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Zentrale Bedarfsbündelung mittels Rahmenvereinbarung gestaltungsabhängig – keine generelle Abnahmepflicht des Auftraggebers, unabhängig von weiteren Einzelvergaben (VK Rheinland, Beschl. v. 23.06.2020 – VK 15/20 – K)

EntscheidungEine zentrale Beschaffungsstelle kann alle wesentlichen Entscheidungen bei der Bedarfsbündelung im Namen der öffentlichen Auftraggeber treffen. Bei entsprechender Dokumentation ist sie insbesondere befugt, bei der Vergabe von Einzelaufträgen als Beschaffungsinstrument eine bedarfsgerechte Rahmenvereinbarung abzuschließen. Anhand der Gestaltung einer solchen Rahmenvereinbarung muss erkennbar sein, welche Rechte und Pflichten die Vertragsparteien hinsichtlich der Einzelbeauftragung treffen. Zudem darf für denselben Beschaffungsgegenstand keine weitere Rahmenvereinbarung abgeschlossen werden. Allenfalls ist eine gesonderte Einzelvergabe zulässig.

GWB § 120 Abs. 4; VgV § 21 Abs. 1, 4

Sachverhalt

Das Nachprüfungsverfahren betraf ein Vergabeverfahren für den Einkauf von Flächendesinfektionsmitteln. Das Ziel der Ausschreibung war der Abschluss einer Rahmenvereinbarung, um zu einem späteren Zeitpunkt konkret entstehende Bedarfe kurzfristig decken zu können. Hierzu bedienten sich mehrere öffentliche Auftraggeber der P. GmbH als zentrale Beschaffungsstelle. Die P. GmbH wurde beauftragt, auf Dauer und im Namen der Vertragseinrichtungen zentrale Beschaffungstätigkeiten zu erbringen. Ein dahingehender Hinweis erfolgte auch in der Bekanntmachung des hier in Rede stehenden Vergabeverfahrens.

Der Bieter und spätere Auftragnehmer rügte neben der Funktion der P. GmbH als wesentlicher Entscheidungsträgerin insbesondere einen Verstoß gegen die nach seiner Meinung aus der Rahmenvereinbarung für die Einzelaufträge resultierende Verpflichtung zur Abnahme der Flächendesinfektionsmittel. Des Weiteren handele es sich bei der Ausschreibung um eine reine Markterkundung und entgegen des Missbrauchsverbots um eine verbotene Doppelvergabe.

Die Entscheidung

Die Vergabekammer Rheinland hielt den Nachprüfungsantrag für überwiegend zulässig. In Bezug auf die Eigenschaft der P. GmbH als wesentliche Entscheidungsträgerin bei der Durchführung des Vergabeverfahrens war der Antrag jedoch präkludiert. Dieser Aspekt hätte nach Ansicht der Vergabekammer im Verfahren zur Vergabe der Rahmenvereinbarung und nicht im Zusammenhang mit der Beauftragung der Einzelverträge gerügt werden müssen. Unabhängig davon entspräche es gerade dem Sinn und Zweck einer effektiven zentralen Beschaffungsbündelung, dass die zentrale Beschaffungsstelle selbstständig und weisungsfrei Entscheidungen tätige.

Die Rügen mit Blick auf die aus der Rahmenvereinbarung resultierende Abnahmepflicht für die beteiligten öffentlichen Auftraggeber als auch hinsichtlich der Ausschreibung als reine Markterkundung und Doppelvergabe waren nach Auffassung der Kammer unbegründet.

Ob aus einer Rahmenvereinbarung eine spätere Abnahmepflicht für die Auftraggeber resultiere, hänge maßgeblich von deren Ausgestaltung ab. Ein Abnahmezwang bestehe nach Abschluss einer Rahmenvereinbarung nicht, sofern der Auftraggeber darauf ausdrücklich in den Vergabeunterlagen hingewiesen hat.

Darüber hinaus könne kein Fall der Markterkundung angenommen werden, sofern dem Abschluss einer Rahmenvereinbarung eine möglichst genaue, in den Vergabeunterlangen belegbare Bedarfsermittlung seitens des Auftraggebers vorausgegangen ist. Dabei können Mengenangaben für den voraussichtlichen Bezug der Produkte auf Schätzmengen basierend auf den Umsatzzahlen vergangener Jahre erhoben werden.

Schließlich dürfe der Auftraggeber unabhängig von einer bestehenden Rahmenvereinbarung zwar keine weitere Rahmenvereinbarung über denselben Beschaffungsgegenstand abschließen. Der Auftraggeber sei jedoch nicht gehindert, eine gesonderte Einzelvergabe durchzuführen. Dafür gäben weder das Missbrauchsverbot aus § 21 Abs. 1 S. 3 VgV mit dem darin enthaltenen Verbot von Mehrfachvergaben, das Gebot der wirtschaftlichen und sparsamen Beschaffung noch speziell der Erwägungsgrund 61 der Richtlinie 2014/24/EU entsprechende Anhaltspunkte. Eine etwaige Kündigung früherer Verträge seitens des Auftraggebers ist nicht erforderlich. Vielmehr hätte im Vergabeverfahren um die Rahmenvereinbarung geltend gemacht werden müssen, dass der Auftraggeber eine solche wegen des Verbots der Doppelvergabe nicht abschließen dürfe.

Praxistipp

Die Entscheidung der Vergabekammer Rheinland zeigt, dass mit Blick auf die Erfolgsaussichten eines Nachprüfungsverfahrens im Zusammenhang mit Rahmenvereinbarungen zwischen möglichen Verstößen auf der Ebene der Rahmenvereinbarung einerseits und in Bezug auf die Vergabe späterer Einzelaufträge andererseits unterschieden werden muss.

Potenzielle Leistungsnehmer einer Rahmenvereinbarung sollten deren vertraglichen Inhalte sorgfältig bewerten. Nur dann lässt sich von Seiten eines Bieters entscheiden, ob er eine einseitig verpflichtende Rahmenvereinbarung eingehen möchte. Zentrale Aspekte sind die Verteilung vertraglicher Risiken und insbesondere, ob (überhaupt)  Abnahmepflichten des Auftraggebers bestehen.

Anmerkung der Redaktion

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Über Dr. Martin Ott

Der Autor Dr. Martin Ott ist Rechtsanwalt und Partner der Sozietät Menold Bezler Rechtsanwälte, Stuttgart. Herr Dr. Ott berät und vertritt bundesweit in erster Linie öffentliche Auftraggeber umfassend bei der Konzeption und Abwicklung von Beschaffungsvorhaben. Auf der Basis weit gefächerter Branchenkenntnis liegt ein zentraler Schwerpunkt in der Gestaltung effizienter und flexibler Vergabeverfahren. Daneben vertritt Herr Dr. Ott die Interessen der öffentlichen Hand in Nachprüfungsverfahren. Er unterrichtet das Vergaberecht an der DHBW und der VWA in Stuttgart, tritt als Referent in Seminaren auf und ist Autor zahlreicher Fachveröffentlichen. Er ist einer der Vorsitzenden der Regionalgruppe Stuttgart des Deutschen Vergabenetzwerks (DVNW).

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