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Zitierangaben: Vergabeblog.de vom 22/04/2018 Nr. 36844

Angabe eines Gerichtsstands auf dem Übersendungsschreibens eines Bieters kann zu einem zwingenden Ausschluss des Angebots führen (VK Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 28.03.2018 – VK 1 – 38/17)

Wenn die Angabe eines Gerichtsstands auf dem Geschäftspapier eines Bieters den Vorgaben der Vergabeunterlagen widerspricht, ist das Angebot zwingend auszuschließen. Die Angabe eines anderweitigen Gerichtsstands auf dem Übersendungsschreiben ändert die Vergabeunterlagen oder ist ein (hier nicht zugelassenes) Nebenangebot und daher zwingend auszuschließen.

§ 57 Abs. 1 Nr. 4 VgV

Sachverhalt

Der Antragsgegner schrieb die Übernahme und Verwertung der Abfallfraktion Papier, Pappe und Kartonagen (PPK) europaweit aus. Die Antragstellerin lag mit ihrem Angebot nach der Auswertung durch ein beauftragtes Büro auf dem ersten Platz und war daher zunächst für den Zuschlag vorgesehen. Nach Übermittlung der Vorabinformation erhob der zweitplatzierte Bieter eine Rüge, mit der er die Zuverlässigkeit der Antragstellerin in Zweifel zog.

Der Antragsgegner holte daraufhin anwaltlichen Rat ein und schloss das Angebot der Antragstellerin wegen von ihr vorgenommenen Änderungen an den Vergabeunterlagen aus. Die Antragstellerin hatte ihrem Angebot nämlich ein Begleitschreiben auf ihrem Standardbriefpapier beigefügt. Dieses Übersendungsschreiben enthielt in der Fußzeile unter anderem folgende Formulierung: „Gerichtsstand ist H.“ Die Vergabeunterlagen sahen als Gerichtsstand die Stadt P. vor.

Gegen den Ausschluss wandte sich die Antragstellerin mit einem Nachprüfungsverfahren.

Die Entscheidung

Ohne Erfolg! Die VK Rheinland-Pfalz stellt in ihrer Entscheidung maßgeblich auf einen Vergleich des Angebotsinhalts mit den Vergabeunterlagen ab. Da insoweit der Gerichtsstand nicht übereinstimmte, war ein Ausschluss zwingend, da somit die Vorgaben der Vergabeunterlagen geändert worden seien.

Der Zusatz auf dem Briefpapier sei auch Angebotsinhalt geworden. Eine Vergabestelle treffe die uneingeschränkte Pflicht, sämtliche Erklärungen eines Bieters in seinem Angebot – gleichermaßen zu seinen Gunsten oder zu seinen Ungunsten – zu würdigen.

Die VK sichert ihre Entscheidung durch eine Alternativüberlegung ab: Selbst wenn man mit einer Mindermeinung von einer Änderung der Vergabeunterlagen nur sprechen mag, wenn an den Unterlagen selbst durch Streichungen oder Hinzufügungen etwas geändert worden ist, so führt das zur Annahme eines Nebenangebotes. Da solche hier nicht zugelassen waren, wäre das Angebot daher auch dann auszuschließen gewesen, wenn man dieser Mindermeinung folgt.

Schließlich fand auch das Argument der Antragstellerin kein Gehör, wonach die ursprüngliche Einschätzung des Beratungsbüros ihr den Zuschlag sichere, kein Gehör. Die VK weist darauf hin, dass alle Entscheidungen im Vergabeverfahren von der Vergabestelle getroffen werden und nicht durch ihre Berater. Der Antragsgegner sei daher in jedem Stadium des Vergabeverfahrens befugt gewesen, die Fehleinschätzung des ursprünglich beauftragten Beratungsbüros entsprechend zu korrigieren.

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Rechtliche Würdigung

Der Entscheidung der Vergabekammer ist in vollem Umfang zuzustimmen. Ein Bieter, der ein gegenüber den Vorgaben in den Vergabeunterlagen abweichendes Angebot abgibt, ändert dadurch die Vergabeunterlagen oder gibt ein (hier nicht zugelassenes) Nebenangebot ab. Beides muss zum zwingenden Ausschluss des Angebots führen.

Insbesondere ist eine  Vergabestelle auch nicht an eine (falsche) Vorabinformation gebunden, da sie Fehler im Vergabeverfahren jederzeit korrigieren können, auch wenn der Fehler erst nach Einholung anwaltlichen Rats für sie erkennbar wird.

Praxistipp

Der Praxistipp ist heute kurz und wendet sich mit einer Bitte an alle Bieter: Liebe Bieter, bitte reichen nur und wirklich nur Unterlagen ein, die die Vergabestelle zwingend fordert. Das erleichtert nicht nur den Vergabestellen die Arbeit, sondern minimiert auch Ihr Risiko wegen abweichender Angaben gegenüber den Vergabeunterlagen mit ihrem Angebot ausgeschlossen zu werden. Also bitte keine Übersendungsschreiben oder Unterlagen, die nicht gefordert sind! Und bei Zweifeln bitte nachfragen!

Anmerkung:
Der Autor hat in dem Nachprüfungsverfahren den Antragsgegner vertreten.

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Martin Adams, Mag. rer. publ.

Herr Martin Adams, Mag. rer. publ. ist Rechtsanwalt und Inhaber der Kanzlei _teamiur_Rechtsanwälte, Mannheim. Herr Adams berät bundesweit öffentliche Auftraggeber bei Ausschreibungen und in vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren, insbesondere im Bereich der Abfallwirtschaft. Darüber hinaus veröffentlicht er regelmäßig Beiträge in entsprechenden Fachmedien und tritt als Referent in Fachseminaren auf.

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Eine Antwort zu „Angabe eines Gerichtsstands auf dem Übersendungsschreibens eines Bieters kann zu einem zwingenden Ausschluss des Angebots führen (VK Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 28.03.2018 – VK 1 – 38/17)“

  1. Avatar von Thomas Gundlach
    Thomas Gundlach

    Guten Tag,

    es steht außer Zweifel, das der Ausschluss eines guten Angebotes wegen eines solchen Fehlers sowohl für den Bieter als auch für den öffentlichen Auftraggeber ausgesprochen ärgerlich ist.

    Das „Problem“ ist ein Dauerbrenner, da es immer wieder Bieter gibt, die hier eher „unachtsam“ handeln. Vielleicht auch deshalb, weil sie sich nur ab und zu an öffentlichen Ausschreibungen beteiligen. Insofern ist ihr Aufruf völlig richtig.

    Aus meiner Sicht ist zu unterscheiden, ob der Bieter seinen Gerichtsstand oder vielleicht auch seine gesamten Geschäftsbedingungen durchsetzen will oder ob er u.a. ein Formschreiben beigefügt hat, auf dem der für ihn maßgebliche Gerichtsstand abgedruckt ist.

    Wir helfen uns in Bielefeld damit, dass wir uns vom Bieter im Angebotsschreiben unterschreiben lassen, dass unsere AGB auch dann gelten, wenn er „versehentlich“, also z.B. durch die Verwendung betriebseigener Formblätter, seine AGB´s mit übersendet.

    Einen Ausschluss nehmen wir dann vor, wenn der Bieter „offensichtlich“ also erkennbar willentlich seine AGB´s z.B. auf einem Extrablatt beifügt.

    Bei dieser Vorgehensweise ist eine Abwägung im Einzelfall erforderlich und die Entscheidung selbstverständlich hinreichend zu dokumentieren.

    Viele Grüße