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Urteil des Bayerischen Verfassungsgerichtshofes vom 24.05.2012: Bayerisches Rettungsdienstgesetz teilweise nichtig!

Ein Gastbeitrag von Prof. Dr. Dr. Hilmar Brunner, Fachhochschule für angewandtes Management

ParagraphZur Komplettierung der hier erscheinenden Rettungsdienstserie möchte ich es zum Jahreswechsel nicht versäumen, noch auf eine – für Bayern – wichtige Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs vom 24. Mai 2012 hinzuweisen (Aktenzeichen: Vf. 1-VII-10). Der Bayerische Verfassungsgerichtshof hatte im Rahmen einer Popularklage über die Feststellung der Verfassungswidrigkeit des Art. 13 Abs. 1, 2, 4 Satz 3 und Abs. 5 des Bayerischen Rettungsdienstgesetzes (BayRDG) vom 22. Juli 2008 (GVBl S. 429, BayRS 215-5-1-I) zu befinden.

Sachverhalt

Die Antragstellerin ist ein privates Rettungsdienstunternehmen. Im Rahmen der Popularklage (Art. 98 Satz 4 BV, Art. 55 BayVfGHG) rügt die Antragstellerin Verstöße der angegriffenen Regelungen des BayRDG gegen Art. 101 Bayerische Verfassung (Berufs- und Wettbewerbsfreiheit), Art. 118 Abs. 1 Bayerische Verfassung (Gleichheitssatz), Art. 3 Abs. 1 Satz 1 Bayerische Verfassung (Rechtsstaatsprinzip) sowie vorsorglich die Verletzung des Art. 103 Abs. 1 Bayerische Verfassung (Eigentumsgarantie).

Der Wortlaut des Art. 13 BayRDG, über den der Bayerische Verfassungsgerichtshof zu entscheiden hatte, lautet:

Art. 13

Beauftragung mit Notfallrettung, arztbegleitetem Patiententransport und Krankentransport

(1) 1Der Zweckverband für Rettungsdienst und Feuerwehralarmierung beauftragt mit der bodengebundenen Durchführung von Notfallrettung, arztbegleitetem Patiententransport und Krankentransport

1. das Bayerische Rote Kreuz,

2. den Arbeiter-Samariter-Bund,

3. den Malteser-Hilfsdienst,

4. die Johanniter-Unfall-Hilfe oder

5. vergleichbare Hilfsorganisationen.

2Die Beauftragung mit der Durchführung der Notfallrettung berechtigt auch zur Durchführung von arztbegleitetem Patiententransport und Krankentransport nach Weisung der zuständigen Integrierten Leitstelle. 3Die Beauftragung mit der Durchführung des arztbegleiteten Patiententransports berechtigt auch zur Durchführung des Krankentransports nach Weisung der zuständigen Integrierten Leitstelle.

(2) Soweit die Hilfsorganisationen zur Übernahme des Auftrags nicht bereit oder in der Lage sind, beauftragt der Zweckverband für Rettungsdienst und Feuerwehralarmierung Dritte mit der bodengebundenen Durchführung rettungsdienstlicher Leistungen oder führt sie selbst oder durch seine Verbandsmitglieder durch.

(3) 1Der Zweckverband für Rettungsdienst und Feuerwehralarmierung entscheidet über die Auswahl des Durchführenden und über den Umfang der Beauftragung nach pflichtgemäßem Ermessen. 2Die Auswahlentscheidung ist transparent und nach objektiven Kriterien vorzunehmen. 3Der Zweckverband für Rettungsdienst und Feuerwehralarmierung hat die anstehende Auswahlentscheidung in geeigneter Weise bekannt zu machen, damit sich interessierte Leistungserbringer bewerben können. 4Für die Entscheidung sind insbesondere eine effektive Leistungserbringung sowie wirtschaftliches und sparsames Verhalten maßgeblich. 5Sollen bestehende Einrichtungen des Rettungsdienstes geändert oder erweitert werden, kann der Zweckverband für Rettungsdienst und Feuerwehralarmierung die hier bereits beauftragten Durchführenden ohne weiteres auch insoweit beauftragen. 6Soweit die Entscheidung auch die Mitwirkung von Ärzten im Rettungsdienst berührt, soll die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns angehört werden.

(4) 1Das Rechtsverhältnis zwischen dem Zweckverband für Rettungsdienst und Feuerwehralarmierung und den mit der Durchführung des Rettungsdienstes Beauftragten wird durch öffentlich-rechtlichen Vertrag geregelt. 2Dieser hat alle notwendigen Einzelheiten über den Auftrag und seine Durchführung zu enthalten, insbesondere sind bei Einsatzfahrzeugen die Art des Fahrzeugs, der Standort und, mit Ausnahme von Reservefahrzeugen, die Betriebszeiten konkret festzulegen. 3Zulässig ist die Vereinbarung, dass sich eine Hilfsorganisation zur Erfüllung ihrer vertraglichen Verpflichtungen gegenüber dem Zweckverband für Rettungsdienst und Feuerwehralarmierung einer gemeinnützigen juristischen Person bedienen darf, sofern sämtliche Anteile an der juristischen Person von der Hilfsorganisation gehalten werden.

