Das Gericht orientiert sich bei der Vergabe von Wochenmärkten an der VgV. Für das Vergabeverfahren zur Veranstaltung von Wochenmärkten kann auf bestimmte vergaberechtliche Vorschriften zumindest dem Rechtsgedanken nach zurückgegriffen werden.
§ 63 VgV
Sachverhalt
Die Antragsgegnerin, wohl eine nordrhein-westfälische Kommune, führte ein Verfahren zur Vergabe des Rechts auf Veranstaltung von Wochenmärkten durch.
Nach den Wertungskriterien erhielten zwei Bieter die gleiche Punktzahl. Daraufhin hatte die Antragsgegnerin nachträglich Hilfskriterien entwickelt, die u.a. darauf abstellten, dass örtliche Marktteilnehmer bevorzugt werden und wer die Veranstaltung bisher ausgerichtet habe. Danach sollte der Bestandsbetreiber den Zuschlag erhalten. Hiergegen hatte sich der punktgleiche Konkurrent erfolgreich vor dem VG Düsseldorf gewehrt. Das VG stufte die Hilfskriterien in zwei aufeinander folgenden gerichtlichen Verfahren jeweils als unzulässig ein, weil die Hilfskriterien allgemein gültige Bewertungsmaßstäbe verletzten. Daraufhin hob die Antragsgegnerin das Vergabeverfahren auf, um unter Zugrundelegung einer neuen und deutlich differenzierteren Wertungsmatrix das Verfahren neu beginnen zu können.
Gegen diese Aufhebungsentscheidung klagte der punktgleiche Konkurrent erneut. Er trug vor, dass die neue Matrix nur dazu diene, den Bestandsbetreiber zu bevorteilen. Die Aufhebung sei rechtswidrig. Bei ordnungsgemäßer Auswahlentscheidung müsse er im bestehenden Verfahren den Zuschlag erhalten.
Die Entscheidung
Die Klage war sowohl vor dem VG Düsseldorf als auch in zweiter Instanz vor dem OVG Münster erfolglos.
Die Aufhebung des Vergabeverfahrens sei rechtmäßig. Maßstab für die Prüfung, ob eine Aufhebung rechtmäßig ist oder nicht, bildet der jedenfalls seinem Rechtsgedanken nach heranziehbare § 63 Abs. 1 VgV. Danach so das OVG Münster könne ein Auftraggeber ein Vergabeverfahren aufheben, wenn er für die Aufhebungsentscheidung einen sachlichen Grund hat. Nach der Begründung der Antragsgegnerin sei die Aufhebung deshalb erfolgt, weil sie sich nicht in der Lage sah, nachträglich sachgerechte und geeignete Hilfskriterien zu bilden, um die Auswahlentscheidung zwischen den punktgleichen Bietern doch noch ordnungsgemäß vorzunehmen. Zudem sei davon auszugehen, dass der jeweils unterlegene Bieter gegen die nächste auf Basis von Hilfskriterien getroffene Vergabeentscheidung erneut klagen würde.
Diese Begründung sei so das OVG weder willkürlich noch vorgeschoben. Immerhin seien bereits zwei Anläufe der Antragsgegnerin zur Bildung sachgerechter Hilfskriterien erstinstanzlich gescheitert. Eine Bewertung, wonach der Antragstellerin offensichtlich der Zuschlag hätte erteilt werden müssen, musste sich der Antragsgegnerin auch nicht aufdrängen. Die Aufhebung war mithin rechtmäßig.
Rechtliche Würdigung
Die Vergabe eines Rechts zur Veranstaltung von Wochenmärkten ist nicht zwingend ein öffentlicher Auftrag. Am ehesten dürfte es sich um eine Dienstleistungskonzession handeln, die erst ab Erreichen des hohen Schwellenwertes von 5.35 Mio. Euro nach Maßgabe der KonzVgV auszuschreiben ist. Unterhalb dieses Schwellenwertes kann eine Dienstleistungskonzession bei grenzüberschreitendem Interesse jedenfalls unter Beachtung der (europäischen) Grundprinzipien des Vergaberechts ausschreibungspflichtig sein. Darüber hinaus sind die nationalen Anforderungen an ein transparentes und diskriminierungsfreies sowie rechtsstaatlichen Grundsätzen genügendes Verfahren einzuhalten. Das OVG Münster orientiert sich dabei ausdrücklich an der VgV. Das ist nachvollziehbar, stellen viele Regelungen der VgV doch Ausprägungen dieser vergaberechtlichen Grundsätze dar.
Dementsprechend überzeugt auch die vorliegende Entscheidung im Ergebnis. Nach strengen vergaberechtlichen Maßstäben wäre schon zweifelhaft, ob die nachträgliche Bildung von Hilfskriterien für die Zuschlagsentscheidung überhaupt zulässig war wovon das VG aber wohl ausging. Jedenfalls ist nachvollziehbar, dass diese hier an ihre Grenzen stößt. Die Bieter können ihre Angebote nur nach Maßgabe ihnen vorab transparent gemachter Kriterien ausgestalten. Die nachträgliche Bildung von Hilfswertungskriterien führt dann dazu, dass die Angebote für die Anwendung dieser Hilfskriterien im Regelfall gar keine Angaben enthalten. Für die Anwendung von nachträglich gebildeten Hilfskriterien fehlt mithin häufig eine sinnvolle und diskriminierungsfreie Bewertungsgrundlage. Nach der Überzeugung des Autors verstößt es daher gegen den Transparenzgrundsatz und das Rechtsstaatsprinzip, nachträglich Hilfskriterien aufzustellen, die über den Zuschlag entscheiden. Das Vergabeverfahren wäre bereits deshalb aufzuheben gewesen.
Das steht nicht im Widerspruch zu der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, wonach es zulässig ist, die Wertungsmethodik auch nachträglich noch festzulegen. Denn dabei bewegt sich der Auftraggeber noch innerhalb der bestehenden Wertungsmatrix. Bei der Bildung von Hilfskriterien bewegt sich der Auftraggeber dagegen außerhalb der bestehenden Matrix und ergänzt diese um weitere Auswahlkriterien, was mithin unzulässig ist.
Praxistipp
Für die Durchführung von Vergabeverfahren außerhalb des klassischen Vergaberechts fehlen häufig geschriebene Regelungen. Dennoch sind Auftraggeber verpflichtet, rechtsstaatliche Grundsätze einzuhalten. Um diesen Anforderungen zu genügen, ist es durchaus zu empfehlen, sich an vergaberechtlichen Vorschriften und der dazu ergangenen Rechtsprechung zu orientieren.
Erwartet ein Auftraggeber eine enge Entscheidung, sollte er die Zuschlagskriterien so gestalten, dass eine möglichst differenzierte Bewertung der Angebote möglich ist.
Dr. Michael Sitsen
Dr. Michael Sitsen ist Rechtsanwalt bei Orth Kluth Rechtsanwälte in Düsseldorf und Fachanwalt für Verwaltungsrecht. Er berät und begleitet seit vielen Jahren Auftraggeber und Bieter bei Ausschreibungen aller Art. Neben dem Vergaberecht gehört auch das Beihilfenrecht zu seinen Beratungsschwerpunkten. Er hält Schulungen zum Vergaberecht, u.a. für den Bundesverband Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik e.V. (BME), und ist Autor zahlreicher Fachveröffentlichungen. Vor seiner anwaltlichen Tätigkeit war er mehrere Jahre wissenschaftlicher Mitarbeiter des bekannten Vergaberechtlers Prof. Dr. Jost Pietzcker in Bonn.
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