Der Ausschreibungswettbewerb soll im absoluten Regelfall zum Anbieten gleicher Produkte, und damit zu vergleichbaren Angeboten führen. Dies mag z.B. bei Liefergegenständen so der generelle Standard sein. Wie aber sieht es im Dienstleistungsbereich aus, wenn lediglich eine funktionale Lösung vorgegeben ist, die typischerweise mit unterschiedlicher Software erreicht wird? Keinem Büro wird man vorschreiben können, ob es mit Linux oder Microsoft-Produkten arbeitet oder ob es die Spezialsoftware X oder Y verwendet. Dies befand auch der Vergabesenat beim OLG Brandenburg (Beschluss v. 30.04.2013 – W Verg 3/13) und bejahte im Grundsatz die Möglichkeit, im Rahmen einer Ausschreibung – softwarebedingt – eine modifizierte Leistungsbeschreibung zu verwenden. Lesen Sie selbst, wie das im Einzelnen möglich gewesen ist.
Keine zulässige Verengung auf eine einzige Software
Der öffentliche Auftraggeber (Agg.) benötigt ein hydraulisches Modell für einen späteren Hochwasserrisikomanagementplan nach der EG-Hochwasserrisikomanagement-RL (2007/60/EG). Für die hydraulischen Berechnungen, die der Auftragnehmer vorzunehmen hat, wird ein digitales Geländemodell, unterstützt durch eine entsprechende Software, erstellt. Die Leistungen wurden erstmals im März 2012 europaweit ausgeschrieben. In jener Ausschreibung war vorgesehen, dass die hydraulische Modellierung mit dem Softwaresystem SOBEK durchgeführt wird. Die ASt., eine Bietergemeinschaft, rügte die einseitige Vorgabe der Software SOBEK.
Der Auftraggeber hob deshalb die Ausschreibung auf und schrieb die Leistungen erneut als Dienstleistungsauftrag im Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb europaweit aus. Für die benötigte Software wird nun eine Alternative zugelassen, neben dem kombinierten 1D / 2D-Modell der aufgehobenen Ausschreibung (SOBEK) auch ein 2D-Modell. In der Vergabebekanntmachung wird darauf hingewiesen, dass für alle Lose dieselbe Software zur Anwendung kommen muss. Wird dieselbe Modellierungssoftware nicht für alle Lose angeboten, wird darüber mit den Bietern verhandelt. Dies wird so ablaufen, dass Bieter, die für ein Los die „Minderheitssoftware“ angeboten haben, die Möglichkeit erhalten, ihr Angebot entsprechend zu ändern und das Softwareprodukt anzubieten, das für die meisten Lose angeboten wurde („Mehrheitssoftware“). Der Zuschlag erfolgt auf das wirtschaftlich günstigste Angebot.
In den Bewerbungsbedingungen wiederholte der Agg. diese Hinweise für die anzubietende Modellierungssoftware und stellte dabei klar, dass es allein auf die genannten Softwaretypen ankomme, wohingegen der Hersteller keine Rolle spiele. Die Auswahl der Teilnehmer, die zur Angebotsabgabe aufgefordert werden, erfolgt gemäß Vergabebekanntmachung zu 70% nach der fachlichen Eignung und zu 30% nach der technischen und wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, die anhand der einzelnen Unterkriterien bestimmt wird.
Vor Ablauf der Frist zur Einreichung der Teilnahmeanträge gab der Agg. seine Antworten auf verschiedene Bewerberfragen an alle Teilnehmer bekannt. Dabei wird den Bietern mitgeteilt, dass der Bewerber die Möglichkeit hat, auf Seite 1 des Bewerbungsbogens die zur Bearbeitung vorgesehene Software anzugeben, und dass auf der Innenseite des Bewerbungsbogens dann die Angabe eines weiteren Softwaretyps erfolgen kann, der von dem Unternehmen ebenfalls eingesetzt werden kann. Das wird im Rahmen des Verhandlungsverfahrens dann interessant, wenn die vorrangig angegebene Software nicht „mehrheitsfähig“ ist. In diesem Fall würde die andere Software als hilfsweise angeboten gelten.
Die eingegangenen Teilnahmeanträge sahen jeweils eines der beiden zugelassenen Softwaremodelle vor. 10 Bewerber erhielten die Aufforderung zur Abgabe eines entsprechenden Angebots.
