Am 30.01.2013 hat der Sächsische Landtag (Foto) das neue Landesvergabegesetz der CDU/FDP-Koalition beschlossen. Die bemerkenswerteste Eigenschaft neben der Verschlankung von 23 auf 11 Paragrafen und dem Wegfall der Durchführungsverordnung: Man verzichtet, so die Landesregierung, “auf den Zwang zu jeglichen sachfremden gesellschaftspolitischen, sozialen und ökologischen Auflagen.”
Wenig überraschend erfährt das Gesetz deutliche Kritik aus den Reihen von Umwelt- und Sozialverbänden, die darauf verweisen, dass insgesamt zwölf Bundesländer soziale Kriterien in der Reform ihrer Vergabegesetze berücksichtigen. Iris Kloppich, Vorsitzende des DGB-Bezirks Sachsen, wird einer einer Pressemitteilung zitiert:
„Die Erteilung öffentlicher Aufträge muss an zeitgemäße Tarif-, Sozial- und Ökostandards gebunden sein. Nur so ist Lohndumping auszuschließen und eine hohe Qualität von Leistungen und Produkten zu gewährleisten.“
Bettina Musiolek von der Allianz SACHSEN KAUFT FAIR in Dresden betont:
„Die Nachhaltigkeitsziele der Landesregierung werden durch diesen Gesetzentwurf nachhaltig konterkariert.“
Aber zu den eigentlichen Inhalten des neuen Gesetzes:
Nachprüfung
Ab 50.000 EUR (bei Bauleistungen ab 75.000 Euro statt 150.000 Euro) können Widersprüche innerhalb von zehn Tagen geprüft werden. Bei Vergaben der kreisangehörigen Gemeinden werden diese nun zentral durch die Landesdirektion Sachsen geprüft. So soll die Rechtsanwendung vereinheitlich und die Landratsämter entlastet werden.Freihändige Vergaben
Die Grenze für freihändige Vergaben werden einheitlich auf 25.000 Euro hochgesetzt. Schulbücher dürfen nun erstmals generell freihändig vergeben werden, da diese ohnehin der Buchpreisbindung unterliegen.
Eignungsprüfung
Deutlich unbürokratischer als bisher erfolgt künftig der Nachweis der Eignung des Bieters. Es sollen dazu nur noch die Unterlagen und Angaben gefordert sein, die “durch den Auftrag gerechtfertigt” sind. Zudem können viele Einzelnachweise nun durch eine Eigenerklärung ersetzt werden. Eine weitere Neuregelung ist der Verzicht auf Gewährleistungsbürgschaften bis zu einem Auftragswert von 250.000 Euro, was insbesondere kleine Unternehmen von hohem Aufwand und Kosten entlasten soll.
Schleswig-Holstein schreibt in seinem aktuellen Gesetzentwurf die Beachtung von Tarif- und Menschenrechten vor und führt darüber einen intensiven Dialog mit der Zivilgesellschaft. Insgesamt zwölf Bundesländer berücksichtigen Menschenrechte sowie Tarifrechte in der Reform ihrer Vergabegesetze.
Während das CSU-geführte Bundesministerium des Inneren eigens eine bundesweite „Kompetenzstelle für nachhaltige Beschaffung“ eingerichtet hat, um nach eigener Darstellung „als Motor die öffentliche Beschaffung ökologischer und sozial kompatibler zu gestalten“, hält die sächsische Landesregierung – laut eigener Aussage “entgegen der allgemeinen Entwicklung“ – daran fest, dass sich Wirtschaft und Menschenrechte fremd seien. Diese Haltung der sächsischen Regierungskoalition widerspricht zudem den „UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte“, welche die Einhaltung von Menschenrechten zur Sorgfaltspflicht von Unternehmen erklären.
2007 verabschiedete der Sächsische Landtag einen Beschluss, nachdem
“im Beschaffungswesen des eigenen Geschäftsbereichs künftig nur Produkte zu berücksichtigen (sind), die ohne ausbeuterische Kinderarbeit im Sinne der ILO-Konvention 182 hergestellt wurden bzw. Produkte, deren Hersteller oder Verkäufer aktive Maßnahmen zum Ausstieg aus der ausbeuterischen Kinderarbeit eingeleitet haben. Eine Umsetzung im Rahmen der Überarbeitung des sächsischen Vergaberechts ist zu prüfen.“
Im am 30.1.2013 verabschiedeten Vergabegesetzentwurf der CDU/FDP-Regierungskoalition beschreibt sie jedoch Menschenrechte als „vergabefremd“ und isoliert sich damit europaweit. Zudem ging die 2007 avisierte Prüfung der Umsetzung des 2007-Bechlusses bei der Vergabegesetznovellierung negativ aus. Das neue Vergabegesetz widerspricht damit dem Landtagsbeschluss von 2007.