Ein Gastbeitrag von Dr. Christian P. Kokew, BEITEN BURKHARDT
Die (beabsichtigte) Vergabe einer Dienstleistungskonzession kann nicht im Rahmen eines Nachprüfungsverfahrens von den Vergabekammern und den Vergabesenaten überprüft werden. Hierfür sind allein die Verwaltungs- und Zivilgerichte zuständig. Welcher Rechtsweg im Einzelfall eröffnet ist, richtet sich nach der Rechtsform der Dienstleistungskonzession. Wird dennoch ein Vergabenachprüfungsverfahren eingeleitet, haben die Vergabesenate das Verfahren nach § 17a Abs. 2 GVG an das Gericht des zulässigen Rechtsweges zu verweisen.
Beschluss des BGH vom 23. Januar 2012 – X ZB 5/11
Vorhergehend: OLG München, Beschluss vom 30. Juni 2011 – Verg 5/09
Sachverhalt
Der Antragsteller, ein privates Rettungsdienstunternehmen, erbringt Rettungsdienstleistungen im Auftrag eines bayerischen Rettungsdienstzweckverbands (Antragsgegner). Während des Vertragsverhältnisses tritt das bayerische Rettungsdienstgesetz (BayRDG) in Kraft. Durch § 13 Abs. 1 BayRDG wird der Antragsgegner verpflichtet, Rettungsdienstleistungen an die dort genannten Rettungsdienstunternehmen oder an vergleichbare Hilfsorganisationen zu vergeben. Der Antragsteller wird in § 13 Abs. 1 BayRDG nicht namentlich erwähnt.
Nach Inkrafttreten des Gesetzes kündigt der Antragsgegner den Vertrag mit dem Antragssteller und schließt mit anderen Rettungsdienstunternehmen Interimsverträge zur zeitweiligen Sicherstellung des Rettungsdienstes im Verbandsgebiet. Der Antragsteller leitet gegen die Direktvergabe ein Nachprüfungsverfahren vor der zuständigen Vergabekammer ein. Diese verwirft den Antrag als unzulässig, weil die Interimsverträge als Dienstleistungskonzession zu qualifizieren seien und daher ein Vergabenachprüfungsverfahren nach dem GWB ausscheide. Mit seiner dagegen gerichteten sofortigen Beschwerde begehrt der Antragssteller weiteren Rechtsschutz beim Oberlandesgericht München (OLG). Dieses legt dem EuGH die Frage zur Entscheidung vor, ob die nach Maßgabe von § 13 BayRDG vorgesehene Betrauung mit der Erbringung von Rettungsdienstleistungen als Dienstleistungskonzession zu bewerten sei, was der EuGH bestätigt.
Das OLG erklärt sich aus diesem Grunde für unzuständig und verweist den Rechtsstreit gemäß § 17a Abs. 2 GVG an das Verwaltungsgericht Regensburg. Der Verwaltungsrechtsweg sei eröffnet, weil nach § 13 Abs. 4 S. 1 BayRDG die Dienstleistungskonzession als öffentlich-rechtlicher Vertrag vergeben werde. Gegen diesen Verweisungsbeschluss legt der Antragsteller Rechtsbeschwerde beim Bundesgerichtshof BGH ein, beantragt die Aufhebung des OLG-Beschlusses und die Feststellung der Zulässigkeit des Rechtsweges zu den Vergabenachprüfungsinstanzen.
Entscheidung
Der BGH weist die Rechtsbeschwerde als unbegründet zurück. Ein Nachprüfungsverfahren sei unzulässig, weil eine Dienstleistungskonzession nicht als öffentlicher Auftrag im Sinne von § 99 GWB zu bewerten sei. Rechtsschutz könne daher allein vor den Verwaltungs- oder den Zivilgerichten erlangt werden. Welcher Rechtsweg für Streitigkeiten aus der Vergabe von Dienstleistungskonzessionen eröffnet ist, bestimme sich nach der Rechtsnatur des angestrebten Konzessionsvertrages. Daher seien die ordentlichen Gerichte zuständig, wenn eine Dienstleistungskonzession in Form des Privatrechts vergeben wird und die Verwaltungsgerichte, wenn die Vergabe in der Form des öffentlichen Rechts erfolgt. Da nach Art. 13 Abs. 4 BayRDG der Vertrag zwischen dem Rettungsdienstzweckverband und dem Rettungsdienstleister durch einen öffentlichen Vertrag gestaltet werde, sei vorliegend der Verwaltungsrechtsweg eröffnet. Der BGH bestätigt schließlich die Auffassung der Vorinstanz, nach der Vergabesenate im Falle der Unzulässigkeit des Nachprüfungsverfahrens den Rechtsstreit an das zuständige Gericht nach § 17a Abs. 2 GVG verweisen können.
Der BGH hat bereits in seiner Entscheidung vom 8. Februar 2011 – X ZB 4/10 („Abellio Rail“) festgestellt, dass die Vergabe von Dienstleistungskonzessionen nicht im Wege eines Nachprüfungsverfahrens angegriffen werden kann. Während dieser Beschluss zur Rechtslage nach Inkrafttreten des Vergaberechtsmodernisierungsgesetzes am 24. April 2009 erging, musste der BGH die Ausgangsfrage in seiner Entscheidung vom 23. Januar 2012 erstmals anhand der bis zum 23. April 2009 geltenden Fassung des GWB beantworten.
Der Entscheidung vom 23. Januar 2012 ist zuzustimmen. Die EU-Vergaberichtlinien nehmen Dienstleistungskonzessionen ausdrücklich von ihrem Anwendungsbereich aus (Art. 17 VKR und Art. 18 SKR). Das zur Umsetzung der Vergaberichtlinien ergangene GWB-Vergaberecht hat diese Differenzierung übernommen. Auf Dienstleistungskonzessionen ist der Vierte Teil des GWB daher nicht anzuwenden. Wer sich gegen die (beabsichtigte) Vergabe einer Dienstleistungskonzession wehren will, muss also zunächst die Frage beantworten, ob der Rechtsweg zu den Verwaltungs- oder den Zivilgerichten eröffnet ist. Die richtige Wahl des Rechtsweges ist für den Erfolg des Verfahrens entscheidend: Wird das Verfahren vor dem unzuständigen Gericht eingeleitet, ist die Erteilung des Zuschlags schwer zu verhindern.
Zu beachten ist allerdings, dass nach Meinung des OLG Düsseldorf und des OLG Brandenburg die Zuständigkeit der Vergabenachprüfungsinstanzen begründet ist, wenn der öffentliche Auftraggeber einen Dienstleistungsauftrag i.S.v. § 99 GWB unzulässigerweise als Dienstleistungskonzession vergibt (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss v. 19.10.2011 – Verg 51/11; OLG Brandenburg, Beschluss v. 16.01.2012 – Verg W 19/11).
Der Autor Dr. Christian P. Kokew ist Rechtsanwalt bei der BEITEN BURKHARDT Rechtsanwaltsgesellschaft mbH in Düsseldorf und Mitglied der Praxigruppe Vergaberecht. Er berät und vertritt in- und ausländische Unternehmen sowie öffentliche Einrichtungen umfassend bei Infrastrukturprojekten, Auftrags- und Konzessionsvergaben, öffentlich-privaten Partnerschaften und Umstrukturierungen der öffentlichen Hand.
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