§§ 120 Abs. 2,128 Abs. 1,3 GWB; § 13 VwKostG
Einigen sich die Beteiligten eines Nachprüfungsverfahrens in der Sache, so steht immer noch die Kostenfrage im Raum. Die Kosten vor der Vergabekammer regelt § 128 GWB – wie sich gerade am Beispiel der Erledigung zeigt – lückenhaft. Im Hinblick auf die Erledigungserklärung in erster Instanz ist deswegen auch bereits eine Divergenzvorlage des OLG Naumburg (OLG Naumburg, Beschluss vom 14. April 2011, Az. 2 Verg 2/11) beim BGH anhängig. Nicht zufriedenstellend geregelt ist aber auch der Fall, in dem sich die Beteiligten erst in der zweiten Instanz einigen. Das zeigt eine jüngere Entscheidung des OLG Brandenburg (OLG Brandenburg, Beschluss vom 08.11.2011, Az.: Verg W 3/11).
1. Der Sachverhalt: späte Erledigung
In dem entschiedenen Fall ging es um die Vergabe von Arzneimittelzubereitungen, für deren vergaberechtliche Prüfung vor der Reform durch das AMNOG zunächst das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg als Beschwerdegericht zuständig war (vgl. zu der Gesundheitsreform den Beitrag „Kostenbremse AMNOG? – Neues von der Gesundheitsreform“ von Dr. Valeska Pfarr, 06.12.2010) Die übereinstimmende Erledigungserklärung erfolgte, nachdem der Vergabesenat des OLG Brandenburg erkennen ließ, dass er die Sicht der Kollegen der Sozialgerichtsbarkeit nicht nur teile, sondern sogar schon die Antragsbefugnis der Antragstellerin ablehne und in einem Parallelverfahren die Rücknahme des Antrags angeregt hatte (OLG Brandenburg, Beschluss vom 03.11.2011, Az. Verg W 4/11).
2. Die Entscheidung: § 128 Abs. 3 GWB nicht anwendbar
Die Entscheidung zu den Kosten dieser späten Erledigung ist bemerkenswert. Nur in der Beschwerdeinstanz kam es auf die Erfolgsaussichten in der Hauptsache gem. § 120 Abs. 2 i.V.m. § 78 Satz 1 GWB an. Anderes galt für die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens:
Das OLG Brandenburg wendete hier nicht die speziellen Vorschriften für die Erledigung gem. § 128 Abs. 3 Satz 3 und 4 GWB an, sondern vielmehr die allgemeine Vorschrift zur Kostentragung in § 128 Abs. 1 GWB. Das begründet der Senat damit, dass die Erledigung erst nach, und nicht wie § 128 Abs. 3 GWB formuliert: „vor“ der Entscheidung der Vergabekammer eingetreten sei. Das Unternehmen musste zwar auch hier im Ergebnis die Gebühren tragen, aber nicht aufgrund der fehlenden Erfolgsaussichten, sondern vielmehr deswegen, weil es „Veranlasser“ des Nachprüfungsverfahrens im Sinne § 13 VwKostG war. Auch bei positiven Erfolgaussichten wären ihm demnach die Gebühren aufzuerlegen gewesen.
Die Aufwendungen der Verfahrensbevollmächtigten hingegen sollte für diese Instanz jede Partei selbst tragen. Das Argument: durch die Erledigung sei letztlich auch keine Partei unterlegen. Der Senat behandelt die Erledigung insoweit also anders als eine Rücknahme, welche zur Folge hat, dass der Zurücknehmende die notwendigen Aufwendungen des Gegners und der Beigeladenen zu erstatten hat. Die Erfolgsaussichten in der Hauptsache sind auch insoweit unerheblich.
Die Entscheidung liegt zwar teilweise auf einer Linie mit anderen Entscheidungen zur Frage der Kostentragung bei übereinstimmender Erledigung in zweiter Instanz (KG, Beschluss vom 18.03.2010, Az. 2 Verg 7/09, OLG Düsseldorf, Beschluss vom 26.11.2007, Az. VII Verg 53/05). Der Verweis auf eine Entscheidung des BGH aus dem Jahr 2003 scheint aber fragwürdig. Diese betraf nämlich nicht die Kosten bei übereinstimmender Erledigung in zweiter Instanz nach einer Sachentscheidung in der ersten, sondern vielmehr den Fall, in dem es an einer Hauptsachentscheidung der Vergabekammer gerade fehlte, weil diese die Erledigung festgestellt hatte. Der BGH stützte seine Entscheidung daher auch darauf, dass diese Feststellungsentscheidung nicht wie ein Unterliegen zur Hälfte eingeordnet werden dürfe (BGH, Beschluss vom 09.12.2003, Az. X ZB 14/03) – eine Argumentation, die bei einer tatsächlich ergangenen Sachentscheidung in der ersten Instanz nicht greift.
Zumindest im Ergebnis aber scheint die fehlende Differenzierung im Hinblick auf die Erfolgsaussichten wenig interessengerecht. Die Anwendung des § 13 VwKostG sanktioniert nachträglich die Ausübung von Bieterrechten, während die undifferenzierte Auferlegung der Kosten für Verfahrensbevollmächtigte Anreize minimiert, auch bei guten Erfolgsaussichten einer Erledigung zuzustimmen und so zu einer (verfahrenseffizienten) einvernehmlichen Lösung zu gelangen.
Die Autorin Dr. Valeska Pfarr, MLE, ist Rechtsanwältin bei Menold Bezler Rechtsanwälte, Stuttgart. Sie ist auf das Vergaberecht spezialisiert, ein Schwerpunkt liegt hierbei auf der Beratung der öffentlichen Hand. Mehr Informationen über die Autorin finden Sie in unserem Autorenverzeichnis.
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Dr. Valeska Pfarr, MLE
Die Autorin Dr. Valeska Pfarr, MLE, ist Rechtsanwältin bei Menold Bezler Rechtsanwälte, Stuttgart. Sie ist auf das Vergaberecht spezialisiert, ein Schwerpunkt liegt hierbei auf der Beratung der öffentlichen Hand.
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