfarr, MLE, ist Rechtsanwältin bei Menold Bezler Rechtsanwälte, Stuttgart. Sie ist auf das Vergaberecht spezialisiert, ein Schwerpunkt liegt hierbei auf der Beratung der öffentlichen Hand.
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