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Zitierangaben: Vergabeblog.de vom 25/02/2014 Nr. 18305

Angebot vollständig? Bieter obliegt Beweislast! (VK Baden-Württemberg, Beschluss vom 13.11.2013 – 1 VK 38/13)

ParagraphDie formalen Anforderungen und damit einhergehenden Sorgfaltspflichten in Vergabeverfahren sind hoch. Die eindeutige Zuordnung eines Fehlers zur Risikosphäre des öffentlichen Auftraggebers oder des Bieters ist nicht immer leicht. Die Darlegungs- und Beweislast für die Vollständigkeit eines Angebots trägt jedoch grundsätzlich der Bieter. Kann er nicht beweisen, dass er ein vollständiges Angebot abgegeben hat und dass Anlagen eindeutig in Folge von Unregelmäßigkeiten fehlen, die der Verantwortungssphäre des Auftraggebers zuzurechnen sind, ist sein Angebot zwingend auszuschließen. Das hat die Vergabekammer Baden-Württemberg mit Beschluss vom 13. November 2013 (1 VK 38/13) festgestellt.

VOL/A 2009 § 19 EG Abs. 2 Satz 1, § 19 EG Abs. 3 lit. a)

Sachverhalt

Im Rahmen eines Offenen Vergabeverfahrens waren die Bieter gehalten, mit dem Angebot u. a. Anlagen abzugeben, die wesentliche Angebotsblätter sowie die Kalkulation des Stundenverrechnungssatzes enthielten. Einem Bieter, der die beiden Anlagen seinem Angebot nicht beigefügt hatte, wurde vom Auftraggeber mitgeteilt, dass sein Angebot nicht gewertet werden könne, sondern wegen des Fehlens geforderter Erklärungen zwingend auszuschließen sei. Der Bieter rügte seine Nichtberücksichtigung und strengte ein Nachprüfungsverfahren an.

Die Entscheidung

Der Nachprüfungsantrag blieb erfolglos. Die Vergabekammer hält den Angebotsausschluss für rechtmäßig. Der Bieter habe nicht den ihm zukommenden Beweis erbringen können, dass das Angebot vollständig war. Dabei kann letztlich offenbleiben, wo und auf welchem Weg die Angebotsblätter sowie die Kalkulation des Stundenverrechnungssatzes abhanden gekommen sind. Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass ein vollständiges Angebot eingereicht wurde, trägt nach allgemeinen Grundsätzen der Bieter. Gelingt es diesem nicht, die Vollständigkeit seines Angebots dadurch zu belegen, dass er Unregelmäßigkeiten oder Fehler plausibel macht, die nicht in seiner Risiko- und Verantwortungssphäre liegen, sondern in der Sphäre des Auftraggebers, muss das Angebot nach Ansicht der Vergabekammer zwingend ausgeschlossen werden.

Deutsches VergabenetzwerkRechtliche Würdigung

Der Auffassung der Vergabekammer Baden-Württemberg ist grundsätzlich zuzustimmen. Der Ausschluss war rechtmäßig, weil der Bieter nicht den ihm obliegenden Beweis erbringen konnte, dass sein Angebot vollständig war. Unvollständige Angebote sind gemäß § 19 EG Abs. 3 lit. a) VOL/A zwingend auszuschließen, wenn diese nicht die geforderten Erklärungen und Nachweise enthalten. Erklärungen und Nachweise können zwar gemäß § 19 EG Abs. 2 Satz 1 VOL/A bis zum Ablauf einer zu bestimmenden Nachfrist nachgefordert werden. Dies gilt allerdings nicht für die Nachforderung von Preisangaben, es sei denn, es handelt sich um unwesentliche Einzelpositionen (§ 19 EG Abs. 2 Satz 2 VOL/A). Da im Angebot der Antragstellerin nicht nur einzelne Preisangaben fehlten, sondern die gesamten Preisblätter, welche wesentlicher Bestandteil eines jeden Angebots sind, war eine Nachforderung nicht möglich.

Praxistipp

Die Entscheidung der Vergabekammer Baden-Württemberg verdeutlicht zum einen die Sorgfaltspflichten der Bieter im Rahmen förmlicher Vergabeverfahren. Zum anderen erhöht sie die Anforderungen für Bieter an die erfolgreiche Geltendmachung von Vergaberechtsverstößen im Nachprüfungsverfahren. Bieter sollten vor diesem Hintergrund zumindest im Zeitpunkt der Versendung des Angebots an den Auftraggeber die Vollständigkeit des Angebots beweisen können.

Dr. Martin Ott

Der Autor Dr. Martin Ott ist Rechtsanwalt und Partner der Sozietät Menold Bezler Rechtsanwälte, Stuttgart. Herr Dr. Ott berät und vertritt bundesweit in erster Linie öffentliche Auftraggeber umfassend bei der Konzeption und Abwicklung von Beschaffungsvorhaben. Auf der Basis weit gefächerter Branchenkenntnis liegt ein zentraler Schwerpunkt in der Gestaltung effizienter und flexibler Vergabeverfahren. Daneben vertritt Herr Dr. Ott die Interessen der öffentlichen Hand in Nachprüfungsverfahren. Er unterrichtet das Vergaberecht an der DHBW und der VWA in Stuttgart, tritt als Referent in Seminaren auf und ist Autor zahlreicher Fachveröffentlichen. Er ist einer der Vorsitzenden der Regionalgruppe Stuttgart des Deutschen Vergabenetzwerks (DVNW).

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