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Zitierangaben: Vergabeblog.de vom 12/12/2014 Nr. 21022

Vorsicht bei Versand von Vorabinformation vor den bevorstehenden Weihnachtsfeiertagen: Keine Rügeobliegenheit und kein Lauf der Stillhaltefrist? (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 05.11.2014 – VII-Verg 20/14)

EntscheidungDas Oberlandesgericht Düsseldorf hat Bietern durch einen aktuellen Beschluss ein frühzeitiges Weihnachtsgeschenk gemacht und Auftraggebern kurz vor Weihnachten bereits ein Ei ins Nest gelegt: Wenn die Stillhaltefrist von zehn Tagen durch die zeitlich (geschickte) Versendung der Vorabinformation faktisch so verkürzt wird (im vorliegenden Fall auf drei Tage), dass dies zu einer drastischen Verkürzung der Rechtsschutzmöglichkeiten der Bieter führt, kann dies zur Folge haben, dass für die Bieter keine Rügeobliegenheit besteht oder die Stillhaltefrist gar nicht zu laufen beginnt. Gerade in Bezug auf die bevorstehenden Weihnachtsfeiertage ist hier Vorsicht geboten.

§§ 101a Abs. 1, 107 Abs. 3 Nr. 1 GWB

Sachverhalt

Ein öffentlicher Auftraggeber schrieb im Wege einer öffentlichen Ausschreibung nach der VOL/A den Abschluss einer Rahmenvereinbarung für die Erbringung von Agentur-, Beratungs- und Planungsleistungen aus. Nach Abschluss der Wertung der eingegangenen Angebote versandte der Auftraggeber die Information nach § 101a GWB an die nicht berücksichtigten Bieter am 17.04.2014 (Gründonnerstag) gegen 17 Uhr per Telefax. Einer der nicht berücksichtigten Bieter rügte die Vergabeentscheidung am darauffolgenden Freitag, dem 25.04.2014 per Telefax, wobei er bereits eine Dreiviertelstunde zuvor einen Nachprüfungsantrag eingereicht hatte. Rüge und Nachprüfungsantrag waren gleichsam in allerletzter Sekunde erfolgt, denn aufgrund der Versendung der Vorabinformation nach § 101a GWB hätte der Zuschlag rechnerisch bereits am Montag, dem 28.04.2014 erteilt werden können.

Die Entscheidung

Der Senat hielt den vom unterlegenen Bieter eingereichten Nachprüfungsantrag im Ergebnis wie bereits die Vergabekammer für unbegründet und wies die sofortige Beschwerde zurück. Dennoch erteilte der Senat in einem obiter dictum einen insbesondere für die Weihnachts- und die Osterfeiertage praktisch enorm bedeutsamen Hinweis.

Dem Auftraggeber sei es im Streitfall verwehrt, sich mit Erfolg auf eine Verletzung der Rügeobliegenheit zu berufen. Aufgrund des Versandes der Bieterinformation nach § 101a GWB per Telefax am Gründonnerstag, dem 17.04.2014, gegen 17:00 Uhr, hätte der Auftrag rechnerisch am Montag, dem 28.04.2014, erteilt werden können. Die Geschäftsführung der Antragstellerin habe von der Absage jedoch erst im Laufe des Dienstags nach Ostern, nämlich am 22.04.2014, Kenntnis erhalten können. Aufgrund der Tatsache, dass der Auftrag rechnerisch bereits am Montag, dem 28.04.2014 habe erteilt werden können, habe der Nachprüfungsantrag der Vergabekammer spätestens am Freitag, dem 25.04.2014 so rechtzeitig vorliegen müssen, dass diese ihn auf offensichtliche Unzulässigkeit oder Unbegründetheit habe prüfen können und den Nachprüfungsantrag dem Auftraggeber zustellen konnte. Vom Tag der ersten möglichen Kenntnisnahme (Montag, dem 22.04.2014) bis zum Freitag, dem 25.04.2014 seien dem unterlegenen Bieter allenfalls dreieinhalb Werktage verblieben, an denen er sich einen Rechtsanwalt habe suchen und beauftragen müssen. Dieser habe dann nach Übermittlung der erforderlichen Informationen durch die Mandantin, Prüfung der Sach- und Rechtslage sowie Abstimmung mit der Mandantin einen Nachprüfungsantrag erstellen und einreichen müssen, um das Zuschlagsverbot zu erwirken. Damit sei die Wartefrist des § 101a GWB von zehn faktisch auf drei Tage verkürzt worden.

