Unternehmen können in verschiedenen Rollen an einem Vergabeverfahren teilnehmen: als Bietergemeinschaft oder Einzelbieter, als Nachunternehmer mit oder ohne Eignungsrelevanz, als bloßer Lieferant oder im Rahmen bloßer Eignungsleihe. Gerade weniger erfahrene Unternehmen sind sich in der konkreten Einordnung ihrer Partner oft unsicher. Keine Lösung ist es aber, die Einordnung dem Auftraggeber zu überlassen und Partner vorsichtshalber sowohl als Mitglied einer Bietergemeinschaft, als auch als Nachunternehmer zu bezeichnen, wie eine Entscheidung des OLG Hamburg (OLG Hamburg, Beschluss vom 31.03.2014, Az.: 1 Verg 4/13) zeigt.
§ 18 Abs. 1 Satz 2 EG VOL/A; 19 Abs. 2 EG VOL/A
Leitsatz
Sachverhalt
Bei einer Ausschreibung im offenen Verfahren erreichte nach erster Wertung das Angebot eines Unternehmens den ersten Platz, das sich gemeinsam mit seiner Tochtergesellschaft an dem Verfahren beteiligt hatte. Laut Angebotsformular wurde das Angebot als „Bieter-/Arbeitsgemeinschaft“ eingereicht, zugleich enthielt es aber eine „Verpflichtungserklärung/Teilleistungen“ der Tochtergesellschaft als Nachunternehmer. Einige Eignungsnachweise, die durch alle Mitglieder einer Bietergemeinschaft vorzulegen waren, lagen für die Tochtergesellschaft nicht vor. Der Auftraggeber wollte das Angebot zunächst als unauskömmlich ausschließen, sah davon aber nach einer Bieterrüge und anschließender Aufklärung ab. Bevor er jedoch den Zuschlag erteilte, fragte er nach, ob das Angebot als Einzelbieter mit Nachunternehmer oder als Bietergemeinschaft eingereicht worden sei. Auf entsprechende Auskunft erteilte der Auftraggeber dann den Zuschlag an das Unternehmen als Einzelbieter.
Die Entscheidung
Das OLG Hamburg untersagte den Zuschlag, da ein vergaberechtlich unzulässiger Identitätswechsel erfolgt sei und dies zwingend zum Ausschluss des Angebots aus der Wertung führte.
Eindeutige Bezeichnung im Angebotsformular maßgebend
Dabei ging es davon aus, dass der ausgewählte Bieter zunächst ein Angebot als Bietergemeinschaft eingereicht habe. Dies ergab sich aus der Auslegung der eingereichten Unterlagen, aus Sicht eines objektiven Erklärungsempfängers, der innere Wille des Bieters war insoweit unerheblich. Die Angaben im Rahmen des Angebotsformulars waren aus Sicht des OLG Hamburg eindeutig. Die zusätzliche Erklärung der Tochtergesellschaft als Nachunternehmer stand dieser Auslegung ebenso wenig entgegen wie der Umstand, dass für die Tochtergesellschaft einige Eignungsnachweise fehlten, die bei einer Angebotsabgabe als Bietergemeinschaft erforderlich gewesen wären. Es wurde nämlich als nicht unüblich angesehen, dass Bietergemeinschaften einzelne Mitglieder zusätzlich als Nachunternehmer benennen. Das Gericht sah sich in seiner Auslegung auch darin bestärkt, dass die Vergabestelle selbst ursprünglich von einer Bietergemeinschaft ausgegangen war. Es verwies insoweit auf den Vergabevermerk zur Angebotswertung und die Korrespondenz, welche ausschließlich mit einer „Bietergemeinschaft“ geführt wurde.
Aufklärung nur bei Zweifeln und nur auf der ersten Wertungsstufe zulässig
Aus Sicht des Vergabesenats bestanden keine Zweifel an der Einordnung der ursprünglichen Bieterkonstellation als Bietergemeinschaft. Er erklärte ergänzend, dass der Auftraggeber Zweifel an der Einordnung möglicherweise im Rahmen einer Angebotsaufklärung ausräumen durfte. Dies war im entschiedenen Fall aber zu spät erfolgt, nämlich in der vierten Wertungsstufe, nachdem in der dritten Wertungsstufe bereits die Auskömmlichkeitsprüfung erfolgt war. Zulässig wäre eine solche Aufklärung jedoch allenfalls im Rahmen der ersten Wertungsstufe, in der über den Ausschluss wegen offensichtlicher formaler Mängel zu entscheiden sei.