Herausbildung der sog. Mehrheitssoftware
Die ASt. gab ein Angebot für die Lose 1 und 4 ab. Für diese Lose gingen jeweils auch die Angebote zweier weiterer Bewerber ein, wobei ein Angebot für jeweils ein Softwaremodell vorlag. Bei der Bewertung stellte der Agg. die Angebote für den Softwaretyp 2D den Angeboten mit der Software SOBEK gegenüber. Die Gesamtpunktzahl lag bei dem Softwaretyp SOBEK über dem des Softwaretyps 2D. Der Agg. entschied sich daher, die Software SOBEK einzusetzen und deshalb bei dem jeweiligen Los den Bieter auszuwählen, der diese Software angeboten hatte. Bei den Losen 1 und 4 war dies die im Nachprüfungsverfahren Beigeladene (Bgl.). Die ASt. wurde vorab darüber informiert, dass der Zuschlag an die Bgl. erteilt werden soll. Der Agg. führte dazu aus, die Angebote mit der Software SOBEK seien gegenüber den Angeboten mit der Software 2D insgesamt wirtschaftlich günstiger.
Die ASt. rügte bei der Wertung die Gegenüberstellung von Gesamtpunktzahlen für sämtliche Lose je Softwarevariante. Weiter machte sie geltend, dass die Software SOBEK die Anforderungen der Leistungsbeschreibung nicht erfüllen könne, weil sich mit dem 2D-Modell genauere Angaben erzielen ließen. Die von der Bgl. angebotene Software hätte deshalb eine deutlich niedrigere Bewertung erhalten müssen.
Weichenstellung im vorgeschalteten Teilnahmewettbewerb
Der Agg. verwies darauf, dass er für die beiden zugelassenen Softwaremodelle jeweils eine darauf zugeschnitte (und entsprechend leicht unterschiedliche) Leistungsbeschreibung verwendet habe, die an den jeweiligen Bewerber versandt wurde, der sich in seinem Teilnahmeantrag für das betreffende Softwaremodell entschieden hatte. Die Anforderung der Leistungsbeschreibung an das zu errichtende Modell sei deshalb jeweils unterschiedlich gewesen: ein 2D-Modell für den Softwaretyp 2D, ein gekoppeltes 1D/2D-Modell für den Softwaretyp SOBEK. Die Verwendung unterschiedlicher Leistungsbeschreibungen wurde von der ASt. als gegen den Gleichheitssatz verstoßend beanstandet.
Mit ihrem Nachprüfungsantrag macht die ASt. vertiefend geltend, sie habe aus der ihr zugesandten Leistungsbeschreibung einzig den Schluss ziehen können, dass Angebote nur für diese Software abzugeben seien. Sie habe deshalb keine Gelegenheit erhalten, auch die Software SOBEK anzubieten, wozu sie aber in der Lage gewesen sei.
Vergabekammer: Rügedefizite
Die VK hat den Nachprüfungsantrag wegen teilweise verspäteter Rügen bereits als unzulässig, im Übrigen aber als offensichtlich unbegründet zurückgewiesen. Soweit die ASt. die fehlende Vergleichbarkeit der Angebote beanstandet hat, sei bereits der Bekanntmachung zu entnehmen gewesen, dass unterschiedliche Software zum Einsatz kommen könne. Rechtzeitig hat die ASt. nach Auffassung der VK die Angebotswertung in Bezug auf die Unterschiede der beiden Softwaretypen sowie einen Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot wegen der Verwendung unterschiedlicher Leistungsbeschreibungen gerügt. Damit hat die ASt. bei der VK jedoch keinen Erfolg. Die unterschiedlichen Leistungsbeschreibungen seien den Eigenheiten der jeweiligen Software geschuldet und deshalb nicht „gleichheitswidrig“. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der ASt.
Vergabesenat: Hohe formale und inhaltliche Anforderungen an die Rüge
Diese bleibt in der Sache ohne Erfolg (OLG Brandenburg, Beschl. v. 30.4.2013, Verg W 3/13). Denn der Nachprüfungsantrag ist mit sämtlichen Rügen bereits unzulässig. Die ASt. hat erstmals nach Ablauf der Angebotsfrist Rügen erhoben. Dies genügt den Anforderungen des § 107 III GWB nicht. Diese Bestimmung soll verhindern, dass der Auftraggeber erkannte oder erkennbare Verstöße gegen das Vergaberecht „sammelt“ und sie erst dann beanstandet, wenn sich ergibt, dass er den Zuschlag nicht erhalten wird (OLG Brandenburg, Beschl. v. 10.1.2012, Verg W 18/11, VergabeR 2012, 521). Aus diesem Grunde unzulässig ist hier gemäß § 107 III 1 Nr. 3 GWB die Rüge gegen die Zulassung einer Alternative der zu verwendenden Software.