Dies könne nicht hingenommen werden. In derartigen Fallgestaltungen liege es nahe anzunehmen, der Auftraggeber habe durch die Wahl des Zeitpunkts der Versendung der Bieterinformation die Überprüfungsfrist für den Antragsteller reduzieren und eine Nachprüfung der Auftragsvergabe mit Absicht beschränken oder verhindern wollen. Es sei aber nicht erforderlich, eine dahingehende Absicht des Auftraggebers positiv festzustellen. In derartigen Fallgestaltungen werde es Bietern objektiv drastisch erschwert, Rechtsschutz zu erlangen. Um die praktische Wirksamkeit der Rechtsschutzvorschriften des GWB zu gewährleisten, seien die Gerichte befugt, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um die Behinderung der Rechtsschutzmöglichkeiten auszugleichen und die Wirksamkeit des Rechtsschutzes wiederherzustellen. Als vom Gericht zu treffende Maßnahme käme hier einerseits der Verzicht darauf in Betracht, dass der Nachprüfungsantrag von einer vorherigen Rüge durch den Antragsteller abhängig zu machen ist. Darüber hinaus sei aber auch die Auslegung denkbar, dass durch eine zeitlich derart getaktete Bieterinformation die Wartefrist des § 101a GWB schon gar nicht in Lauf gesetzt wird.

Rechtliche Würdigung

Im Ergebnis ist die Rechtsprechung des Senates für derartige Extremsituationen durchaus nachvollziehbar. Gleichwohl führt sie zu erheblicher Rechtsunsicherheit, die durch den klaren Wortlaut von § 101a GWB gerade verhindert werden soll. So wird in § 101a GWB zur Vermeidung von Rechtsunsicherheit bei dem (Ab)lauf der Wartefrist einerseits ausdrücklich auf Kalendertage und nicht auf Wochen oder Arbeitstage abgestellt. Feiertage werden damit gerade nicht berücksichtigt. Andererseits wird gerade auf die Absendung der Information abgestellt, um Zugangsproblematiken zu vermeiden.

In dem entschiedenen Fall wurde die Frist von zehn Kalendertagen faktisch auf drei Kalendertage verkürzt. Nach dem Oberlandesgericht Düsseldorf stellt dies ohne Weiteres eine drastische Erschwerung der Rechtsschutzmöglichkeiten dar, die durch gerichtliche Maßnahmen verhindert werden kann. Es stellt sich aber die Frage, wo die Grenzen für eine solche drastische Erschwerung zu ziehen sind. Wäre eine faktische Verkürzung auf vier oder fünf Tage noch hinnehmbar? Ist es zulässig, die Vorabinformation so zu versenden, dass zwei Wochenenden dazwischenliegen? Wie verhält es sich, wenn dann noch ein Feiertag hinzukommt? Diese Rechtsunsicherheit ist besonders misslich, weil es das Oberlandesgericht Düsseldorf sogar für möglich hält, dass die Wartefrist nach § 101a GWB durch eine Vorabinformation, die die Bieterrechte drastisch verkürzt, gar nicht erst in Gang gesetzt wird. Hier droht das Risiko, dass geschlossene Verträge nach § 101b GWB unwirksam sind.

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Praxistipp

Vor diesem Hintergrund kann Auftraggebern nur dringend davon abgeraten werden, Vorabinformationen kurz vor (insbesondere Oster- und Weihnachts-)Feiertagen abzusenden, wenn aufgrund der ungünstigen Lage der Feiertage dadurch eine drastische Verkürzung des Bieterrechtsschutzes zu erwarten ist. Aufgrund der Lage der Weihnachtsfeiertage ist die Gefahr hier in diesem Jahr besonders groß. Zur größtmöglichen Minimierung bestehender Risiken sollten Auftraggeber aufgrund der aufgezeigten Rechtsunsicherheiten lieber auf Nummer sicher gehen und darauf achten, dass den Bietern so viel Zeit wie möglich zur Geltendmachung ihrer Rechte zusteht. Jegliche Verkürzung der Wartefrist sollte soweit wie möglich vermieden werden.

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Dr. Benjamin Klein

Dr. Benjamin Klein ist Rechtsanwalt im Berliner Büro der Sozietät HFK Rechtsanwälte LLP und dort Mitglied im überörtlichen „Fachteam Vergaberecht“. Er begleitet Auftraggeber und Bieter in allen Phasen des Beschaffungsprozesses sowie in Rechtsschutzverfahren ober- und unterhalb der Schwellenwerte. Seine Beratung umfasst dabei auch das öffentliche Preisrecht.

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