(5) 1Wenn von der Möglichkeit des Abs. 4 Satz 3 Gebrauch gemacht wird, ist auch die Tochtergesellschaft der Hilfsorganisation Unternehmer im Sinn dieses Gesetzes. 2Sie bedarf für ihre Tätigkeit der Genehmigung nach Art. 21 Abs. 1 und erhält die auf den öffentlich-rechtlichen Vertrag mit der Hilfsorganisation gestützte Genehmigung anstelle der Hilfsorganisation. 3Die Katastrophenhilfspflicht der Hilfsorganisation nach Art. 7 Abs. 3 Nr. 5 des Bayerischen Katastrophenschutzgesetzes erstreckt sich ab dem Zeitpunkt, ab dem die Tochtergesellschaft die Erfüllung der gegenüber dem Zweckverband für Rettungsdienst und Feuerwehralarmierung bestehenden Verpflichtung der Hilfsorganisation übernimmt, auch auf die Tochtergesellschaft.

Leitsätze

1. Art. 13 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 BayRDG verstößt gegen das Grundrecht der Berufsfreiheit (Art. 101 BV) und ist nichtig, soweit Dritte nur dann mit der bodengebundenen Durchführung rettungsdienstlicher Leistungen beauftragt werden können, wenn die Hilfsorganisationen zur Übernahme des Auftrags nicht bereit oder in der Lage sind. Die sich hieraus ergebende Vorrangstellung der Hilfsorganisationen hat für Dritte die Wirkung einer objektiven Berufszugangsvoraussetzung. Sie ist zur Sicherstellung einer flächendeckenden, effektiven und wirtschaftlichen Versorgung mit rettungsdienstlichen Leistungen nicht erforderlich, da dieses Gesetzesziel auch erreicht werden kann, wenn Dritte gleichrangig in das Auswahlverfahren nach Art. 13 Abs. 3 BayRDG einbezogen werden.

2. Die in Art. 13 Abs. 4 Satz 3 und Abs. 5 BayRDG vorgesehene Möglichkeit, dass Hilfsorganisationen ihre rettungsdienstlichen Verpflichtungen mithilfe von Tochtergesellschaften erfüllen, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

Der Bayerische Verfassungsgerichtshof stellte fest, dass die Beauftragung mit der Durchführung rettungsdienstlicher Leistungen durch die Rettungszweckverbände in Bayern in Form von Dienstleistungskonzessionen (sog. Konzessionsmodell), nicht mittels Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge (sog. Submissionsmodell) erfolge. Solche Verträge über Dienstleistungskonzessionen würden daher weder von den Richtlinien, mit denen der Unionsgesetzgeber das öffentliche Auftragswesen geregelt habe (vgl. Art. 1 Abs. 4, Art. 17 der Richtlinie 2004/18/EG vom 31.3.2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge, ABl L 134/114; EuGH vom 10.3.2011 = BayVBl 2011, 497.), noch von §§ 97 ff. GWB erfasst.

Nach Ansicht des Bayerischen Verfassungsgerichtshofes stehe es dem nationalen Gesetzgeber zwar frei, auch ohne europarechtliche Verpflichtung die in der Richtlinie 2004/18/EG enthaltenen Anforderungen an die Transparenz der Auswahlverfahren ganz oder teilweise zu übernehmen sowie für Dienstleistungskonzessionen ebenfalls die Anwendung der §§ 97 ff. GWB vorzusehen. Allerdings habe der bundesdeutsche Gesetzgeber von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch gemacht (vgl. BGH vom 8.2.2011 = BGHZ 188, 200; BT-Drs. 16/10117 S. 17).

Weiter führte der Bayerische Verfassungsgerichtshof aus, dass durch das Gesetz zur Modernisierung des Vergaberechts vom 20. April 2009 (BGBl I S. 790) Dienstleistungskonzessionen – im Gegensatz zu den bereits erfassten Baukonzessionen – nach wie vor nicht in den Anwendungsbereich des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen einbezogen worden seien (vgl. § 99 GWB).

Deutsches VergabenetzwerkFazit

Die Entscheidung hat zur Konsequenz, dass bis zu einer Neuregelung private Anbieter vom betreffenden Zweckverband für Rettungsdienst und Feuerwehralarmierung mit in die Entscheidung gemäß Art. 13 Abs. 3 BayRDG ein zu beziehen sind. Wie diese Einbeziehung konkret in der Praxis erfolgen soll, lässt die Entscheidung offen.

8Der Autor Prof. Dr. Dr. Hilmar Brunner ist Professor für Öffentliches Recht und Public Management an der Fachhochschule für angewandtes Management, Rechtsanwalt sowie Berater bei PMA – Die Kommunalberater GmbH.

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