Nachträglicher Wegfall eines Bietergemeinschaftsmitglieds führt zum Ausschluss
Da das Angebot ursprünglich demnach als zweigliedrige Bietergemeinschaft eingereicht wurde, führte der nachträgliche Wechsel zur Teilnahme als Einzelbieter mit Nachunternehmer zu einer Änderung eines wesentlichen Vertragsinhalts, der wegen des Verhandlungsverbots im offenen Verfahren unzulässig war. Der Wechsel der Bieteridentität führte damit zu einem zwingenden Ausschluss aus dem Vergabeverfahren.
Rechtliche Würdigung
Das OLG Hamburg knüpft konsequent an die strenge Rechtsprechung des OLG Düsseldorf an, der zufolge ein Wechsel in der Bieteridentität vorliegt, wenn aus einer zweigliedrigen Bietergemeinschaft ein Mitglied ausscheidet, so dass letztlich aus der Bietergemeinschaft ein Einzelbieter wird (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 24.05.2005, Az.: Verg 28/05). Während sich die entschiedenen Fälle bislang auf ein insolvenz- oder verschmelzungsbedingtes (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 18.10.2006, Az.: Verg 30/06) Ausscheiden eines Mitglieds einer Bietergemeinschaft beziehen, bestand das betroffene Unternehmen hier jedoch fort. Es hätte als solches daher auch noch für die Auftragsausführung zur Verfügung gestanden wenn auch nicht als Vertragspartner, sondern als Nachunternehmer. Insoweit verstärkt das OLG Hamburg den sehr formalen Umgang mit Wechseln in einer zweigliedrigen Bietergemeinschaft. Bei Änderungen in einer mehrgliedrigen Bietergemeinschaft wurden allerdings auch schon großzügigere Ansichten vertreten (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 05.09.2007, Az.: 13 Verg 9/07).
Praxistipp
Bietern ist es unbedingt zu empfehlen, sich im Vorfeld Klarheit über die individuell beste Beteiligungsform zu verschaffen und diese dann auch deutlich anzugeben. Auf keinen Fall sollte dies der Auslegung durch den Auftraggeber überlassen werden hier gilt, wie auch sonst, dass Unklarheiten zu Lasten des Bieters gehen können (vgl. auch Beitrag Pfarr, Vergabeblog.de vom 26. Juni 2014, Nr. 19390). Von nachträglichen „Rollenwechseln“ ist auf jeden Fall abzuraten! Auch wenn dies für mehrgliedrige Bietergemeinschaften bislang nicht entschieden ist, dürfte das dort bis auf Weiteres ebenfalls gelten.
Hinweis der Redaktion: Der Themenkomplex „Bietergemeinschaften und Nachunternehmen“ wird auch im Rahmen unseres 1. Deutschen Vergabetages am 23.10.2014 in Berlin behandelt, Programm und Anmeldung hier.
Die Autorin Dr. Valeska Pfarr, MLE, ist Rechtsanwältin bei Menold Bezler Rechtsanwälte, Stuttgart. Sie ist auf das Vergaberecht spezialisiert, ein Schwerpunkt liegt hierbei auf der Beratung der öffentlichen Hand.
Zu ergänzen ist: Anlässlich der anschließenden Anhörungsrüge stellte das OLG Hamburg klar, dass nachträglich erkannte Mängel – wie schon in anderen Entscheidungen anerkannt – grundsätzlich in einer späteren Wertungsstufe berücksichtigt werden können. Unzulässig sei es aber, aus Gründen der Verfahrensvereinfachung die Bieteridentität erst nachträglich zu bestimmen. Die durch den BGH und das OLG München entschiedenen Fälle zur Abforderung von Eignungsnachweisen oder Produktinformationen sind demnach nicht auf die Prüfung der Bieteridentität übertragbar (OLG Hamburg, Beschluss vom 29.04.2014, Az.: 1 Verg 4/13).