Mit dem Hinweis in den Bewerbungsunterlagen, dass die hier allein möglichen Softwaretypen – unabhängig vom Hersteller – gleich bewertet werden, hat der Auftraggeber ausreichend deutlich gemacht, dass er beide Varianten als für die Erfüllung der Aufgabe gleich geeignet beurteilt. Die ASt. kann deshalb nicht mehr auf die größere Genauigkeit einer umfassenden 2D-Modellierung verweisen.
Ausgeschlossen ist die ASt. auch mit ihrem Vorbringen gegen eine einheitlich einzusetzende Softwarevariante. Auch insofern geht aus der Bekanntmachung hervor, dass die Entscheidung für eine Softwarevariante nach einer wirtschaftlichen Gesamtbetrachtung erfolgen sollte, bei der alle Einzellose berücksichtigt werden.
Nicht rechtzeitig vorgebracht ist auch die Behauptung der ASt., der Auftragsumfang sei mangels Angabe der Querbauwerke und der Bauwerke im Vorland des Untersuchungsgebiets nicht hinreichend bestimmt.
Präkludiert ist die ASt. auch mit ihrer Rüge gegen die Berücksichtigung von Angeboten mit der Software SOBEK. Der mögliche Einsatz einer der beiden Softwarevarianten war für einen sachkundigen und verständigen Bieter bereits aus den Vergabeunterlagen erkennbar. Zwar ist der ASt. zuzugeben, dass sie aus der ihr zugesandten Aufforderung, ein Angebot mit der Software 2D abzugeben, nicht ersehen konnte, dass andere Bieter eine Aufforderung zur Abgabe eines Angebots mit der Software SOBEK erhalten hatten. Die Versendung einer jeweils softwarespezifischen Leistungsbeschreibung ließ ebenfalls nicht erkennen, dass andere Bieter die Möglichkeit der Entscheidung für eine andere Softwarevariante erhalten hatten. Die Entscheidung, den einzelnen Bieter zur Abgabe eines Angebots der einen oder der anderen Softwarevariante aufzufordern, richtete ich allein nach dessen Angaben im Teilnahmeantrag. Gleichwohl folgt daraus nicht, dass die ASt. davon ausgehen konnte, der Agg. habe sich auf nur eine Softwarelösung festgelegt. Vielmehr ist aus der Gesamtheit der Vergabeunterlagen erkennbar, dass mit der gesuchten „wirtschaftlichsten Kombination der Lose“ auch nach der am besten geeigneten Software gefragt war. So ist in der Aufforderung zur Angebotsabgabe ausdrücklich von den beiden abgefragten Modellierungs-Softwaretypen die Rede, für die bezogen auf alle Lose ein zuschlagsfähiges Angebot erstellt werden sollte. Die Vergabeentscheidung sollte nach dem Gesichtspunkt getroffen werden, für welche Software sich die „wirtschaftlichste Gesamtkombination“ ergibt/ ergeben würde, die alle Preisangebote der Einzellose berücksichtigt.
Insbesondere: Rüge der Bietergemeinschaft als solcher erforderlich
Nach Auffassung des Senats kann sogar offenbleiben, ob die Rügen mit Ablauf der Angebotsfrist präkludiert waren, weil die ASt. ihre Rügeobliegenheit noch aus einem anderen Grund verletzt hat. Die Rüge der ASt. ist jedenfalls nach § 107 III 1 Nr. 1 GWB ausgeschlossen. Die ASt. hat als Bietergemeinschaft nicht unverzüglich nach Erkennen des Vergabeverstoßes Rüge erhoben. Gegen eine Anwendung des § 107 III 1 Nr. 1 GWB bestehen nach Meinung des Senats auch angesichts der EuGH-Rechtsprechung keine Bedenken. Der verwendete Begriff „unverzüglich“ ist in § 121 I BGB legal definiert („ohne schuldhaftes Zögern“), so dass schon damit den Anforderungen des EuGH entsprochen wäre (EuGH, Urt. v. 28.01.2010, C-406/09, VergabeR 2010, 457 und C-456/08; vgl. OLG Dresden, Beschl. v. 07.05.2010, WVerg 6/10; OLG Rostock, Beschl. v. 20.10.2010, 17 Verg 5/10; OLG Brandenburg, Beschl. v. 10.01.2012, Verg W 18/11; offen lassend OLG München, Beschl. v. 03.11.2011, Verg 14/11; a.A. OLG Celle, Beschl. v. 26.04.2010, 13 Verg 4/10).
