Ein Angebot, das von den wertungsrelevante Vorgaben des Leistungsverzeichnisses abweicht, ist gem. § 57 Abs. 1 Nr. 4 VgV zwingend auszuschließen. Hierbei kommt Auftraggebern auch kein Ermessenspielraum zu. Eine nachträgliche Korrektur des Angebots kommt zumindest dann nicht in Frage, wenn Angaben betroffen sind, die auch wertungsrelevant sind. Ein Vergaberechtsverstoß ist für einen Bieter erkennbar, wenn ein durchschnittliches Fachunternehmen nach einem objektiven Maßstab den Vergaberechtsverstoß ohne rechtliche Beratung erkennen kann.
§ 160 Abs. 3 Nr. 3 GWB, § 57 Abs. 1 Nr. 4 VgV
Sachverhalt
Die Vergabestelle schrieb in einem offenen Verfahrens die Lieferung von mehreren Spezialfahrzeugen für den Winterdienst auf Straßen aus. Einziges Wertungskriterium war der Angebotspreis, wobei ein Preismalus für die Entfernung der Werkstatt zur jeweiligen Autobahnmeisterei vorgesehen war.
Außerdem durfte die nächste Werkstatt nicht mehr als 100 km von der jeweiligen Autobahnmeisterei entfernt sein.
Die spätere Antragstellerin gab ein Angebot ab, das teilweise von den technischen Spezifikationen (Länge der Fahrgestelle) der Vergabestelle abwich. Außerdem gab sie zwei Werkstätten an, die mehr als 100 km von der jeweiligen Autobahnmeisterei entfernt waren.
Die Vergabestelle schloss der Angebot wegen dieser Mängel aus.
Diesen Ausschluss rügte die spätere Antragstellerin und trug vor:
Die Vergabestelle wies die Rüge zurück, worauf sich ein Nachprüfungsverfahren anschloss.
Die Entscheidung
Die Vergabekammer wies den Nachprüfungsantrag zurück; das OLG München empfiehlt nun auf den Antrag der Antragstellerin, die aufschiebende Wirkung des Nachprüfungsantrags zu verlängern, eine Rücknahme des Nachprüfungsantrags.
Nach Ansicht des OLG München hat die sofortige Beschwerde nämlich keine Erfolgsaussichten.
Hinsichtlich des überschrittenen Längenmaßes konnte das OLG München keine Hinweise auf einen Eintragungsfehler finden. Es fand keine Hinweise in den übrigen Angebotsunterlagen, die andere Maße zum Inhalt haben. Das Angebot war daher nach Ansicht der OLG München auszuschließen, da es nicht den Vorgaben des Leistungsverzeichnisses entsprach.
Das OLG München thematisiert dann die Frage, ob die Antragstellerin mit ihrer Rüge der diskriminierenden Wirkung der räumlichen Entfernung der Werkstatt präkludiert sei. Wie die Vergabekammer tendiert auch das OLG München zu der Annahme der Präklusion. Denn die Entfernungsangaben seien den Vergabeunterlagen eindeutig zu entnehmen gewesen. Die Antragstellerin konnte nach Auffassung des OLG München daher ohne rechtliche Beratung erkennen, dass sie diese Bedingungen nicht erfüllen kann. Hierzu bedürfe es weder einer besondere rechtliche Schulung oder anwaltlicher Beratung.
Letztlich lässt das OLG München die Frage der Präklusion aber offen, weil es die Vorgaben an die räumliche Lage der Werkstätten nicht für vergaberechtswidrig hält. Denn die Forderung einer bestimmten Nähe der Werkstätten sei sachlich gerechtfertigt, weil die Vergabestelle ein berechtigtes Interesse daran habe, Ausfallzeiten zu minimieren. In dem Umkreis von 100 km gäbe es außerdem nicht nur einige wenige Werkstätten.
Die Forderung nach der Benennung entsprechender Werkstätten verursache auch keinen „unverhältnismäßigen Erklärungsaufwand“ im Sinne der einschlägigen Rechtsprechung des BGH (BGH vom 10.06.2008, Az. X ZR 78/07 und 10.06.2008, Az. X ZR 78/07). In den dortigen Entscheidung mussten die Bieter für alle Subunternehmer, die bei einem größeren Bauprojekt eingesetzt werden, sämtliche Eignungsnachweise erbringen. Mit diesem Aufwand sei die Benennung von Werkstätten für 9 Autobahnmeistereien nicht vergleichbar.
Da zwei von der Antragstellerin benannte Werkstätten nicht den Anforderungen an die räumliche Entfernung einhielten, läge ein zwingender Ausschlussgrund vor. Eine Korrektur des Angebotsinhalts käme nicht in Betracht, da dadurch der Angebotsinhalt verändert würde. Außerdem sei die räumliche Lage der Werkstätten wertungsrelevant gewesen und eine nachträgliche Korrektur könnte die Wertungsreihenfolge verändern, was unzulässig sei.
Rechtliche Würdigung
Die Entscheidung des OLG München ist sicherlich richtig.
Insbesondere der Ausschluss des Angebots der Antragstellerin wegen der Nichteinhaltung der räumlichen Vorgabe an die Lage der Werkstätten ist nicht zu beanstanden. Gem. § 56 Abs. 2 VgV handelt es sich insoweit um leistungsbezogene Angaben, die eben nur nachgefordert werden können, wenn diese fehlen oder unvollständig sind. Daher hätte das Angebot m.E. auch dann ausgeschlossen werden müssen, wenn die Entfernung der Werkstätten nicht wertungsrelevant gewesen wäre. Dass die Wertungsrelevanz den Ausschluss noch eindeutiger macht, ist aber sicherlich auch richtig.
Interessant und zutreffend sind auch die Ausführungen des OLG München zur Rügepräklusion. Kann ein Bieter ohne Weiteres erkennen, dass er bestimmte Anforderungen an die Leistung nicht erfüllen kann, so muss er das nun einmal vor Abgabe eines Angebots rügen. Tut er das nicht, so geht das zu seinen Lasten.
Praxistipp
Hier kann man die Bieter nur ermuntern, Einwände gegen bestimmte Vorgaben in Ausschreibungen rechtzeitig vorzubringen. So lange dies konstruktiv erfolgt, ist jede Vergabestelle für solche Hinweise dankbar. Denn nur so kann sie in der Angebotsphase mögliche Fehler noch korrigieren. Nach dem Ende der Angebotsfrist ist dies nämlich in aller Regel nicht mehr möglich.
Herr Martin Adams, Mag. rer. publ. ist Rechtsanwalt und Inhaber der Kanzlei _teamiur_Rechtsanwälte, Mannheim. Herr Adams berät bundesweit öffentliche Auftraggeber bei Ausschreibungen und in vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren, insbesondere im Bereich der Abfallwirtschaft. Darüber hinaus veröffentlicht er regelmäßig Beiträge in entsprechenden Fachmedien und tritt als Referent in Fachseminaren auf.
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