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Zitierangaben: Vergabeblog.de vom 08/10/2020 Nr. 45160

Festlegung eines maximalen Störstoffgehalts für die Ausschreibung der Verwertung von Bioabfällen nicht geboten (VK Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 11.09.2020 – VK1-23/20)

EntscheidungZumindest dann nicht, wenn in den Vergabeunterlagen zu informatorischen Zwecken die Ergebnisse einer aktuellen Sortieranalyse mitgeteilt werden. Ebenso ist es nicht zu beanstanden, wenn die Vergabestelle eine maximale Entfernung der Abladestelle für die Bioabfälle, die selbst gesammelt werden vorgibt. Der Auftraggeber hat ein legitimes Interesse daran, die Transportentfernungen möglichst gering zu halten.

Einem Fachunternehmen für Bioabfallverwertung ist die Kalkulation nach Auffassung der Vergabekammer auch ohne Festlegung einer Höchstgrenze für den Störstoffgehalt im Bioabfall möglich. Die Vergabestelle verletzt insoweit nicht das Gebot der eindeutigen und erschöpfenden Leistungsbeschreibung, da sie alle kalkulationsrelevanten Umstände mitgeteilt hat.

§ 121 Abs. 1 Satz 1 GWB

Sachverhalt

Die Vergabestelle schrieb der Verwertung von jährlich ca. 4.600 Mg Bioabfall aus haushaltsnaher Sammlung aus. Die für die Bieter vorgesehene Rüstzeit betrug gut drei Monate. Da die Abfuhr der Bioabfälle mit eigenen Fahrzeugen durchgeführt wird, hatte die Vergabestelle für die Lage der von den Bietern zu benennenden Abladestelle einen Radius von höchstens 30 km vorgegeben. In einer Angebotsvariante konnten die Bieter auch auf eine Abladestelle zurückgreifen, die die Vergabestelle im Zugriff hat. Für diese Angebotsvariante wurden zu Wertungszwecken dem Angebotspreis des Bieters Umladekosten in Höhe von 3,70 EUR brutto zugeschlagen.

Hinsichtlich der Qualität des zu verwertenden Bioabfalls hat die Vergabestelle keine Qualitätszusagen gemacht, den Vergabeunterlagen aber eine aktuelle Sortieranalyse des Bioabfalls beigefügt. Außerdem definierte sie „übliche Fehlwürfe“ wie z. Bsp. Folientüten, Dosen, Büchsen Flaschen, Gläser, Blumentöpfe und Windeln als nicht vertragswidrig, mit der Folge, dass Chargen mit diesen Fehlwürfen vom Abnehmer nicht zurückgewiesen werden können. Daneben definierte die Vergabestelle als „unübliche Fehlwürfe“ solche, die in Missbrauchsabsicht in die Biotonnen gegeben werden und der Verwertung der verunreinigten Charge entgegenstehen. Derartige Fälle sind dem Auftraggeber zu melden und über den Umgang mit dieser Charge ist einvernehmlich zu entscheiden.

Noch vor Submission rügte ein Bieter die Vorgaben an die räumliche Lage der Abladestelle und die Störstoffregelung. Er forderte die die Festlegung einer Obergrenze für Störstoffe in Höhe von maximal 2%. Außerdem hielt der Bieter die Rüstzeit für zu knapp bemessen, um für einen vorhandenen Standort eine Genehmigung für den Umschlag von Bioabfälle zu erlangen. Er gab an, hierzu mindestens neun Monate zu benötigen. Die Vergabestelle wies die Rügen zurück, woraufhin der Bieter ein Nachprüfungsverfahren einleitete. Ein Angebot gab der Bieter nicht ab.

Die Entscheidung

Der zulässige Nachprüfungsantrag hatte keinen Erfolg.

Vorgabe der Entfernungsgrenze und Rüstzeit

Da die Antragstellerin über eine Abladestelle in dem Radius verfügt und sich im Rahmen der Angebotsvariante der Umladestelle des Auftraggebers hätte bedienen können, sah die Vergabekammer schon keine Kausalität dieser Rüge für die Nichtabgabe eines Angebots. Auf Basis der Angebotsvariante 2 hätte die Antragstellerin ohne Weiteres ein Angebot abgeben können.

Außerdem sei die örtliche Vorgabe deswegen nicht zu beanstanden, weil der Auftraggeber ein legitimes Interesse daran habe, die Transportwege möglichst kurz zu halten.

Auch die Rüstzeit hielt die Vergabekammer für ausreichend bemessen. Dass die Antragstellerin unbedingt mit einem eigenen Standort innerhalb des 30 km-Radius anbieten wollte, könne der Vergabestelle nicht zugerechnet werden. Enstscheidend sei, dass die Möglichkeit zur Teilnahme an der Ausschreibung gegeben ist. Dies wäre mit einem alternativen Standort oder im Rahmen der Angebotsvariante 2 ohne Weiteres möglich gewesen. Aber auch für den vorgesehenen Standort hielt die Vergabekammer unter Verweis auf ihre eigene Entscheidung vom 29.05.2005, VK 2-36/15 eine Angebotsabgabe für möglich, da eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung gem. § 8a BImSchG innerhalb von drei Monaten erteilt werden muss.

Störstoffregelung

Die Störstoffregelungen in dem vorgegebenen Vertrag ließ die Vergabekammer unbeanstandet.