Spätestens mit dem Vorabinformationsschreiben gemäß § 101a GWB hat die ASt. deshalb davon Kenntnis erhalten, dass Angebote mit der Software SOBEK zugelassen waren, weil ihr darin der Zuschlag an die Bgl. mit dieser Software auf die Lose 1 und 4 mitgeteilt wurde.
Die ASt. ist nicht dadurch in ihren Rechten verletzt, dass sie eine auf 2D-Software zugeschnittene Leistungsbeschreibung erhalten hat. Eine Rechtsverletzung kann vielmehr nur darin liegen, dass der Auftraggeber den Bietern mit der Aufforderung zur Angebotsabgabe nicht in optimaler Weise deutlich gemacht hat, dass Angebote sowohl unter Einsatz der einen als auch der anderen Software abgegeben werden können. Aufgrund dieser nicht ausreichenden Klarstellung war die ASt. davon ausgegangen, es habe sich bereits im Teilnahmewettbewerb eine „Mehrheitssoftware“ ergeben.
Diesen Verstoß, den die ASt. mit Erhalt des Vorabinformationsschreibens erkannte – hierdurch wurde für sie erkennbar, dass auch Angebote mit der Software „SOBEK“ zugelassen waren – hat sie im Ergebnis nicht unverzüglich gerügt.
Zwar hat einen Tag nach Zugang des Vorabinformationsschreibens der Verfahrensbevollmächtigte genau dies gerügt, allerdings nur im Namen eines einzigen Mitglieds der Bietergemeinschaft. Diese Rüge wirkt nicht für die ASt. als Bietergemeinschaft, weil die darin enthaltenen Erklärungen ausdrücklich nur im Namen des einen Mitgliedes abgegeben wurden. Die erst nachträglich im Namen der Bietergemeinschaft erhobenen Rügen waren nicht mehr unverzüglich.
Die ASt. kann die Rechtzeitigkeit dieser am 15.11.2012 erhobenen Rüge nicht damit begründen, dass sie darauf verweist, die Verwendung softwarespezifischer Leistungsbeschreibungen sei ihr erst aus dem Nichtabhilfeschreiben erkennbar geworden, das sie am 12.11.2012 erhalten habe. Die Verwendung softwarespezifischer Leistungsbeschreibungen stellt nur einen weiteren Aspekt des – zuvor von der ASt. bereits erkannten – Sachverhalts dar, nämlich der Tatsache, dass auch Angebote mit der Software SOBEK berücksichtigt würden. Dadurch, dass nachträglich ein weiterer Umstand bekannt wird, der sich auf den Vergabeverstoß bezieht – hier die entsprechende Verwendung softwarespezifischer und damit unterschiedlicher Leistungsbeschreibungen –, wird der für die Kenntnis maßgebliche Zeitpunkt nicht neu bestimmt. Denn dies hätte zur Folge, dass eine trotz Kenntnis des Verstoßes unterlassene Rüge nachgeholt werden könnte.
Der Vergabesenat stellt damit fest, dass aus der Bekanntmachung und den Vergabeunterlagen letztlich mit hinreichender Deutlichkeit hervorgeht, dass zwei Softwaretypen für die Modellierung zugelassen waren und der Ausschreibungswettbewerb maßgeblich darauf aufbaute. Diese Annahme wiederum gründete sich darauf, dass sich die Bieter im Teilnahmewettbewerb mit der Angabe vorhandener Lizenzplätze und mit bezogen auf die jeweilige Software qualifiziertem Personal bewarben. Der Wettbewerb gründete sich außerdem darauf, dass sich, wie bekanntgegeben, im weiteren Verhandlungsverfahren (Angebotsverfahren) eine sog. Mehrheitssoftware herausbildete, die zu einem – wenn auch etwas atypischen – „Aus“ für den Anbieter mit der Minderheitssoftware führen konnte. Die ASt. kann sich deshalb nicht darauf berufen, sie habe von der Möglichkeit, die alternative Software anzubieten, nicht gewusst. Insbesondere kann sie das nicht damit begründen, dass ihr nur die Leistungsbeschreibung zugesandt worden sei, welche auf einen einzigen Softwaretyp zugeschnitten war.
Es ist zu resümieren, dass nach den Ausführungen des Vergabesenates die Verwendung einer softwarespezifischen Leistungsbeschreibung auch per se nicht zu beanstanden ist. Was in dem entschiedenen Fall zu bemängeln war, ist allein, dass die jeweiligen Bieter nicht in ausreichendem Maße wissen konnten, dass andere Bieter – entsprechend ihren Angaben – die Aufforderung zur Abgabe eines Angebots der Softwarealternative erhalten hatten, die also nicht durch den Teilnahmewettbewerb bereits ausgeschlossen war. Diesen letztgenannten Aspekt hat die Vergabekammer nicht ausreichend gewürdigt und deshalb die entsprechende Rüge als unbegründet eingestuft. Letzten Endes griff aber auch dies nicht in entscheidendem Maße durch.
Der Autor, Dr. Rainer Noch, ist Rechtsanwalt bei Böck Oppler Hering, München. Er berät und vertritt insbesondere öffentliche Auftraggeber, aber auch Bieter und Verbände, in allen Fragen des Ausschreibungsrechts, speziell auch im Dienstleistungsbereich. Mehr Informationen finden Sie in unserem Autorenverzeichnis.
Herzlichen Dank für den interessanten Beitrag, Herr Kollege Noch!
Ich finde es überzeugend, wenn der Brandenburger Senat die Anforderungen an die Rügeobliegenheit derart deutlich herausstellt und konsequent auf den Fall anwendet. Andere Vergabesenate haben da ein etwas anderes Verständnis von der Rügeobliegenheit.
Nicht verstanden habe ich, aus welchem Grund sich die Bewerber bereits bereits im Teilnahmewettbewerb hinsichtlich der anzubietenden Software festlegen sollten. Hierzu lese ich unter Tz. 10 des Beschlusses:
„Im Bewerbungsbogen war auf Seite 1 unter „Modellierungssoftware“ als „freiwillige Angabe“ einzutragen, mit welcher Software die Lose bearbeitet werden sollen. Unter Ziff. 3.5. des Bewerbungsbogens „Nachweis zur technischen Ausstattung“ war anzugeben, welche weitere Software vom Bieter eingesetzt werden kann. Einzutragen war die Anzahl der zur Verfügung stehenden Lizenzen für die Programme SOBEK, MIKE, Hydro_AS-2D oder für sonstige Programme.“
Da diese Angaben maßgeblich für die Aufforderung zur Angebotsabgabe und die Frage waren, aufgrund welcher Leistungsbeschreibung ein Angebot zu erstellen war, kann bezweifelt werden, ob die Angabe auf Seite 1 tatsächlich „freiwillig“ war. Was hätte die Vergabestelle denn unternommen, wenn ein Bewerber an dieser Stelle keine Angabe gemacht hätte?
Abgesehen von der mitgeteilten Gewichtung der angewendeten Kriterien „fachliche Eignung“ und „wirtschaftliche und technische Leistungsfähigkeit“ kann ich dem Beschluss keine näheren Angaben zur Bewertung der Teilnahmeanträge entnehmen. Wenn die anzubietende Software hier aber bereits im Teilnahmewettbewerb als Aspekt der technischen Leistungsfähigkeit bewertet wurde und wenn die Software außerdem auch im Rahmen der Angebotswertung Berücksichtigung finden sollte (Zuschlagskriterium „fachtechnisches Konzept / Bearbeitungsmethodik“, Tz. 15 des Beschlusses), dürfte diese Gestaltung angreifbar sein.
Das Gebot der strikten Trennung von Eignungsprüfung und Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebots sollte auch insoweit beachtet werden, dass nicht schon im Teilnahmewettbewerb eine Bewertung der (noch anzubietenden) Leistung vorweggenommen wird. Ich wage auch ohne über die Beschlussgründe hinausgehende Kenntnis des Falles die These, dass es möglich gewesen sein dürfte, die technische Leistungsfähigkeit der Bewerber (ausschließlich) über Referenzen zu bewerten und in diesem Rahmen abzufragen, ob und ggf. in welchem Umfang Erfahrungen mit einer bestimmten Software vorhanden sind. Mit der Aufforderung zur Angebotsabgabe hätte dann eine einheitliche Leistungsbeschreibung verschickt werden können, die grundsätzlich die Möglichkeit des Einsatzes verschiedener Softwarelösungen vorsieht. In den Verhandlungen hätte der Auftraggeber dann die für alle Lose einzusetzende „Mehrheitssoftware“ ermitteln können.
Viele Grüße
Marc Röbke