Sie konnte keinen Verstoß gegen das Gebot einer eindeutigen und erschöpfenden Leistungsbeschreibung erkennen. Sie stellt zunächst fest, dass die Definition der „üblichen Störstoffe“ nicht im Widerspruch zur Bioabfallverordnung oder der Abfallwirtschafssatzung steht. Durch die Definition der üblichen Fehlwürfe, die nicht vertragswidrig sind, werde erkennbar eine Risikoverteilung vorgenommen. Daher sei mit dieser Definition keine Legalisierung von Störstoffen verbunden. Der Auftraggeber handele vielmehr im Rahmen seiner zivilrechtlichen Vertragsfreiheit.

Die Regelungen zum Störstoffgehalt hält die Vergabekammer im Übrigen für beanstandungsfrei. Die Antragstellerin könne die Kosten für die „nicht vertragswidrigen“ Störstoffe als anerkanntes Fachunternehmen entgegen ihrem Vorbringen sehr wohl kalkulieren. Außerdem sei ihr die Qualität der Bioabfälle durch die in den Vergabeunterlagen enthaltenen Ergebnisse einer Sortieranalyse bekannt.

Davon abgesehen sei es in der vergaberechtlichen Spruchpraxis (OLG Karlsruhe, Beschl. v. 28.11.2006, 17 Verg 8/06 zu Altpapier; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 28.04.204, VII-Verg 2/04 zu Leichtverpackungen) anerkannt, dass Fachunternehmen auf dann in der Lage sind, die Qualität von Abfällen einzuschätzen, wenn keinerlei Informationen über den Störstoffgehalt bekannt sind. Da diese Entscheidungen noch auf Grundlage des § 8 Nr. 1 Abs. 3 VOL/A a. F., der die Überwälzung ungewöhnlicher Wagnisse auf die Bieter verbot, ergangen sei, müsse die nach Wegfall dieser Vorschrift erst recht gelten. Grenze sei bei der Übertragung von Risiken auf die Bieter nur noch die Unzumutbarkeit bei der Angebotskalkulation. Da den Bietern die Ergebnisse einer Sortieranalyse bekannt gewesen seien, können gerade keine Unzumutbarkeit angenommen werden.

Rechtliche Würdigung

Die Entscheidung überzeugt. Und zwar rechtlich als auch praktisch.

Der Antragstellerin ging es in diesem Nachprüfungsverfahren in erster Linie um die Frage des Umgangs mit Störstoffen, weshalb im Folgenden auch nur auf diesen Aspekt eingegangen werden soll. Die rechtliche Unterscheidung zwischen üblichen Fehlwürfen, die als vertragsgemäß fingiert werden und unüblichen Fehlwürfen, die eine ordnungsgemäße Verwertung verhindern, soll das Problem der Zurückweisung einzelner verunreinigter Chargen regeln. Übliche Fehlwürfe stellen die Anlagebetreiber nämlich nicht vor große Probleme. Das hat die Antragstellerin in der mündlichen Verhandlung mit Ausnahme der Windeln selbst bestätigt. Dass damit bestimmte Risiken auf die Bieter abgewälzt werden ist zutreffend, aber aus praktischen Erwägungen heraus kaum anders machbar.

Die Herausforderungen bei der Verwertung von Bioabfällen liegen im Übrigen auch eher an einzelnen verunreinigten Chargen und nicht so sehr an dem Störstoffgehalt insgesamt. Nun kann man in dem Massengeschäft Bioabfallverwertung nicht über jede einzelne Charge diskutieren, zumal diese im Speditionsgeschäft meist von Fahrern abgeholt werden, denen die Kompetenz zur Beurteilung der Qualität meist fehlen wird.

Ungeachtet dessen müsste man bei der Festlegung einer Obergrenze wie sie Antragstellerin eingefordert hat, den Störstoffgehalt in regelmäßigen Abständen feststellen lassen. Das geht verlässlich nur mit einer Sortieranalyse, die einen hohen finanziellen und organisatorischen Aufwand erfordert.

Deshalb raten wir unseren Auftraggebern regelmäßig von der Festlegung von Obergrenzen für den Störstoffgehalt bei Abfallausschreibungen ab.

Praxistipp

Bei der Ausschreibung von Abfallverwertungsleistungen ist das Risiko der Zusammensetzung meines Erachtens aus praktischen Erwägungen heraus immer auf die Bieter zu verlagern.

Dass dies auch rechtlich möglich ist, zeigt die Entscheidung der Vergabekammer. Davon unabhängig müssen natürlich auch die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger ein großes Interesse an der möglichst sortenreinen Erfassung von Abfälle haben und entsprechende Maßnahmen ergreifen, die Sortenreinheit der getrennt erfassten Abfallfraktionen weiter zu steigern. Die regelmäßige Durchführung von Sortieranalysen ist geeignet, um den Erfolg entsprechender Maßnahmen zu überprüfen.

UND: Sie erhöhen die Rechtssicherheit von Ausschreibungen, wenn die Ergebnisse – wie hier – den Bietern mitgeteilt werden.

Der Verfasser hat in diesem Nachprüfungsverfahren die Antragsgegnerin vertreten.

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Martin Adams, Mag. rer. publ.

Herr Martin Adams, Mag. rer. publ. ist Rechtsanwalt und Inhaber der Kanzlei _teamiur_Rechtsanwälte, Mannheim. Herr Adams berät bundesweit öffentliche Auftraggeber bei Ausschreibungen und in vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren, insbesondere im Bereich der Abfallwirtschaft. Darüber hinaus veröffentlicht er regelmäßig Beiträge in entsprechenden Fachmedien und tritt als Referent in Fachseminaren auf.

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